vier Tochterzellen ihren Kernschleifenbestand von mehreren Seiten, aus mehreren Äquatorialplatten
bezieht (Fig. RRR R). Wenn nun die Spaltung der Mutterchromosome differenziell ge schähe,
die ganze Mitose also sechs prädestinierte Keimbahnschleifen und sechs somatische,
zur Diminution berufene Chromosome lieferte, so wäre unvermeidlich, daß oft in einer und
derselben Zelle u n g l e i c h n a m i g e Schleifen zusammenträfen (Fig. R R R R 2, rechts oben).
Und käme es dann zur Diminution, so böte eine solche Zelle das Schauspiel einer ge mischten,
zum Teil somatischen, zum T e il dem Keimbahntypus folgenden Mitose.
Seither gelang es B o v e r i (1904a und b), die Folgezustände dispermer Einzeleier aufzufinden.
Und siehe da: von einer Mischung der karyokinetischen Typen war keine Rede;
ausnahmelos zeigte sich die Gesamtheit der in einer Zelle enthaltenen Chromosome entweder
diminuiert oder nicht. Aber B o v e r i fand noch etwas anderes, unvermutetes: E tw a
z w e i D r i t t e l d e r d o p p e l b e f r u c h t e t e n E i n z e l e i e r e n t w i c k e l t e n s i c h -
wenigstens in gewissen Zügen der Formbildung — a l s „ Z w i l l i n g e “ . Früher hatte B o v e r i
(1899 P- 427) die Meinung ausgesprochen, daß die von mir (1898 b) beschriebenen, aus disperm
befruchteten D o p p e l e i e r n hervorgehertden „Riesenzwillinge“ immer nur dann entstehen
könnten, wenn in dem Riesenei zwei wohlgesonderte Teilungsfiguren mit je einer einzigen
Äquatorialplatte angelegt worden wären. Und dieser Vermutung schloß ich mich im ersten
Teile der vorliegenden A rb eit (1903 p. 30) aus doppeltem Grunde an. Einerseits hatte ich das
wirkliche Vorkommen der von B o v e r i erschlossenen Art der Spindelbildung in Rieseneiern
und die Entwickelung solcher Eier zu Zwillingen inzwischen festgestellt; und ferner schien
auch mir der Gedanke, daß ein Keim mit vierpolig verkoppelter Teilungsfigur und der fast
unvermeidlich damit verbundenen Kernschleifen-Konfusion jemals zwei abgeschlossene Individualitäten
liefern könnte, zu jener Zeit so sonderbar, daß ich mich leicht für eine gegenteilige
Lehre gewinnen ließ. Und nun B o v e r i s überraschende Entdeckung der Einfachzwillinge!
E s nützte nichts, sich an die Ausflucht anzuklammern, daß auch bei Einzeleiern
getrennte Furchungsspindeln — wenigstens gelegentlich — gebildet werden könnten, und
daß die Zwillinge allemal aus solchen Eiern ihren Ursprung nähmen; denn unser Autor besaß
ein untrügliches Mittel, jedem Zwilling nachzurechnen, welcher A r t seine erste Mitose
gewesen war. E r zählte die Chromosome der doppelten Keimbahn. Hatte das E i zwei selbständige
Spindeln mit je einer einzigen Äquatorialplatte angelegt, so mußten in den beiden
Keimbahnen notwendig zusammen sechs Chromosome (bei bivalerts) vorhanden sein; und
solches war in der T a t mehrfach der Fall. A ber bei den meisten Zwillingen stimmte es
nicht. Einer von ihnen enthielt acht, ein anderer sieben Keimbahnschleifen, einer nur fünf.
A lle diese Keime bewiesen einwandfrei, daß ihre erste Mitose nicht sauber verlaufen war,
daß Chromosome, die auf den somatischen Bereich hätten entfallen sollen, vorschriftswidrig
in Keimbahnzellen gelangt waren, oder umgekehrt. Und da die Überläufer sich nie durch
irgend eine Eigenmächtigkeit verraten haben, sondern ausnahmelos alles, was von Chromosomen
in einer Zelle zusammengewürfelt war, sich uniform verhielt, so schließt B o v e r i ,
daß nur die Protoplasmabeschaffenheit der Zelle darüber entscheide, ob ein bestimmtes
Chromosoma seinen ursprünglichen Charakter bewahren oder diminuiert werden soll. Die
Annahme erbungleicher Kernteilung weist er für Ascaris zurück.
2.
