lokalisierter Differenzpunkte in den Keim hineinzutragen, die fortan als zuverlässige innere
Ursachen der simultanen. Differenzierung verwendet werden konnten. W ie sehr gewann
z. B. die Gastrulation an Sicherheit, wenn die Stelle der Einstülpung, die an deruerbgleieh
geklüfteten, isotropen Blastula s ich nur durch äußere Reize ■ oder nach dem Prinzipe des
Zuerstfertigseins umständlich genug lokalisieren ließ, klipp und klar durch die : chemische
oder strukturelle Besonderheit, die ¡eine Bestimmte Zellengruppe vom unteren Pole des
anisotropen Kies bezog, entschieden wurde. Und wir begreifen, daß die weitaus größte
Mehrheit der Geschöpfe sich diesen bedeutenden, und leicht zu beschaffenden Vorteil nicht
entgehen ließ. Allem der neu betretene W e g zur Besserung versprach noch mehr. Nachdem
die Methode der erbungleichen Teilung einmal erfunden war, l a g * § nahe, d u r c h
h ö h e r e K o m p l ik a t io n d e s t e Z e l lp r o t o p la sm a jv o r a l lem 'im E i , fijr die Entstehung einer
größeren Mannigfaltigkeit fest lokalisierter Differenzpunkte im abgefürchten Keime ¿ « g e
zu tragen. W ie solches geschehen konnte, ist klar. Der Kern als T rä ge r der Kontinuität
mußte mit neuen chemischen oder strukturellen Komplikationen belastet werden, die er
einerseits durch efbgleiche Kernteilung den künftigen Keimzellen zu überliefern hatte,
andererseits dazu verwendete, dem Protoplasmakörper entsprechend höhere Anisotropien auf-
zupragen. Diese aber wurden'erbungleich zerlegt, Erhielt z. B. der einachslg-ungleiobi>olige
Kern eines Eies irgendwo außerhalb , seiner Achse, eine asymmetrisch® Be|onder.heit, i SO-
konnte die hierdurch bewirkte analoge Veränderung des Eiprotoplasnia, nachdem sietdurch erb-
ungleiche Aufteilung einer bestimmten, außerhalb der Keimesachse gelegenen Z e B s n g r u p p e
uberwiesen worden war, daselbst die Ventra&eite markieren. Und sii: weiter Schritt für
■Schritt.. Schließlich kamen Ontogenesen zustande,'bei denen jedes
Formbildung bereits im E i durch eine fest lokalisierte Besonderheit Vertreten und alle:
Simultandifferenzierung Selbstdifferenzierung ist, wie bei Ascaris. Nebenher konnte die
Fähigkeit, m denjenigen genealogischen Seitenzweigen, die nicht zu Keimzellen führen,
a u c h d e n K e r n in s e s o e h e t e r o g e n e n B e s t a n d t e i l e e r b u n g l e i c h a u f z u l ö s i e n ’
nützlich sein und erworben werden.
5.
Allem man darf nicht glauben, daß die völlige A bschaffung formativ auslösender
und hemmender Reize, die Stereotypierung des gesamten Entwickelungsverlaufes u n t e r
a l le n - U m s t a n d e n das adaptive Ideal'-gewesen sei, nach dem die Tierwelt strebte, und daß
etwa die zahllosen Geschöpfe, in deren Entwickelung formative Reize eine mehr oder
minder ausgedehnte Rolliri spielen, in dieser Hinsicht durchweg auf einer tieferen Stufe
standen, als Ascaris. So absolut überragend ist doch die Zweckmäßigkeit der rein mosaikartigen
Entwickelung nicht. Schon unter normalen Verhältnissen werden vielmehr der
Formbildung oft genug Aufgaben gestellt, digfsidh mit Hilfe: von formativen Reizen leicht
durch reme. Selbstdifferenzierung aber nur unter Aufbietung enorm komplizierter und entsprechend
empfindlicher Mechanismen lösen lassen, ;ko daß die größere Sparsamkeit und
Sicherheit deutlich auf seiten des ReizgeS'ehehens liegt. Hierzu gehören vor allem jene
Falle, m denen K e im e s t e i l e v e r s c h i e d e n e n U r s p r u n g s n a c h e in e r l a n g e n u n d
w e c h s e l v o l l e n S o n d e r e n tw i c k e lu n g z um A u f b a u e i n e s g e m e i n s a m e n O r g
a n e s Z u s am m e n t r e f f e n .
