gegangenen Kapiteln gewonnen worden sind — nicht unbedingt zu, wie ich auch das von
B o v e r i angewandte Beweis verfahren nicht für zwingend zu halten vermag.
Unter solchen Umständen sehe ich mich veranlaßt, den s t u f e n w e i s e n Aufbau der
Analyse, der uns bisher von Nutzen war, auch diesmal durchzuführen. Wir schicken also
der experimentellen Erörterung eine Charakteristik der überhaupt vorhandenen Lokalisationsmöglichkeiten
und eine Berechnung voraus, welche von ihnen die ökonomisch günstigste wäre.
A. Die Lokalisationsmöglichkeiten.
Dreierlei Hypothesen stehen zur Wahl. Die Gründe, die das individuell formbildende
Verhalten einer Ascariszelle bestimmen, könnten ausschließlich im Plasmaleib, oder nur im
Kern, oder in beiden zugleich enthalten sein.
1.
Beginnen wir mit dem Z e l l l e i b , so ist vor allen Dingen gewiß, daß durch die A n nahme,
jede Zelle sei durch irgendwelche Besonderheiten ihres Plasma vor den übrigen —
soweit sie sich anders verhalten — ausgezeichnet, die ganze Summe ihrer differentiellen
Leistungen erklärt werden könnte. Der Zustand des Plasmakörpers bedingte — vielleicht
auf einfach nutritorischem W e g e — das raschere oder langsame Reifen des darin eingebetteten
Kernes; e r brächte als adäquater Reiz die Kerne der Ursomazellen zur Dimi-
nution; das Plasma würde durch seine Eigenart bestimmen, welches von den vorhandenen
Schichtsystemen zu diesem, welches zu jenem Zwecke in Aktion treten soll: das eine System
bemächtigt sich der drehbaren Spindel, das andere entfaltet an der Oberfläche chemotaktische
Tä tigk eit oder führt durch innere Dislokationen zu typisch gerichteter Gestaltveränderung.
Bei weiterem Durchdenken dieser Möglichkeit stoßen wir jedoch auf eine Schwierigkeit.
D a die Entwickelung von Ascaris reine-Selbstdifferenzierung ist, müßte natürlich jede
besondere, die Formbildung einer Zelle oder in sich gleichartigen Zellengruppe determinierende
Plasmasorte b e r e i t s im E i v o r h a n d e n und derartig gelagert sein, daß sie
durch den Prozeß der Klüftung allmählich herausgeschnitten und der betreffenden Zelle
überliefert würde. E s fragt sich nur, wie es geschieht, daß ein solches von Anfang an vorhandenes
Sonderplasma seine determinierende Kraft n i c h t s c h o n im E i o d e r a u f g e n
e a l o g i s c h e n Z w i s c h e n s t u f e n , sondern ausgerechnet e r s t d a n n e n t f a l t e t , w e n n
im A b l a u f d e r K l ü f t u n g d ie ihm p r o g r a m m g e m ä ß z u g e w i e s e n e Z e l l e e n t s
t a n d e n is t . Die erste Antwort, die einem einfällt, ist diesmal nicht die beste: man
denkt, die Sache sei wohl ganz einfach die, daß jedes Sonderplasma in Aktion tritt, sobald
es durch die fortschreitende Zerlegung gänzlich i s o l i e r t worden ist; solange es noch mit
anderen zusammen im E i oder in einer älteren Furchungszelle liegt, könne es sich nicht b e tätigen.
Aber dieser nächstliegende Erklärungsversuch scheitert sogleich an der Tatsache,
daß bei Ascaris die aktive, differenzierte Formbildung nicht erst am Ende einer homogenen,
lediglich auf Zerkleinerung des Eies und Isolation der Plasmasorten gerichteten Klüftung
beginnt; schon w ä h r e n d der Zerlegung, auf allen Zwischenstufen steht Formbildung in
voller Tätigkeit, und jede Furchungszelle müßte — wenn unsere Hypothese richtig ist —
von allen übrigen durch eine Besonderheit ihres Plasmaleibes verschieden sein. Nun stände
zwar der Annahme nicht viel im Wege, daß zwischen all den wohlsortierten Sonderplasmen,
die das E i für die letzte Zellgeneration bereithält, noch eigene Sorten für den Gebrauch der
Zwischenstufen eingelagert wären; aber was hülfe d a s ? Ein solches Plasma befände sich
in der ihm zugewiesenen Furchungszelle ja niemals allein, immer noch in Gesellschaft der
für Töchter und Enkel bestimmten Plasmareservate. Und die Ausübung einer ungestörten
Determination würde zur Unmöglichkeit.
