ihrer Mitosen und ihr räumliches Verhalten zu Nachbarzellen typisch zu regeln, keineswegs
enthoben. A u f d i e s e m Gebiet der Formbildung waren s ie geradeso verpflichtet und
mußten ebenso funktionsfähig sein, als die Gewebezellen und als die Individuen der
stammesgeschichtlich vorausgegangenen Flagellatenkolonie. — W e r nun die Entwickelungsmechanik
der Blastaeaden zu erforschen hätte und, wie wir im voraus erraten, zu dem E r gebnis
käme, daß man den scheinbar isotropen Furchungszellen dieser Tiere auf Grund
ihrer Teilungsweise, epithelialen Zusammenfügung, vielleicht auch eines geringen Grades
radiärer Selbstgestaltung e i n a c h s i g - h e t e r o p o l e n P l a sm a b a u und a n i s o t r o p - c h em o t
a k t i s c h e Z o n e n zugestehen müsse, der hätte mit jener Forderung leichtes Spiel. Einachsigungleichpolige
D ifferenzierung des Plasmaleibes, das ist ja für F lagellaten, die unmittelbaren V o r fahren
jener Zellen, das allerwenigste, ein niemals unterschrittenes Mindestmaß von Anisotropie.
A uch ist gewiß, daß Flagellatenindividuen — damals so gut wie heute — in anisotrop
chemotaktischer Wechselwirkung mit ihresgleichen standen: offenbart doch jedes in
spiegelbildlicher Stellung konjugierende Flagellatenpäärchen das Vorhandensein einer gleichsinnig
orientierenden Tätigkeit. Bei koloniebildenden Formen weist oft die typische Gesamtordnung,
die sich durchaus nicht immer aus der Teilungsrichtung oder der Körpergestalt
der Einzeltiere allein erklären läßt, auf aktiv ordnende Mechanismen hin. Und ganz besonders
hübsch wird die Verbreitung anisotrop-chemotaktischer Funktionen bei flagellatenähnlichen
Lebewesen durch das Verhalten mancher pflanzlichen Schwärmsporen illustriert,
die bei der prinzipiellen Übereinstimmung aller Verhältnisse wohl zum Vergleich herangezogen
werden dürfen. Nach S a u v a g e a u (1895 P- 162) bilden die Zoosporen der Braunalge
Ectocarpus, indem sie sich Flanke an Flanke zusammendrängen, und jedes neu herbeigeschwommene
Exemplar sich unter polyédrischer Abplattung innig zwischen die den Rand
bildenden hineinschmiegt, e i n s c h i c h t i g e S c h e ib e n ; der Autor vergleicht den Vo rgang
mit der Entstehung eines tierischen Epithels. Und H a r t o g , der schon früher (1888) an
Zoosporen von Achlya und anderen Saprolegniaceen ähnliche Gruppierungen beobachtet
und als „Adelphotaxie“ bezeichnet hatte, vermutet neuerdings (1895 P- 682) die Ursache der
seltsamen Erscheinung in a n i s o t r o p e r , z u r L ä n g s a c h s e s y m m e t r i s c h e r A t t r a k t i o n
d e r I n d i v i d u e n . — Wenn also .d ie formbildende Tä tigkeit der scheinbar isotropen
Blastaea-Furchungszellen die Annahme axial differenzierter Plasmastruktur und chemotaktischer
Zonen für sie notwendig macht, so geht diese Forderung über dasjenige Maß von
cellulärer Komplikation, das ihre direkten Vorfahren bestimmt besessen hatten und in völlig
gleicher Weise verwendeten, nicht hinaus. Dann aber erscheint die Annahme dieser Strukturen
und Mechanismen — derselben, die wir den epithelbildenden Zellen von Ascaris nur
zögernd zugestanden haben! — hier äußerst ökonomisch: sie sind offenbar, als die V e r wandlung
der Flagellatenindividuen in kugelförmige Blastomere vor sich ging, als dauernd
notwendig e r h a l t e n g e b l i e b e n . Für die „Gewebezellen“ der Blastaeaden ist ein derartig
lückenloser Zusammenhang der formativen, hier auch die komplizierte Selbstgestaltung umfassenden
Mechanismen mit denen der Flagellatenahnen ohnehin selbstverständlich.
2 .
