zeigt die Ansätze zu einer Herstellung der typischen Konfiguration. Und daß die seltsame
Vereinigung gleichnamiger Zellensorten bei dem Dreifachzwilling, und gar die systematisch
durchgeführte Blasenbildung des Ektoderms unter den abnormsten Umständen nicht Zufälligkeiten,
sondern physiologisch bewirkte, selbständige Phänomene sind, ist ohnehin
zweifellos.
E s bleibt also die Tatsache ganz unerschüttert stehen, d a ß an a b n o rm e n A s c a r i s k
e im e n . V o r g ä n g e a k t i v e r Z e l ld i s l o k a t i o n zu b e o b a c h t e n s in d , d ie d a s n o r m
a l - d e s k r ip t i v e P r o g r am m n i c h t k e n n t ; d ie a b e r d e n n o c h t y p i s c h e F o rm g
e s t a l t u n g a l s Z i e l u n d F o l g e h a b e n .
2.
Was nun die physiologische Beurteilung jener Vorgänge betrifft, so ist uns durch
unsere Analyse der E p i t h e l b i ld u n g bereits ein W e g gewiesen. Unser damaliges Ergebnis
war ein doppeltes. Einerseits zeigte sich, daß die Bildung und Erhaltung der einschichtigen
Epithelblase in kausaler Hinsicht gar nicht so anspruchslos ist, wie es auf den ersten Blick
scheinen mochte; sondern die epithelbildenden Zellen müssen mit recht komplizierten,
anisotrop-chemotaktischen Mechanismen ausgerüstet sein. Andrerseits aber — und darin lag
wiederum eine erhebliche Vereinfachung |j§- genügte ein und derselbe Apparat für s ä m t l
i c h e beteiligten Zellen, gleichviel welcher genealogischen Stufe. Jede mit diesem Apparat
versehene Zelle ist ohne Rücksicht auf die Anzahl und Herkunft der mit ihr verbundenen
Genossinnen unter beliebig normalen oder abnormen Verhältnissen befähigt und gezwungen,
am Aufbau einer einfachen, geschlossenen Epithelschicht teilzunehmen. Hierdurch fällt auf
die a u ß e r n o rm a l e Seite des epithelbildenden Geschehens ein eigentümliches Licht. Daß
das primäre Ektoderm der tT-Riesen und sonstigen monströsen Keime sich vorschriftsmäßig
zum Epithel gruppiert und zwar mit Hilfe von allerhand „abnormen“ Gleitbewegungen, erscheint
ganz selbstverständlich. E s bedarf zur Aufklärung dieser Tatsache weder besonderer,
an der normalen Entwickelung unbeteiligter Faktoren, noch auch verdient die Erscheinung
einen besonderen Namen. D a s V e r h a l t e n d e r e p i t h e lb i ld e n d e n T - R i e s e n z e l l e n
w i r d d u r c h d i e K a u s a l i t ä t d e r n o rm a l e n E p i t h e l b i l d u n g r e s t l o s m i t g e d
e c k t ; —- eine Folgerung, die ich schon bei anderer Gelegenheit (1903 p. 112) gezogen habe.
Nicht ganz so durchsichtig klar wie hier, aber von der gewonnenen Basis aus unschwer
verständlich liegen die Dinge bei einigen „Regulationen“ des Musterriesen; vor allem
bei. der schnurgeraden und innerlich korrekten A u s r i c h t u n g d e r d r e i v e n t r a l e n
Z e l l e n E , P3 u n d C, die, nachdem die Gruppe zuvor in regelwidrige, seitwärts gekrümmte
Stellung geraten war, auf dem abnormen W e g e der Dislokation vollzogen wurde.
