Riesen und solchen normalen Eiern, deren obere Furchungszelle in der Klüftung zurückgeblieben
ist, bringt uns zu der Überzeugung, daß der Orientierungsprozeß eine aktive
Leistung der sich streckenden, krümmenden und endlich sich drehenden Mittelzelle sei,
wenigstens in seinem ersten Te ile ; während gerade die „Wanderzelle“ P2 passiv von jener
herumgetragen wird .( z u r S t r a s s e n 1896 a. p. 34).
Hierdurch ändert sich die Sachla ge: eine selbständige, ohne Beteiligung ihrer
Schwester vollzogene Vierteldrehung der Zelle EMSt, wie wir sie brauchen, rückt in den
Bereich der Möglichkeit. Wo rauf es jetzt noch ankommt, ist nur die Frage, w i e f e s t wir
uns die K o n t a k t v e r b i n d u n g zwischen beiden Zellen zu denken haben, und ob die
Drehungsenergie der Mittelzelle ausreicht, den Widerstand, den die Kontaktstelle einer seitlichen
Verschiebung entgegensetzen könnte, zu überwinden. Ist dieser Widerstand nicht zu
groß, so steht der Annahme nichts im Wege , daß EM S t ihre programmgemäße Drehung
zur Ausführung bringt, a u c h w e n n ihre Schwester durch mechanische Hemmung am Mitkommen
verhindert ist; P 2 würde von der sich drehenden Mittelzelle gleichsam abgestreift.
Wenn aber umgekehrt die Dauerhaftigkeit der primären Berührungsstelle größer ist, als die
Drehungsenergie von EMSt, so hält die mechanisch festgehaltene Zelle P2 ihrerseits die
Mittelzelle fest, und deren Drehung muß unterbleiben..— Nun ist uns jedoch das n o rm a le
g e g e n s e i t i g e G r ö ß e n v e r h ä l t n i s der beiden Faktoren leider völlig unbekannt, denn
eine Konkurrenz zwischen ihnen, wie sie bei T-Riesen stattfindet, fehlt in der typischen
Ontogenesis. W ir sehen nur, daß in der normalen Entwickelung die schwesterliche Kontaktverbindung
hinreichend haltbar ist, um während des Transportes aus einer Stellung in die
andere nicht nachzugeben ; und daß ebenso die Drehungskraft von EM S t für ihre normale,
nicht schwierige A u fg ab e genügt. Was aber, geschehen würde, wenn man im Stande wäre,
die unterste Zelle eines in Orientierung begriffenen normalen und fraglos kerngesunden
Vierzellenstadiums festzuhalten: ob dann die Mittelzelle ebenfalls in der momentanen Stellung
verharren, oder ob sie sich von ihrer Schwester losreißen und dennoch drehen würde,
das wissen wir nicht. — Jedoch betrachten wir als g ew iß , daß je nach dem typischen
Größenverhältnis der beiden ausschlaggebenden Faktoren e n tw e d e r d a s e in e o d e r d a s
a n d e r e in sämtlichen Fällen geschehen müßte.
Unter solchen Umständen stehen, wir bei den T-Riesen, wo zwischen den zwei F a k toren
mit einem Male ein Kampf beginnt, der ihren latenten Rangunterschied ans Licht
bringen muß, beiden Möglichkeiten des Ausganges zunächst ganz unparteiisch gegenüber :
h o r i z o n t a l e w i e v e r t i k a l e E n d s t e l lu n g d e r P r im ä r a c h s e v o n E M S t w ü r d e u n s
a p r i o r i g l e i c h v e r s t ä n d l i c h s e in . Und so gelangen wir jetzt zu einer veränderten
Fassung des uns beschäftigenden Problems. W ir fragen nicht länger, wie eine selbständige
Vierteldrehung der Mittelzelle überhaupt möglich sei, sondern, wie es kommt, daß wir in der
Geschichte der T-Riesen b e id e n Spindelstellungen begegnet sind, also von unserem Standpunkte
aus annehmen müssen, daß EM S t sich in einigen Fällen quand même gedreht, in
anderen die dazu nötige Energie nicht gefunden habe.