Um nun den stammesgeschichtlichen V ergleich in extenso durchzuführen, sollte zunächst
von den G a s t r a e a d e n , bei denen die histologische Spezialgestaltung der Zellen auf
ein noch! späteres, Stadium hinausgeschoben ist, und die Form der Blastaea nur noch als
embryonale' „Blastula“ erscheint, die Rede sein; und weiter von Stufe zu Stufe. Aus
Gründen der Kürze aber überspringen wir viele Zwischenglieder und wenden unseren Gesichtspunkt
sogleich auf ein in formbildnerischer Hinsicht gut bekanntes Metazoon mittlerer
Komplikationshöhe an : fragen wir, wie das phylogenetische Verhältnis zwischen den formbildenden
Leistungen der A s c a r i s z e l l e n und denen ihrer freilebenden Ahnen sich präzisieren
läßt.
A n den Z e l l e n d e r f u n k t io n i e r e n d e n G e w e b e von Ascaris findet sich kaum
noch eine Spur der alten Flagellatengestalt mit ihren äußeren und inneren Differenzierungen.
In manchen Organen ist der Komplikationsgrad der cellulären Selbstgestaltung gegen früher
herabgesunken, so bei den Zellen des Darmepithels; in anderen aber bedeutend erhöht:
Muskel^ Nerven- und Bindegewebszellen bedürfen zur Herstellung ihrer komplizierten
Spezialgestalt und inneren Struktur eines relativ gewaltigen, für Flagellaten ganz unerhörten
Maßes angeborener Mannigfaltigkeit. — Ebenso leisten auch die B l a s t o m e r e von Ascaris,
obwohglpe dem A u g e nicht minder primitiv erscheinen, als vermutlich die der Blastaea,
doch in formbildnerischer Hinsicht erheblich mehr. Zwar spielt die einschichtig-epitheliale
Zusammenfügung auf_ Grund einachsig-ungleichpoliger Attraktionszonen, die dort die Gipfelleistung
der Blastomere war, auch bei Ascaris noch eine wichtige R o lle ; und in der Teilungsweise
gehen manche, in der Selbstgestaltung fast alle ihre Furchungszellen über den
Komplikationsgrad der Blastaea nicht hinaus. Andrerseits aber zwangen uns die zahlreichen
Fälle genau spezialisierter Spindelstellung, vor allem die Vorgänge der typischen Selbstordnung,
den betreffenden Ascarisblastomeren höhere Grade der Anisotropie: disymmetrische,
bilaterale und sogar asymmetrische Strukturen zuzuschreiben.
Ist diese Komplikationsdifferenz zwischen den formbildenden Mechanismen der Ascariszellen
und ihrer Flagellaten-Ahnen verwunderlich oder gar unvereinbar mit dem Gedanken
eines stammesgeschichtlichen Zusammenhanges? Gewiß nicht! Der Übergang vom Einzelleben
zur Staatenbildung, der für die Gemeinschaft ersprießlich ist, stellt in der Regel auch
für-das Individuum keinen Rückschritt, sondern Fortschritt dar. Wohl hat die Arbeitsbiene
von der umfassenden Organisation der solitären Immen manches eingebüßt, aber das, was
sie an Feinheit der Instinkte neu hinzuerworben hat, erhebt sie doch als Einzelwesen auf
ein,e höhere Stufe. S o i s t a u c h a p r io r i g l a u b h a f t , d a ß M e t a z o e n z e l l e n , w e n n g
l e i c h s i e in lo k om o t o r i s c h e r u n d n u t r i t o r i s c h e r H i n s i c h t u n b e h o l f e n u n d
u n s e lb s t ä n d i g g ew o r d e n s in d , in d em s p e z i e l l e n R e s s o r t d e r F o rm b i ld u n g a n
n e u e u n d s c h w i e r i g e r e A u f g a b e n a n g e p a ß t w e r d e n ,d .h .z u f e in e r e rO r g a n i s a t io n g e -
l a n g e n k o n n t e n , a l s ih r e e in z e l l ig e n A h n e n . Nur würde natürlich vorausgesetzt, daß
eine Steigerung der protoplasmatischen Komplikation, und zwar bis zu derjenigen Höhe,
die wir den Ascariszellen zugeschrieben haben, nach der physischen Natur der Gebilde
überhaupt möglich war. Daran aber ist nicht zu zweifeln. Einachsig- ungleichpolige
Symmetrie, die nach unserer vorsichtigen Hypothese den Ausgangspunkt der phylogenetischen
Reihe bilden soll, bedeutet doch, wie gesag t, unter Flagellaten nur ein Mindestmaß.
Die Form der meisten jetzt lebenden Arten ist anisotrop in höherem Sin n e :
bilateral oder- asymmetrisch, und wird natürlich von jedem Individuum mit Hilfe ebenso
stark anisotroper in n e re rS tru k tu ren ontogenetisch hergestellt. Wenn aber das dem