meidung möglicher Mißverständnisse eine Darlegung der Konsequenzen, zu denen jede von
beiden Lösungen uns führen würde, schon hier für angebracht.
Sollte sich zeigen, daß ein disperm befruchtetes Einzelei nur die axiale Differenzierung
der Ventralfamilie doppelt, die circumaxiale Entfaltung des Ektoderms aber einheitlich vollzieht;
wonach wir annehmen müßten, d e r g a n z e P r o z e ß g e s c h e h e a u f G r u n d
e in e r e in h e i t l i c h e n P l a sm a o r g a n i s a t i o n , und die Verdoppelung der Ventralfamilie
samt Keimbahn sei nur die Folge vertikaler Durchschneidung derselbep, — so ständen wir
vor dem Problem: w a r um wird das Plasma des dispermen Einzeleies nur einfach, dasjenige
des Rieseneies doppelt organisiert? — E s wäre jedoch nicht ga r so schwer, einen Unterschied
zwischen beiden Kategorien aufzuzeigen, der die Differenz ihres organisatorischen
Verhaltens bewirken könnte. Disperme Einzeleier sind immer kugelrund, und was sie an
Kernen und Sphären enthalten, liegt bis zum Ende der Ruhezeit in einer Gruppe beisammen;
weshalb auch allemal eine gemeinsame, vierpolig verkoppelte Teilungsfigur gebildet wird.
Anders bei Riesenkeimen. Hier legen sich, soweit meine Kenntnis reicht, in dem oblongen,
oft sogar eingeschnürten Plasmaleibe ausnahmelos zwei völlig getrennte Spindeln an ; und
wir wissen bestimmt, daß in manchen Fällen, z. B. bei unserem Dreifachzwilling, eine entsprechende
Scheidung des Kern- und Sphärenmaterials in zwei getrennte Gruppen schon
lange vor der Mitose bestanden hat. Zuweilen läßt die ganze Gestaltung des Riesenkeimes
sogar keinen Zweifel darüber, daß die gesonderte Existenz der beiden Furchungskerne e in e
p r im ä r e i s t , d. h. unmittelbar anknüpft an die der beteiligten Einzelkerne; sei es nun,
weil zwei befruchtete Eier, ohne ihre Kerne zu einer zentralen Gruppe zu vereinigen, verschmolzen
worden sind, oder weil doppelte Befruchtung eines Riesen eintrat, ehe die Fusion
der Einzeleier entsprechend weit gediehen war, oder aus ähnlichen Gründen. Ob aber auch
das Gegenteil zuweilen geschieht, ob in gewissen Fällen die anfangs einheitliche Kerngruppe
eines dispermen Riesen nachträglich in zwei getrennte Furchungskerne auseinandergezogen
wird, das wissen wir n icht; gesehen habe ich es nie. — Und hierauf gründet sich
die Möglichkeit einer billigen Hypothese über die Ursachen einfacher und doppelter Organisation
in dispermen Keimen. E s dürfte bis zum Beweis des Gegenteiles behauptet werden,
daß a l l e echten Riesenzwillinge aus Rieseneiern mit primär getrennten Furchungskernen
hervorgegangen seien. Hielte man dies mit der abweichenden Entwickelungsart der
dispermen Einzeleier zusammen, so folgte ohne weiteres, d aß die A n z a h l d e r zu r k r i t i s
c h e n Z e i t v o r h a n d e n e n s e lb s t ä n d i g e n „ F u r c h u n g s k e r n e “ die Zahl der zu bildenden
Organisationen unmittelbar bestimmt. Nach dieser Reg e l lieferten die unvollständig
verschmolzenen dispermen Riesen Doppel Organisation und echte Zwillinge; bei Einzeleiern
mit ihrem primär einheitlichen Furchungskerne wäre das — trotz seiner doppelten Centrosomenpaare
! -— ausgeschlossen.
