Die physiologische Bedeutung des prosomalen Magens samt seinen Divertikeln hat man,
wie es mir scheint, Bisher noch nicht ganz vollständig erkannt. Freilich hat uns B e r tk a u (8, 9)
gelehrt, daß dieser Darmabschnitt bereits Verdauungssekrete liefert, und daß in ihm einige
Zellelemente Vorkommen, welche sonst in den echten Chylusläppchen .des Opisthosoma weit
verbreitet sind. Beobachtungen an lebenden Koenenien und das Vorhandensein einer r e la t iv
k r ä f t ig e n M u s k u la r i s - S c h ic h t um die Divertikel des Prosoma der größeren Pedipalpen
machen es mir aber wahrscheinlich, daß a u c h d e r p r o s o m a l e M i t t e ld a rm b e im A u f s
a u g e n d e r N a h r u n g e in e R o l l e s p i e l t und darin die prae- und postcerebrale Schlundpumpe
unterstützt. Bei Koenenia habe ich mit Hilfe des Mikroskops (bei durchfallendem
Licht) deutlich sehen können, wie fortwährend und ziemlich regelmäßig rhytmisch das prosomale
Divertikelpaar im Anschluß an die Kontraktionen und Expansionen der postcerebralen
Schlundpumpe erweitert wurde und wieder kollabierte, und eine ähnliche Bewegung dürften
auf Grund jener Muskularis auch die gleichwertigen Darmabschnitte der Thelyphoniden und
Tarantuliden und wohl auch der übrigen Arachniden ausführen. Bei der Län ge der fraglichen
Divertikel der Tarantuliden und Thelyphoniden ist die Muskularis-Schicht ja auch schon aus
dem Grunde, ich möchte sagen, notwendig, dass die Nahrung aus ihren Enden wieder
hinausgetrieben und in den Hinterleib weiter befördert werden kann, und es wäre möglich,
daß die besagten Kontraktionsbewegungen sich unmittelbar an die des Vorderdarmes anschlössen
und die flüssige Nahrung nur kurze Zeit in den Divertikeln verweilt, um vor ihrem
Eintritt in den opisthosomalen rezipierenden Teil des Darmtraktus noch mit einigen notwendigen
Sekreten vermischt^ zu werden.
Jene Muskularis erwähnt schon B e r tk a u , doch ließ er die Frage, ob die von ihm beobachteten
Fasern wirklich muskulös sind, noch offen; ich kann nun mitteilen, d a ß ,s ie stets
mehr oder weniger deutlich q u e r g e s t r e i f t sind und als innere Ringmuskeln und weniger
zahlreiche äußere Längsmuskeln auftreten. Bei Koenenia sind sie nur äußerst zart und schwer
nachweisbar. Wenn B e r t k a u sagt, daß diese Fasern dem Bindegewebe angehören, so ist
das doch nur mit einer gewissen Einschränkung richtig, indem sie wohl dem Bindegewebe
entstammen, beim ausgebildeten Tier aber morphologische Bestandteile der Darmwände sind.
Bei den Tarantuliden kann man die Ring- und Längsmuskelfasern bisweilen schon bei schwacher
Lupenvergrößerüng erkennen.
Übrigens kommen ähnliche, sehr zarte Fasern auch an den Chylusläppchen des Hinterleibes
v o r , sie werden dort aber wahrscheinlich nur zur Hinausbeförderung der unverdaulichen
Stoffe dienen.
b. D e r o p i s t h o s o m a l e M i t t e l d a rm .
Der Mitteldarm nimmt mit seinen Chylusanhängen weitaus den größten Raum im
Hinterleibe bei den Pedipalpen, wie ja überhaupt den meisten Arachniden, ein. Seine vielen
Lappen und Läppchen, zwischen denen sich die sogenannten Malpighischen G e fäße verbreiten,
sind durch ein fettkörperartiges Gewebe verbunden, auf welche W e ise es zu einer ziemlich
einheitlichen, unter dem unpassenden Namen der „L e b e r “ allbekannten Organbildung kommt
(cf. B e r t k a u [8]). Da wir uns hier nicht auf Einzelheiten einlassen wollen, seien mit wenigen
Worten nur die groben Bauverhältnisse, denen wir bei den verschiedenen Formen begegnen,
behandelt.
Sehr auffällig ist zunächst der große Unterschied in der Form und der Verbindung der
Hauptdivertikel mit dem mittleren Darmrohr.
In dieser Hinsicht zeigt uns Koenenia von allen Arachniden die interessantesten Verhältnisse.