Wenn man erfährt, daß bei der Echinidenlarve die Mundbildung, die genau dort
eintritt., wo kurz zuvor der hakenförmig umgebogene Urdarm das Ektoderm berührte,
dennoch n i c h t durch eben diese Berührung ausgelöst, sondern ganz autonom vom Ektoderm
vollzogen wird (D r i e s c h , G a r b o w s k y ) , so fühlt man sich schon geneigt, diese
Einrichtung vom ökonomischen Standpunkte aus zu mißbilligen. Zwar scheint weder die
Lokalisation des Mundes durch erbungleiche Zerlegung einer besonderen, bilateralen E istruktur,
noch die Beschaffung eines Mechanismus, der den Urdarm scharf in der Mittelebene
ventralwärts umbiegt, übermäßig kompliziert. A ber daß die Selbstkrümmung des
Darmes exakt genug von innen heraus geregelt sein sollte, um sein blindes Ende mit absoluter
Treffsicherheit an die winzige präformierte Mundstelle heranzubringen, das glauben
wir nicht: wenigstens die letzte Adjustierung und Verlötung des entodermalen Bestandteiles
mit dem ektodermalen wird wohl durch orientierende Reizwirkung zwischen beiden zuwege
gebracht. Sind hier aber Reize einmal nicht zu entbehren, so meinen wir: formative A uslösung
der Mundbildung durch den Darm müßte bequemer, sicherer und ökonomischer sein.
Und dabei handelt es sich in diesem Falle um die Verbindung zweier Keimesteile, deren
getrennte Vorgeschichte nicht lang und relativ einfach war! — Wie viel schwieriger wäre
z. B. die Aufgabe, die gegen die Haut vordringende Augenblase des Wirbeltieres mit einer
durch simultane Selbstdifferenzierung bereitgestellten ektodermalen Linsenanlage pünktlich
zusammenzuführen. D aß Keimesteile von so entfernter Verwandtschaft in der langen, ohne
gegenseitigen Rapport durchlaufenen Generationenfolge die Scharfe Richtung verlieren und
im entscheidenden Moment das Rendezvous verfehlen würden, und daß deshalb durch
chemotaktische Wechselwirkung für Korrektur gesorgt werden m ü ß t e , ist wohl gewiß.
A ber damit allein kämen wir noch nicht aus : schlimmer als die räumliche Unstimmigkeit
wäre die ebensowenig zu vermeidende z e i t l i c h e . Was sollte geschehen, wenn die „rhythmische
Diskordanz“ zwischen Augenblase und Linsenanlage im Laufe so vieler, allemal mit
kleinen Schwankungen der Zeitmaße verbundenen Teilungsschritte den Wert von zwei oder
drei Generationen erreichte?, der eine von beiden Partnern also noch gar nicht fertig wäre,
um an dem Schicksal des anderen programmgemäß teilzunehmen? Hier war unzweifelhaft
die Schaffung eines formativen Reizverhältnisses das einzig zweckmäßige. Wurde den Zellen
der larvalen Epidermis d u r c h w e g die Fähigkeit erteilt, auf den spezifischen Kontaktreiz der
Augenblase mit Linsenbildung zu reagieren, so war die räumliche und zeitliche Koinzidenz
der beiderseitigen Geschehnisse mit einem Schlage sichergestellt. Und die Wirbeltier-Ontogenese,
die in der T a t nach solcher Methode zu Werke geht (H e r b s t , S p e m a n n , L ew is ) ,
steht technisch durchaus auf der Höhe. — Gleiches gilt für eine Unsumme analoger Fälle.
E s gab aber noch einen anderen, nicht in normalen Verhältnissen wurzelnden Grund,
der unter .Umständen wünschenswert machen konnte, an der Entwickelung durch formative
Reizvorgänge festzuhalten, ja so g a r : solche Vorgänge in eigenartiger Modalität neu einzuführen.
Hiervon soll im folgenden und letzten Absätze die Rede sein.