Im allgemeinen spricht aber wohl mehr dafür, daß auch die „Einzelzwillinge“ wirklich
echte, komplet entwickelungsfähige Zwillinge sind. Sollte diese Vermutung und damit
d ie N o t w e n d i g k e i t , a u c h d e n d i s p e r m e n E i n z e l e i e r n d e n B e s i t z e i n e s
d o p p e l t o r g a n i s i e r t e n P l a sm a z u z u s c h r e ib e n , durch weitere Untersuchungen bewiesen
werden, so schiede natürlich die Gruppenbildung der ruhenden Kerne aus der Liste
organisationsbestimmender Faktoren aus: d ie D i s p e rm i e a n s i c h , das Vorhandensein
zweier männlichen Pronuclei und zweier Zentrenpaare —- vermutlich aber nur das letztere —
wäre die unbestrittene und zureichende Ursache doppelter Organisation. E s müßte gefolgert
werden, daß jedes disperm befruchtete Einzel- oder Vielfachei, gleichviel ob seine Kerne
und Sphären von Haus aus in zwei Gruppen getrennt oder nahe beisammen liegen, zwei
selbständige Organisationsmittelpunkte enthält, die ihren programmgemäßen Einfluß auf das
Plasma erfolgreich geltend machen; und daß die zentrierende Rückwirkung der beiden im
Werden begriffenen Organisationen auf ihre Erreger diese selbst, dafern sie ursprünglich
in einer Gruppe lagen, früher oder später—fp]spätestens bei der Mitose 7— auseinandertreibt.
Hierdurch fiele zugleich ein neues Licht auf den Ursprung der Doppelkernigkeit in Zwillings
Rieseneiern. E s würde jetzt überaus wahrscheinlich, daß das Vorhandensein zweier
getrennten Furchungskerne keineswegs immer ein primäres sei, sondern auch neuerdings
entstehen könne, indem manche disperme Riesenkeime ihr Kern- und Sphärenmaterial, das
anfangs dicht beisammen lag, späterhin, — aber immer noch einige Zeit vor der Mitose —
in zwei Gruppen schieden. Und so gälte denn in der genetischen Hauptfrage für Riesen,
trotz ihrer ursprünglichen Vielgestaltigkeit, und Einzeleier das g le ich e : wenn sie disperm befruchtet
sind, bildeten sie doppelte Organisation und lieferten echte Zwillinge.
Um so befremdlicher wäre der Umstand, daß die zur Zwillingsentwickelung berufenen
Einfach- und Rieseneier in mehreren Punkten ihres D e t a i l v e r h a l t e n s dennoch starke
Differenzen zeigen. Disperme Einzeleier sind bis zum Beginn der Mitose kugelrund, Rieseneier
mehr oder minder oblong oder gar sanduhrförmig eingeschnürt; jene bilden vierpolig
verkoppelte Teilungsfiguren, diese, deren Kern- und Sphärenmaterial im voraus in zwei
Gruppen geschieden war, zwei völlig getrennte Mitosen. Die Achsen neugeborener Einfachzwillinge
liegen genau parallel oder divergieren höchstens um einen mäßigen Winkel, bei
Riesenzwillingen ist die Achsendivergenz immer bedeutend und erreicht unter Umständen
1800. Woher diese Unterschiede ?
Zunächst bemerkt man leicht, daß das scheinbar dreiteilige Problem einer bedeutenden
Kürzung zugänglich ist, indem zwei der widersprechenden Merkmalspaare fast sicher in
unmittelbarem Kausalkonnex stehen: die F o rm des zur Teilung bereiten dispermen Eies
und der gegenseitige A b s t a n d der in ihm enthaltenen Organisationsmittelpunkte; nur fragt
sich, welches von beiden Momenten wir als die Ursache des anderen betrachten sollen. Es
wäre a priori denkbar, daß die dauernde Kugelform des doppelbefruchteten Einzeleies alle
Kerne und Sphären gewaltsam dicht zusammenhielte, während die oblonge, vielleicht noch
von der Verschmelzung herrührende Gestalt der Riesen das Auseinandergehen der Furchungskerne
erleichterte oder bewirkte; aber auch das Gegenteil: die Stellung der Organisationsmittelpunkte
könnte durch fremde Faktoren primär bestimmt und ihrerseits die Ursache der
jenachdem runden oder gestreckten Gesamtform des Plasmaleibes sein. Allein wir bleiben
über diesen Punkt nicht lange im Zweifel. Der Dreifachzwilling unseres Beschreibenden
Teiles beiehrte uns ja auf wahrhaft drastische Weise, daß eine von Anfang an vorhandene
starke Einschnürung seines Plasmaleibes für die endgültige Aufstellung seiner Organisationsmittelpunkte
ohne Bedeutung war. Die beiden Furchungskerne wählten ohne jede Rücksicht
auf die Gestalt des Plasmakörpers ihre Plätze. Und wenn der Umriß der eingeschnürten
Schale es zugelassen hätte, so würde ganz zweifellos aus Anlaß der Kerndislokation
eine entsprechende Form V e r ä n d e r u n g des dreifachen Riesenleibes eingetreten sein. —
D a aber unter solchen Umständen niemand glauben wird, bei anderen Zwillingskeimen be-
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