Darin aber liegt keine besondere Schwierigkeit. Riesen sind, wie in der Einleitung
hervorgehoben wurde, immer verdächtig, krank zu sein. Je tiefer die Schädigung ging, die
mit der Entstehung eines Riesen 4^ sei es als Ursache oder Wirkung — verbunden war,
desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, daß in der Entwickelung des Riesen ein oder
das andere typische Geschehnis gleichsam verkümmert wiederkehren oder gar völlig aus-
fallen werde; und zwar droht den normalen Ereignissen im allgemeinen um so eher der
Untergang, je komplizierter sie sind. Wenn wir also, um das divergente Verhalten der Zelle
EM S t bei T-Riesen aufzuklären, nichts weiter brauchen, als ein p h y s i o lo g i s c h e s M in u s ,
die Schwächung oder den Ausfall eines normalen Gestaltungsfaktofs, so steht einer solchen
Annahme nichts im Weg. Hierzu aber bietet sich uns sogar eine doppelte Möglichkeit. Wir
könnten uns erstens vorstellen, die drei Ausnahmeriesen mit horizontaler Spindel der Mittelzelle
litten an einer ganz besonderen, pathologischen Schwäche der Kontaktverbindung
P 21 EMSt, so daß bei ihnen die Drehungsenergie von EMSt, ohne größer zu sein als bei
den übrigen, abnormerweise die Oberhand gewinnt. Zweitens aber ist die Annahme erlaubt
— und aus verschiedenen Gründen wahrscheinlicher — , daß gerade unsere Ausnahmen die
gesünderen Riesen sind, bei denen der Drehungsmechanismus der Mittelzelle seine volle
Leistungsfähigkeit oder wenigstens noch sein Übergewicht über den Widerstand des
schwesterlichen Kontaktverhältnisses bewahrt; während dieser selbe Widerstand bei dem
minder gesunden Gros der T-Riesen genügt, den Drehungsversuch, für den nur unzureichende
Kräfte zu Gebote stehen, total zu vereiteln.
Wie dem auch sei, jedenfalls ist die Möglichkeit, ja sogar die Wahrscheinlichkeit dargetan,
daß EM St bei einem T e il der T-Riesen ihre ursprüngliche Stellung mit vertikaler
Primärachse bis zur Mitose beibehält, in anderen Fällen jedoch eine Vierteldrehung erleidet,
die ihre Primärachse, wie in der normalen Ontogenesis, in die Horizontalebene überführt.
Und damit kommen wir dem erstrebten Ziele, alle bei den T-Riesen beobachteten Spindelrichtungen
von EM St als mit der primären Achse zusammenfallend darzustellen, um einen
guten Schritt näher: die drei Ausnahmeriesen, die auf den ersten Blick mit unserer Hypothese
fast unvereinbar schienen, machen insofern, als ihre Spindeln in die H o r izon ta leb en e
orientiert wurden, schon keine Schwierigkeit mehr.
3.
Allein wir vergessen nicht, daß wir die Aufgabe, die uns hier gesetzt ist, bisher nur
zu einem Teile bewältigt haben. E s ist noch nicht aufgeklärt, wie es geschehen kann, daß
bei T-Riesen d ie S p in d e l d e r M i t t e l z e l l e zw a r — im Einklang mit der typischen V o r schrift
— h o r i z o n t a l g e l e g e n i s t , in n e r h a lb d e r H o r i z o n t a l e b e n e j e d o c h a n n
ä h e r n d e in e n r e c h t e n W in k e l m i t d e r m o r p h o lo g i s c h e n M e d ia n e b e n e b i ld e t ,
mit der sie zusammenfallen sollte.
Von den drei in Betracht kommenden Riesen ließen zwei eine Bestimmung ihrer
Medianebene überhaupt nicht zu. Wir würden uns also, was diese beiden betrifft, bei der
jedenfalls nicht widerlegbaren Annahme beruhigen können, daß ihre Spindelstellung eine
absolut normale gewesen sei. Ganz zweifellos aber war die Regelwidrigkeit der horizontalen
Mitose bei dem dritten Riesen. Und dieser eine sichere Fall verlöre, selbst wenn er wirklich
vollkommen isoliert stehen sollte, doch nichts von seiner ausschlaggebenden Wichtigkeit.
Denn wie ich schon früher hervorhob, war gerade dieser T-Riese der gesündeste und
lebenskräftigste, den ich überhaupt gesehen habe, und wenn es irgend eine typische Be-
Zoologica. Heft 40. 15