W e i s m a n n hat bekanntlich (1892 p. 81) das hierin liegende allgemeine Problem,
wie manches andere, als Erster gesehen und durchgedacht, und löst es durch die Annahme,
daß die im Keimplasma (des Kernes) wie für Gewebezellen, so auch für alle Blastomere besonders
vorbereiteten „Determinanten“ in t y p i s c h u n g l e i c h em T em p o „ r e i f e n “ , und
zwar nach einem derartig bestimmten Plane, daß jede in der ihr zugewiesenen Furchungszelle
gerade fertig ist, weder früher noch später, und so ihre Aufgabe prompt und ungestört
erfüllen kann. Übertragen wir das Wesentliche dieser Theorie, die stufenweis differenzierte,
mit der Generationsfolge genau Schritt haltende „Reifung“ auf die von uns ge prüfte
Annahme einer rein plasmatischen Determination, so scheint auf den ersten Blick viel
gewonnen. Die Vorstellung, daß eine Mannigfaltigkeit im Ascarisei enthaltener, für Zellen
aller Stufen bestimmter Sonderplasmen mit typisch differenzierter Geschwindigkeit reif, d. h.
determinationsfähig werden und nach getaner Arbeit gleichsam erlöschen sollte, wäre nicht
übermäßig kompliziert; und sie erfüllte die Forderung, daß das Sonderplasma einer
Furchungszelle weder auf den vorausgegangenen noch den nachfolgenden Stufen den richtigen
Ablauf fremder Determination durchkreuzen würde. — Bei schärferem Zusehen verschwindet
jedoch der scheinbare Gewinn, und zwar aus zweierlei Gründen.
Zunächst paßt eine so überaus exakte Harmonie zwischen dem Reifetempo der
Plasmasorten einerseits und dem Klüftungsrhythmus andererseits, wie sie gefordert würde,
nicht ohne weiteres für den Ascariskeim, bei dem gerade die rhythmischen Vorgänge so
schwankende sind. D a könnte es ja geschehen, daß ein programmgemäß für die zehnte
Generation bestimmtes Sonderplasma reif wird und zu funktionieren beginnt, während die
Klüftung noch nicht weiter gekommen ist, als bis zur neunten Stufe. Und wir müßten
darum durch eigene Hilfsannahmen die Reifezeiten der determinierenden Plasmen mit der
individuellen Variation des Teilungsrhythmus ins Einvernehmen bringen.
Zweitens aber wäre die Übertragung der Reifungshypothese auf unseren Fall n i c h t
ö k o n om i s c h ; denn es gibt eine Möglichkeit, ohne sie, ja sogar — was wohl noch mehr
bedeutet — ohne das Zugeständnis eigener Determinationsplasmen für den Gebrauch der
Zwischenstufen auszukommen. Unsere bisherige Rechnung basierte auf der Idee, daß irgend
ein Determinationsplasma nur dann eine typische Wirkung zu vollbringen vermöchte, wenn
es sich innerhalb seiner Zelle entweder völlig isoliert oder doch allein in reifem, funktionsfähigem
Zustand befände. Aber diese Vorstellung ist, wenn auch naheliegend, doch keineswegs
zwingend. Bedenken wir die kausale Situation einer Zelle, in der g l e i c h z e i t i g
m e h r e r e f u n k t i o n i e r e n d e Plasmasorten vorhanden sind, so leuchtet ein, daß durch die
Vielheit der Ursachen weder der Eintritt einer Wirkung überhaupt, noch der einer typischen,
formbildenden Wirkung verhindert würde. W o rein nutritorische Bewirkung in Frage kommt,