A und B.
1.
. Die Ektodermzellen A und B des vierzeiligen Stadiums dienten uns in ihrer typischen
Spindelstellung als ausgezeichnet klare Paradigmata der quer-paratangentialen Teilungsweise
(p. 98, Fig. Z). Minder dankbar ist ihre Analyse an der Hand der eigentlichen T-Riesen-
geschichte, da unsere beiden Zellen von der bekannten, für uns so wertvollen Stellungsanomalie
des ventralen Paares allzuwenig betroffen werden.
Besonders d ie v o r d e r e Z e l l e A zeigt sich bei den T-Riesen weder in ihren unmittelbaren
Nachbarschaftsverhältnissen noch auch, was für uns jetzt wichtiger ist, in ihrer
typischen Form und L a g e im geringsten gestört: daraus geht hervor, daß die Richtung ihrer
Primärachse einerseits und ihrer organischen Achse andererseits mit der normalen identisch
ist (Fig. JJ i und 2). Wenn nun diese Zelle ihre Spindel bei T-Riesen ausnahmelos horizontal
und quer zur Medianebene stellt, wie in der regulären Ontogenesis, so bedeutet das,
wie dort, zugleich „quer zur primären Achse und paratangential“ . D i e t y p i s c h e B e z
i e h u n g d e r S p in d e l z u r P r im ä r a c h s e e rw e i s t s i c h a l s o b e i A ai% k o n s t a n t ;
womit freilich für sich allein nicht viel gesagt ist; denn alle übrigen deskriptiven Richtungsverhältnisse
dieser Mitose werden ja nicht minder getreulich beibehalten.
1 j j . 2
Form- und Achsenverhältnisse der Zellen A und B in der normalen Ontogenesis (1)
und bei T-RJesen (2). p—a Primärachsen; die organischen Achsen sind durch Pfeile dargestellt.
Instruktiver ist schon das Verhalten der h in t e r e n E k t o d e rm z e l l e B . Diese Zelle
verändert zwar in der T-Riesengeschichte ebensowenig als A die typische, genau mediane
und longitudinale Stellung ihrer primären Achse, w o h l a b e r ih r e G e s t a l t . Indem die
dritte Kontaktfläche, die ihr normalerweise die wandernde Zelle P2 verschafft, in W egfa ll
kommt, erhält — oder besser : bewahrt — unsere Zelle genau die gleiche disymmetrische Form
mit zwei basalen Berührungsflächen, wie ihre Schwester (Taf. I, F ig. 1). Mit dieser Formveränderung
geht aber ' selbstverständlich eine atypische Aufstellung des Kerns und der
Sphäre Hand in Hand. Während im rhombisch orientierten Vierzellenstadium die organische
Achse von B steiler aufgerichtet ist, als diè von A, l i e g t s i e j e t z t e b e n so s c h r ä g w ie
j e n e (Fig. JJ, 1 und 2). Nur in einem, sehr wesentlichen Punkte ändert sich nichts: die
organische Achse von B fällt nach wie vor in d ie m o r p h o lo g i s c h e M i t t e l e b e n e .
Erheben wir jetzt einmal vorweg die Frage, wie denn die Spindelstellung der Zelle B,
wenn sie im Einklang mit unserer Hypothese einerseits an die Paratangentialebene, anderefseits
an das senkrechte Verhältnis zur Primärachse gebunden ist, unter den geänderten Ve r hältnissen
der T-Riesen ausfallen müßte, so erkennen wir bald, daß die Spindelstellung
hierbei ganz unverändert so bleiben würde, wie sie war : horizontal und quer zur Medianebene.
Die organische Achse von B dürfte sich sogar noch stärker nach oben oder unten
verschieben: so lange sie innerhalb der Mediane = bleibt, schneidet die von ihr abhängige
Paratangentialebene die andere, durch die Primärachse normierte Ebene von Möglichkeiten
allemal längs der gleichen queren Linie; und wenn die Spindel unserer Zelle in der T a t von jenen
zwei Grenzebenen geleitet wird, so muß sie bei T-Riesen in dieselbe Linie fallen, wie in
der normalen Entwickelung. D aß dies letztere in der T a t geschieht, ist uns wohlbekannt.
A l s o d a r f - 9 s o w e i t d i e B e w e i s k r a f t d e r T - R i e s e n g e s c h i c h t e h i e r e b e n
r e i c h t — a u c h d i e S p in d e l s t e l lu n g v o n B im S in n e d e r v o n u n s g e p r ü f t e n
H y p o t h e s e g e d e u t e t w e r d e n .
2.
Nun aber die erste von den Überraschungen, die ich verkündigt habe. In der Geschichte
d e s D r e i f a c h z w i l l i n g s geschieht etwas, das die Physiologie der Spindelstellung
von A und B mit einem Schlage in völlig verändertem Lichte erscheinen läßt.
W ir wollen die Überlegung, die wir vorhin über das geometrische Verhältnis der
beiden von der primären und organischeil Achse bestimmten Ebenen angestellt haben, soweit
es dort in F ra ge kam, jetzt; bis an ihr Ende führen. Was geschähe wohl, wenn die
organische Achse einer dieser Zellen sich auf der Medianebene s o w e i t nach abwärts verschöbe,
d a ß s i e in d ie R i c h t u n g d e r p r im ä r e n A c h s e s e lb e r zu l i e g e n k äm e ?
D ie Antwort ist einfach. In solchem Falle würden auch die zwei Ebenen, die im Schwerpunkte
der Zelle auf den Achsen senkrecht stehen und sonst sich längs einer queren Linie
schneideri, zusammenfallen, und die Schnittlinie zwischen ihnen verschwände. Wenn nun die
Spindel der gedachten Zelle aus physiologischen Gründen einerseits in die zur organischen
Achse senkrechte Paratangentialebene, andererseits in die zur Primärachse senkrechte Ebene
gerichtet wird, wie unsere Hypothese lautet, so würde ihr durch zweifache Kausalität e in e
u n d d i e s e l b e E b e n e a n g e w i e s e n . Aber nichts ist da, was ihr i n n e r h a l b dieser
Ebene von Möglichkeiten eine endgültige, spezielle Richtung verleihen könnte. Die Stellung
der Spindel müßte also in ihrer doppelt garantierten Ebene willkürlich, vom „Zufall“ abhängig
sein.
Das Experiment, das hier in Gedanken ausgeführt wurde, hat eine glückliche Fügung
in der Geschichte des sonderbaren Dreifachzwillings — ein einziges Mal! — verwirklicht.
W ir erinnern uns, daß die beiden Ektodermzellen des senkrecht auf dem Kopfe stehenden
Individuums im Augenblicke ihrer Geburt von der zugehörigen ventralen Keimeshälfte losgerissen
wurden und gänzlich isoliert in der kleineren Schalenkammer liegen blieben
(Taf. IV, Fig. 53). Diese beiden Blastomere -JlSdie wir, ohne zu wissen, welches die eine
und welches die andere war, doch gemeinsam als A und B bezeichnen dürfen f§| waren
somit gegenüber den Verhältnissen echter T-Riesen je einer weiteren Kontaktfläche b eraub t:
die schwesterliche Scheidewand war die einzige, die ihnen geblieben war. Natürlich erhielt
unter solchen Umständen jede der Zellen, analog dem normalen Stadium II, eine zur Rieh