Allein so^plegant diese Argumentation erscheint, so sehe ich mich dennoch außer
stände, ihr beizustimmen. Eines ist nach B o v e r i s Befunden allerdings g ew iß : der Dimi-
nutionsvorgang ist keinesfalls eine vom Zellprotoplasma g ä n z l i c h unabhängige, sowohl
durch kongenitale Eigenschaften veranlaßte als rein mit inneren Mitteln durchgeführte
Selbstleistung der Chromosome. Aber eine derartig vollkommene Autonomie des ganzen V o r ganges
war a priori wohl kaum wahrscheinlich; jedenfalls wird sie von einer Hypothese
der n u c l e a r e n Determination nicht vorausgesetzt. Man durfte vielmehr von vornherein vermuten,
daß mindestens an der letzten, sichtbaren Szene, an der Zerstückelung des Chromosoms
irgend ein besonderer Zustand des umgebenden Protoplasmakörpers kausal — z. B.
durch modifizierte Oberflächenspannung — beteiligt sei. Hat doch für andere mitotische
Vorgänge ein ausschlaggebender Einfluß des Zellleibes auf die Verwandlung des Kerns und
seiner Chromosome sich durch Beobachtung an polyspermen Rieseneiern mit Sicherheit erweisen
lassen (zur S t r a s s e n 1898b p. 662). — Die Frage, um die es sich handelt, ist vielmehr
die, ob jene besondere plasmatische Beschaffenheit der zur Mitose schreitenden Ur-
somazelle ih r v o n G e b u r t an e i g e n t ü m l i c h , d. h. durch erbungleiche Plasmateilung
übertragen war, oder ob der diminutorische Zustand erst sekundär durch einen R e i z , d e r
v o n d em K e r n e a u s g e h t , hervorgerufen wird. Im letzteren Falle beruhte die Diminution
auf erbungleicher Kernteilung, selbst wenn die eigentliche Vollstreckung des Urteils a u s s
c h l i e ß l i c h 1 dem Protoplasmakörper überlassen bliebe.
N ehm e^w ir jetzt an, die Chromosome der Ursomazellen seien von denen der Keimbahn
in der T a t kongenital verschieden und zwar auf solche Art, daß die plasmatische Zellsubstanz,
je nachdem sie mit dieser oder jener Schleifensorte in Berührung kommt, dimi-
nutionsbestimmend wird oder nicht. Und beide Sorten habe der Zufall einer multiplen
Mitose in einer und derselben Zelle zusammengeführt, so daß der gleiche Zellleib dem
heterogenen Einflüsse beider Determinationen unterworfen wäre. Was geschieht ? — ' Da
gleichzeitig wirkende Reize in mannigfacher und unberechenbarer Weise sich aufheben,
durchkreuzen, zu neuer Qualität verbinden können, soi sind wir von der Möglichkeit einer
bestimmten Voraussage natürlich sehr weit entfernt. Nur eines ist fast g ew iß : d e r e in -
t r e t e n d e E f f e k t w i r d fü r d e n g a n z e n Z e l lb e r e i c h , s o w e i t d a s P la sm a k o n t
i n u i e r l i c h z u s a m m e n h ä n g t , i d e n t i s c h s e i n : auch bei den polyspermen Rieseneiern
verbreitet sich derjenige Zustand des Protoplasmakörpers, der auf das Schicksal der Kerngebilde,
wie vorhin erwähnt wurde, bestimmenden Einfluß n im m t, gleichmäßig in alle
Winkel des oft bizarr geformten Leibes. Und eine zweite Vermutung liegt nahe oder ist
mindestens durchaus erlaubt. Das Protoplasma unserer Zelle braucht unter der divergenten
Einwirkung der zweierlei Chromosome, die es e n th ä lt, nicht notwendig eine intermediäre,
oder auch gänzlich neue, jedenfalls abnorme Beschaffenheit anzunehmen; es kann vielmehr
auch geschehen, daß e i n e r v o n b e i d e n F a k t o r e n a ls u n b e s t r i t t e n e r S i e g e r aus
dem Kampfe hervorgeht und das Verhalten des Plasmakörpers ganz allein und unverfälscht
in seinem. Sinne determiniert. Eine solche Zelle aber wird sich mit ihrem g a n z e n B e s
t ä n d e an Chromosomen, trotz deren Verschiedenheit, entweder wie eine Keimbahn- oder
wie eine Ursomazelle verhalten müssen. B o v e r i s Beobachtung, daß man bei Zwillingen