3.
E in Material, das die Fra ge nach dem kausalen Werte der a b s o l u t e n Z e l 'l e n -
g r ö ß e für die Beendigung bestimmter Mitosenfolgen sogleich entscheiden muß, sind die
„echten Riesen“ . W ie das noch ungeteilte Riesenei selber, so besitzt jede seiner Furchungszellen
doppeltes Größenmaß; d. h. auf einer bestimmten genealogischen Stufe im allgemeinen
dasjenige Volumen, das in der normalen Ontogenesis für die v o r h e r g e h e n d e
Altersstufe vorgeschrieben ist. Wenn also in der normalen Entwickelung die Minimal-
Zellengröße wirklich der Faktor wäre, der die Klüftungsfolge einer Zellfamilie zum Abschluß
bringt, so müßte offenbar bei den Riesen allemal ein ganzer Teilungsschritt zugegeben
werden. Die Keimbahn z .B . ginge statt bis zur fünften, bei echten Riesen zu einer sechsten
Stufe, ehe sie ihre mitotische Tätigkeit unterbricht, so daß die Geschlechtsanlage der Riesenlarve
aus vier und nicht aus zwei Zellen bestehen würde. Und ebenso müßten die Zellen
des Schlundes, des Exkretionsorganes, des Enddarmes u. s. w., ehe sie die obligatorische
Minimalgröße erreichen, von einer im typischen Programm nicht vorgesehenen Extrateilung
betroffen werden. Danach enthielte die junge, zum Ausschlüpfen reife Riesenlarve in allen
ihren Organanlagen, mit dem Typus verglichen, die doppelte Anzahl normalgroßer Elemente.
A ber das ist durchaus nicht der Fall. Ein reifer junger Riese ist unverkennbar in
allen Teilen großzelliger und großkerniger als die normale Larve. Und überall, wo eine
Zählung der Bausteine im einzelnen möglich war, habe ich in den Organanlagen der Riesen
die vorschriftsmäßige Summe festgestellt. So findet sich bei allen Riesen ein primitives
Exkretionsorgan von doppelter Größe, das zwei Kerne erkennen läßt, wie beim normalen
Embryo. Vo r allen Dingen aber: die Keimbahn geht über die fünfte Teilungsstufe, auf
der ihre beiden Vertreter noch ebenso groß sind, als die ungeteilte Urgeschlechtszelle der
typischen Entwickelung, keineswegs hinaus; und alle ausgewachsenen Riesenlarven enthalten
zweizeilige Geschlechtsanlagen von doppelter Größe. Nun ist offenbar nicht der ge ringste
Grund zu der Annahme vorhanden, daß die Riesenlarven mit ihrem Zellbestande
den ausgleichenden Teilungsschritt, den sie während ihres langen Aufenthaltes in der E ischale
zu tun versäumen, etwa nächholen würden, sobald ihr parasitisches Leben und damit
ihr Körperwachstum beginnt. Ich halte vielmehr für zweifellos, daß ein gesunder
junger Riese, der das fast unverantwortliche Glück haben sollte, seinen Bestimmungsort im
Pferdedarm zu erreichen, zu einer vorschriftsmäßig zusammengesetzten Riesenascaris mit
typischen Zellnumeris heranwachsen würde. — D i e A n n a h m e , d a s a b s o lu t e M a ß d e r
Z e l l e n g r ö ß e b e s t im m e d ie B e e n d i g u n g d e r e in z e ln e n K l ü f t u n g s r e f h e n , i s t
a l s o w id e r l e g t .
4.
E s fragt sich nun an zweiter Stelle, ob etwa bei Ascaris — wie bei den Echiniden —
für einzelne Zellfamilien ein u l t im ä r e s ; ,G r ö ß e n V e r h ä l t n i s z w i s c h e n K e r n u n d
P l a sm a l e i b vorgeschrieben ist; d i e s e Möglichkeit steht nämlich, wie schon D r i e s c h (1902
p. 932 Anm.) und dann B o v e r i (1905 p. 68) hervorgehoben haben, trotz der „echten Riesen“
zunächst noch frei. Ein Ascarisriese enthält ja nicht nur die doppelte Plasmamenge, sondern
auch abnorm viel Chromatin. Und wenn er d o p p e l t so viel Kernsubstanz besäße,
als der normal© Keim, so würde die Kern-Plasmarelation auf allen Stufen seiner Klüftung
durchaus die typische sein: es bestände kein Grund, warum irgend eine Zellfamilie, z. B.
die Keimbahn, über die normale Anzahl von Teilungsschritten hinausgehen sollte, und die
Geschichte der T-Riesen bewiese in der T a t gar nichts gegen die kausale Rolle der Kern-
Plasmarelation.