Schon G r a s s i (26) gab für sie richtig das Vorhandensein einfacher, unverzweigter
und ungelappter, breit mit dem Mittelrohr kommunizierender Divertikel an, deren vorderstes,
kaum als solches entwickeltes Paar zwischen dem 1. und 2 . Dorsoventralmuskelpaar gelegen
ist; die 4 folgenden sind recht deutlich und liegen zwischen dem 2. bis 6 . (letzten) Paare
dieser Muskeln; dann folgt noch ein hinteres Paar, welches selbst wieder in je einen vorderen
und hinteren Abschnitt geteilt ist. Seitlich Überhängen die Chylussäeke, wie auch sonst,
die Geschlechtsorgane (Textfig. 4 1 , 99, 100). Etwa im 6 . Hinterleibssegment geht der Mitteldarm
in den Enddarm über (vergl. ® x tfig . 39, 41, 101).
Die gleiche Zahl der Darmsäcke treffen wir bei Trithyreus cambridgei an, abgesehen von
dem ersten Paar, welches ja auch bei Koenenia eher als fehlend, denn als vorhanden angegeben
werden kann. Textfig. 42 zeigt uns eine seitliche, etwas schematisierte Ansicht des
Darmtraktus. Zum Unterschiede von Koenenia sind die Divertikel b e re its , wenn auch nur
wenig, gelappt und erscheinen deshalb im Vergleich zu den Thelyphoniden und Tarantuliden
großlappig. Das hinterste Paar ist auch hier in eine vordere und hintere Abteilung zerlegt.
Kleine ventrale Läppchen kommen anscheinend bereits vor (in der Figur nicht angegeben),
sie sind aber nur undeutlich. Die Öffnungen in das Mittelrohr sind relativ groß und weit,
doch nicht mehr so einfach wie bei Koenenia (cf. Textfig. 79). Das vorderste Paar liegt
zwischen dem 2. und 3., das letzte zwischen dem 6. und 7. Dorsoventralmuskel.
Ganz anders sieht der opisthosomale Mitteldarm der Thelyphoniden und Tarantuliden aus,
bei denen wir einmal die bekannte Zerklüftung der bei Koenenia noch (?) einfachen Divertikel
in zahlreiche kleine Läppchen, dann aber auch eine andere Zahl der in das Mittelrohr
mündenden Sammelgänge konstatieren. Leide r habe ich keine geeigneten Tarantuliden ge funden,
die mir klare Bilder von diesen Verhältnissen hätten geben können, wohl dagegen
von Thelyphoniden, zumal einen. Typopeltis amurensis und Thelyphonus eaudatus. Für die erste
der beiden Formen sehe ich mich daher genötigt, meiner Darstellung die Beschreibung Blan-
c h a r d ’ s zugrunde zu legen, an deren Richtigkeit ich vorläufig deshalb nicht zweifeln möchte,
da sie eine schöne Übereinstimmung mit meinen an den Thelyphonen gemachten Beobachtungen
zeigt, bei denen B l a n c h a r d jedoch wohl nicht gerade die Wahrheit getroffen hat,
falls nicht etwa Verschiedenheiten zwischen den einzelnen Gattungen dieser Gruppe obwalten.
Vom Mittelrohr gehen bei den Thelyphoniden gerade an der Übergangsstelle vom Vorder-
zum Hinterleib einige kleine Lappen ab, welche sich ventral in der. Höhlung des Metasternums
ausbreiten; wir können ihnen keinen weiteren morphologischen W e r t beilegen. Größere
Sammelgänge finden wir dann in 3 1 e in f a c h e n P a a r e n zwischen den 1. und 2., 2. und 3.
und 3. und 4. Dorsoventralmuskeln (deren vorderstes Paar entspricht nicht dem vorderen
von Trithyreus und Koenenia, sondern diesem ist das zweite Paar der großen Pedipalpen
gleichwertig). Ein v i e r t e s P a a r mündet zwischen dem 4. und 5. Rückenbauchmuskelpaar;
1 B l a n c h a r d bildet Tafel IX, Fig. 1 ein Paar Sammelgänge mehr ab. Das Schema, welches 1896 B e r n a r d (5)
vom opisthosomalen Mitteldarm der Thelyphoniden gegeben hat (Tafel XXXIV, Fig. 2) ist richtig. Wenn er aber für die
Arachniden ursprünglich nur 7 Paar solcher Divertikel annimmt, so kann ich ihm darin deshalb nicht beistimmen, weil wir
bei allen Arachniden hinter dem letzten Dorsoventralmuskelpaar stets noch 1 Darmdivertikelpaar (so auch bei den Thelyphoniden)
finden, das allerdings nicht mehr d i r e k t mit dem Mittelrohr kommuniziert (cf. pg. 90).
Zoologica. Heft 42. 12