Wir wissen, daß die vier ersten Zellen der Ventralfamilie in der medianen Lage, in
der sie geboren sind, aktiv verharren, indem die chemotaktisch wirksame, der Medianebene
parallele Schichtung ihrer Plasmaleiber zwar Gleitbewegungen innerhalb dieser Ebene erlaubt,
jede seitliche Abweichung von derselben aber mit Energie vereitelt. Nun würde, wie
man leicht versteht, derselbe Mechanismus, der für gewöhnlich nur Entgleisungen aus der
Medianebene zu verhindern hat, andererseits auch befähigt sein, b e r e i t s e n t g l e i s t e
Z e l l e n in d ie M e d ia n e b e n e z u r ü c k z u fü h r e n . Nehmen wir an, ein Glied der vierzeiligen
Ventralfamilie sei durch äußere Gewalt zur Seite hinausgedrängt, so geraten die
chemotaktischen, von Zelle zu Zelle koordinierten Schichtsysteme außer Zusammenhang;
und falls die Entfernung nicht über den Wirkungsbereich der attraktiven Zonen hinausgeht,
wird eine Tendenz zur Wiederherstellung des Mediangefüges durch seitliche Verschiebung
die natürliche Fo lge sein. Der Mechanismus des Verharrens bewirkte also in solchen
Fällen, ohne daß das geringste Neue hinzugefügt worden wäre, s i c h t b a r e D i s lo k a t i o n ;
eine Vorstellung, die um so weniger Bedenken erregt, als wir durch andere Tatsachen bereits
zu der Hypothese gedrängt worden sind, daß dieses selbe paramediane Schichtsystem
der Ventralfamilie im Stadium IV in Wechselwirkung mit dem Ektoderm echte Zellverschiebungen
zu Stande bringe.
Nach dieser Darlegung hat aber das Verhalten der Zellen E , P3 und C unseres
Musterriesen' nichts überraschendes mehr. Hier war der angeboren#:, Zusammenhang der
chemotaktischen Schichten durch den Prozeß der Seitwärtskrümmung in der T a t gestört.
Also mußte an den Grenzflächen der Blastomere eine Spannung vorhanden sein, eine
Tendenz, die gegeneinander verworfenen Schichtsysteme auszurichten, d. h., die gebogene
Zellensäule in die median gestreckte Form zurückzuführen. Irgend ein Widerstand machte
dies für die Gesamtheit der Vier zellengruppe unmöglich. So geschah denn, was auch ein-
treten muß, wenn man ein hölzernes Stäbchen über seine Elastizitätsgrenze hinaus verbiegt.
Die chemotaktische Spannung brachte den gelockerten Zusammenhang der Schichtsysteme
an ihrer schwächsten Stelle zum völligen Bruch: drei Blastomere fanden dadurch Gelegenheit,
sich vorschriftsmäßig median aneinanderzureihen, die vierte lag wie abgestreift an der
Seite. — Hiernach stellt dieses erste „regulatorische“ Ereignis aus der Geschichte des
Riesen in physiologischer Hinsicht ebensowenig ein Novum für die Ascarisontogenese dar,
als die Epithelbildung des Ektoderms an monströsen Keimen; es wird darum, wie jene,
aus der Reihe .der wahren Regulationen zu streichen sein.
3.
Um einen höchst bedeutungsvollen und doch im Grunde merkwürdig kurzen Schritt
weiter führt uns die Analyse eines anderen „RegulationsVorganges“ aus der Entwickelung
des Musterriesen. E r betrifft die h o r i z o n t a l e S e i tw ä r t s k r ü m m u n g d e r v i e r z e l l i g e n
V e n t r a l f am i l ie .
E s ist leicht zu erkennen, inwiefern dieses Geschehnis uns mehr zu raten aufgibt,
als das vorher betrachtete. Dort -g |b e i der Ausrichtung der Zellen E, P3 und C handelte
es sich um die Herstellung einer Konfiguration, die auch in der normalen Ontogenesis
durch eigene, aktive Faktoren gewährleistet wird, und wir brauchten nur nachzuweisen, daß
dieser selbe Mechanismus sein typisches Ziel auch von abnormen Anfangslagert aus herbeiführen
könnte. So einfach liegen die Dinge bei der Seitwärtskrümmung nicht.
Von der absurden Idee, die Ventralgruppe habe ganz mit eigenen Mitteln die Annäherung
an den typischen Gesamt-Bauplan eingeleitet und eine Strecke weit durchgeführt,
sehen wir natürlich a b ; wir sind uns von Anfang an darüber klar, daß die unmittelbare
Ursache der Seitenkrümmung in einem physiologischen Z u s am m e n s p ie l v o n R e i z u n d
R e a k t i o n zw i s c h e n d e r V e n t r a l f a m i l i e e in e r s e i t s u n d d em d a r ü b e r l a g e r n