wie sie oben geschildert wurde, so ist durch eine einzige Hypothese das ganze diesmalige
Bedürfnis an neuer Komplikation gedeckt; eine Ersparnis, die uns nicht zögern läßt, die
Hypothese zu acceptieren.
2 .
Gehen wir weiter auf dem einmal betretenen Wege , so erhalten wir Schritt für Schritt
neue und wesentliche Vereinfachung. E s stellt sich heraus, daß s ä m t l i c h e Vorgänge der
Spezialordnung durch die Annahme „gestreifter“ Attraktionsmechanismen, wenn nicht die
einzig mögliche, so doch die beste Erklärung finden; und ferner, was für die Gesamtökonomie
besonders schwer in die W a g e fällt, daß die hierzu benötigten Plasmadifferenzierungen
fast durchweg schon im Kapitel de* Teilungsrichtung als vorhanden erwiesen
worden sind.
Zunächst genügt die eben besprochene paramediane Schichtung der ganzen Ventralfamilie,
sobald sie durch einen geringen Zusatz erweitert wird, auch zur Erklärung de.s
I n e in a n d e r s c h i e b e n s d e r zw e i k a u d a l e n Z e l l e n r e i h e n . Nehmen wir an, die
chemotaktische Streifung der fraglichen Blastomere, die das Verharren in zwei Kolonnen
bewirkt, sei von links nach rechts keine gleichmäßige, sondern ä n d e r e sich von der
Mittelebene aus nach den Seiten hin in irgend einer qualitativen oder nur graduellen B e ziehung
(Fig. E E E E i ) ; und zu der kritischen Zeit werde die Attraktionstätigkeit der Streifen
plötzlich in solcher Weise u m g e s t im m t , daß nicht mehr die gleichnamigen Felder von
Zelle zu Zelle aufeinander wirkten, sondern d ie m e d ia l e n n a c h B e r ü h r u n g m i t d e n
l a t e r a l e n s t r e b t e n u n d u m g e k e h r t : so schöbe sich jede linke Zelle zwischen ihre
beiden rechten Nachbarinnen hinein und es entstände zuverlässig die einfache, schnurgerad
ausgerichtete Reihe, g r Die Sparsamkeit dieser Hypothese tritt aber erst durch folgendes
ins rechte Licht. Wenn für die Zellen der kaudalen Doppelreihe eine bestimmt gerichtete
D i f f e r e n z i e r u n g der Zonen, d. h. natürlich auch innerer Schichten gefördert wird, so
bedeutet das für den Ascariskeim nicht etwa eine vollkommene Neuerung. Vielmehr wurde
in den Kapiteln über die Dotter Verschiebung und die inäquale Teilungsweise schon dargelegt,
daß auch die „horizontale“ Schichtung des Eies und vieler Blastomere keine homogene i s t : die
typisch gerichtete, primär vertikale Dislokation der Dotterkörnchen und Spindeln verlangte
unbedingt das Vorhandensein irgend einer Differenzierung senkrecht zur horizontalen Schichtebene.
E s gibt nün einen Umstand, der für unsere Kaudalzellen mit gleicher Schärfe dasselbe
beweist. Während der Ineinanderschiebung der beiden Kolonnen b e g i b t s i c h 'd e r K e r n
e in e r j e d e n Z e l l e in d e r B e w e g u n g s r i c h t u n g n a c h v o rn , überschreitet mit der vördringenden
Spitze die Mittellinie und bleibt, nachdem „ein Glied formiert“ ist, am äußersten
Seitenrande liegen (Fig. E E E E 2). Es ist ganz klar, daß diese innere Dislokation nicht durch
mechanischen Druck oder durch Anziehung bewirkt sein kann. Also b e w e i s t d ie t y p i s c h
g e r i c h t e t e , - e n t g e g e n g e s e t z t e W a n d e r u n g d e r K e r n e in n e r h a lb ih r e r Z e l l e n
d a s V o r h a n d e n s e i n e i n e r e n t s p r e c h e n d e n , l i n k s u n d r e c h t s e n t g e g e n g
e s e t z t e n D i f f e r e n z i e r u n g s e n k r e c h t zu r M i t t e l e b e n e ; — d. h. gerade diejenige
Komplikation, die wir für unsere Hypothese brauchen.
3.
Nunmehr durchschauen wir schon mit einem einzigen Blicke, daß eine ganze, umfangreiche
Kategorie von Zelldislokationen auf eine ebenso einheitliche A r t erklärbar sein
müsse: d ie V o r g ä n g e d e s V e r s in k e n s. E s handelt sich hierbei allemal um eine Ve r schiebung
senkrecht zur Bauchfläche, das heißt, bei der üblichen Aufstellung des Embryo,
im allgemeinen um eine Vertikalbewegung von unten nach oben. Dann wird wohl — so
denken wir - i i j e in e „ h o r i z o n t a l “ g e r i c h t e t e c h e m o t a k t i s c h e S t r e i f u n g der beteiligten
Blastomere, die auf horizontaler innerer Schichtung beruht und sämtlichen Zellen
der Ventralfamilie eigen ist, die richtende Ursache dieser Dislokationen sein.
1 F F F F . 2
Schema eines Mechanismus zur Versenkung des primären Mesoderms. Querschnitte. 1 vor, 2 nach der Versenkung,
E Entoderm, M Mesoderm, G Genitalanlage.
Fassen wir zum Beispiel die Versenkung der ersten Mesodermzellengruppe ins A uge
(Fig. F F F F 1, 2), so liegt auf der Hand, daß eine in horizontalen Streifen wirkende
Attraktion zwischen den Mesodermzellen und dem bereits vorher in die Tiefe gerückten
Entoderm ein brauchbares Mittel wäre, um auch jene hereinzuziehen. Der gleiche Mechanismus
beförderte dann von Stufe zu Stufe fast alles, was von Angehörigen der Ventralfamilie
an der Oberfläche liegt, ins Innere der Furchungshöhle: die Anlagen des Schlundes,
das sekundäre und tertiäre Mesoderm etc.
Nur für den allerersten Vorgang dieser Kategorie, d ie V e r s e n k u n g d e r D a rm -
z e l l e n selber, reichte die hier angenommene homogene Schichtung nicht aus. Wenn das
Entoderm einmal in der. Tie fe liegt, so kann es wohl mit Hilfe einer gleichförmig horizontalgestreiften
Chemotaxis den nachfolgenden Gruppen den W e g weisen; aber was zeigt ihm
selbst den W e g ? E s ist offenbar unvermeidlich, anzunehmen, daß die horizontale Schichtfolge
der Urdarmzellen in d e r R i c h t u n g d e s V e r s in k e n s , a l s o v o n u n t e n n a c h
Zoologioa. Heft 40. 28