A b e r die echten Riesen enthalten ja, da sie aus der Verschmelzung zweier Eier und
e in e s Spermatosoins hervorgegangen sind, nicht doppelt, sondern nur a n d e r t h a l b m a l
s o v i e l K e r n s u b s t a n z , als regelrechte Keime. Ihre Kern-Plasmarelation ist also nicht nur
von Anfang an abnorm, sondern sie kann auch '— was für die Analyse besonders ins Gewicht
fällt — auf keine Weise, auch nicht durch eine über die typische Mitosenzahl hinaus
zugegebene Extrateilung rektifiziert werden. Denn wenn in einer genealogischen Reihe
zwischen Kern und Plasma an der kritischen Teilungsstufe die Größenrelation i%:2 besteht,
so erwüchse aus ©iner weiteren, programmwidrigen Mitose nur das umgekehrte, sogar noch
schlimmere Mißverhältnis iü|| • 1. Wir wissen, daß bei den echten Riesen ein solcher überzähliger
Teilungsschritt stets unterbleibt; — spricht dies nun für oder gegen die zu prüfende
Hypothese? .-ij.
Hier kommt alles darauf an, wie man sich im speziellen die physiologische Wirkungsweise
der „Kern-Plasmarelation“ zu denken hat. Handelt es sich um einfache Auslösung
der Mitose durch das Nichterfülltsein des typischen ultimären Größenverhältnisses, so muß
eine Zelle, deren Plasma ü b e r h a u p t n o c h präponderiert, unbedingt zur Teilung schreiten,
selbst wenn durch die überzählige Mitose ihre Kern-Plasmarelation sich nicht verbessern,
wohl gar verschlechtern wird. Bei solcher Auffassung würde die Lehre von der Kern-
Plasmarelation für Ascaris abzulehnen sein. Denn bei den echten Riesen sind alle Zellfamilien,
wenn die kritische Stufe erreicht ist, von dem normalen Größenverhältnisse
zwischen Kern und Plasma noch entfernt, o h n e sich doch zu teilen.
Allein B o v e r i schöpfte aus seinen Studien an Seeigelkeimen bereits die Erkenntnis,
daß die Sache so einfach nicht zugeht (1905 p. 53). Die Furchungszell© ¿strebt“ vielmehr,
wie es scheint, nach einem O p t im um der Kern-Plasmarelation. „ I s t sie diesem Optimum
ungeteilt näher, als wenn sie sich teilen würde, so beharrt sie in ihrem Zustand, im anderen
teilt sie sich.“ Wenden wir d i e s e Auffassung, die allerdings das ganze Problem mit einem
Schlag zu einer unvergl©iehlich höheren Komplikationsstufe erhebt, auf Ascaris an, so stimmt
das Verhalten der echten Riesen mit den Anforderungen der Hypothese überein. Vermutlich
liegt doch das Optimum der Kern-Plasmarelation in dem normalen Größenverhältnisse
1 : 1 ; von diesem erstrebten Ziele sind die Riesen am Ende der typischen Mitosenzahl zwar
noch entfernt, aber w©niger weit, als wenn sie sich nochmals klüft©n und dabei notgedrungen
über das Optimum hinausschießen würden: also unterbleibt die überzählige Mitose.
5.
Wenn nun nach dieser Darlegung das Verhalten echter Riesen der Anwendung der
Plypothes© auf Ascaris nicht länger w i d e r s t r e b t , so halten wir doch keineswegs einen p o s i t
i v e n Beweis dafür in Händen, daß wirklich die vorschriftsmäßige Beendigung der Mitosenfolge
bei Riesen und normalen Keimen durch eine optimale Kern-Plasmarelation physiologisch
verursacht wird. Hiervon könnte erst dann die Rede sein, wenn sich die Möglichkeit
erweisen ließe, durch experimentelle Verschiebung des Optimums um mehr als die