Massenkorrelationen und Vorbedingungen fanden wir — was durch den Beg riff der reinen
Selbstdifferenzierung gar nicht erfordert wird — auf ihr Mindestmaß eingeschränkt.
2 .
A u ch in der F ra ge nach der L o k a l i s a t i o n d e r d e t e r m i n i e r e n d e n U r s
a c h e n im I n n e r e n d e s E i e s stellt sich Ascaris mit besonderer Entschiedenheit auf die
Seite einer neuerdings zur Anerkennung gelangenden Lehre. Die früher verbreitete und
wirklich naheliegende Vorstellung, daß der Kern, wie er offenbar bei der Vererbung der
Arteigenschaften die Hauptrolle spielt, so auch innerhalb der Ontogenesis die Differenzierung
selbständig leite, und daß dementsprechend das Eiprotoplasma ganz oder nahezu isotrop sei,
ist jetzt für eine Reihe von Formen experimentell widerlegt (R o u x , F i s c h e l , L i l l i e ,
E . JB. W i l s o n , Z e l e n y u. A.); bei vielen anderen Arten darf ein kausaler Einfluß des Plasmakörpers
auf die Differenzierung aus seinerdeskriptiv erkennbaren Komplikation wenigstens
erschlossen werden (D r i e s c h , C o n k l in u. A.). — Ascaris beweist durch ein anderes Indizium
die hochgradige Anisotropie ihres Eiprotoplasma und deren Bedeutung für den Differenzierungsprozeß
: die s c h w a n k e n d e H a l t u n g d e r K e r n e macht unter allen Umständen eine
plasmatische Organisation erforderlich, die an Mannigfaltigkeit der des genealogischen
Differenzierungsplanes mindestens entspricht. Und das ist mehr, als für irgend eine andere
Tierform bisher behauptet werden konnte.
Freilich erblicken wir in dieser bestimmt vorhandenen, durch erbungleiche Plasmateilung
auf die Furchungszellen übergehenden Eistruktur von Ascaris nicht ohne weiteres
— wie das für analoge Objekte von seiten der Autoren zumeist geschieht, — die e i n z i g e
Ursache der ontogenetischen Selbstdifferenzierung. Vielmehr fand die a priori noch zulässige
Hypothese, daß die plasmatische Organisation des Ascariseies nur in einem System
von Richtungspunkten für die planmäßig erbungleiche Verteilung einer im K e r n enthaltenen
determinierenden Mannigfaltigkeit bestehe, eine ga r wesentliche Stütze in der auffallend
späten Bildung der Plasmaorganisation und ihrer konfiguratorischen Abhängigkeit
vom reifen Furchungskerne.; — Ob unser Gedankengang sich auch auf andere T ie r formen
— wenigstens teilweise — übertragen lä ß t? Die Möglichkeit scheint mir nicht ausgeschlossen.
Denn unser Hauptargument: die bei Ascaris bis zum Eintritt der Befruchtung
verzögerte Organisationsbildung, steht keineswegs völlig isoliert! Nachdem schon früher
(C h u n ., D r i e s c h , B o v e r i , C o n k l in ) auf deskriptivem W e g e festgestellt worden war,
daß die s i c h t b a r anisotrope Substanzenverteilung mancher E ie r e r s t in d e r R e i f u n g s p
e r io d e zustande kommt, haben neuerdings E . B. W i l s o n (1903, 1904) und Y a t s u (1904)
für Nemertinen und Mollusken den ebenso späten Ursprung einer größtenteils unsichtbaren,
determinierenden Plasmaorganisation durch schöne Versuche nachgewiesen. R o u x
hat gezeigt, daß die typisch-bilaterale Dotteranordnung des Froscheies im Anschluß an die
Befruchtung entsteht. Also wirkt der reife Kern wohl auch in anderen Fällen, als bei
Ascaris, organisierend auf das Plasma ein (vgl. R a b l 1906). Bedarf er hierzu, wie ich vermuten
möchte, einer äquivalenten e i g e n e n Organisation, so steht der Annahme, daß er sich erb-
ungleich spalte und in irgend einem Grade an der Leitung des Differenzierungsprozesses beteilige,
nicht mehr viel im Wege.
Die Formbildung im Lichte der Stammesgeschichte.
Das E i von Ascaris mit seiner hochgradig komplizierten Plasmaorganisation gehört
zu denjenigen, bei denen von einer plasmatischen Differenzierung beinahe gar nichts sichtbar
ist; und das ist lehrreich. Denn wie die Geschichte der Entwickelungsphysiologie beweist,
will es gelernt sein, den Fehlschluß zu vermeiden, daß etwas einfach a u s s e h e n d e s
notwendig auch in W i r k l i c h k e i t einfach sei.
Dieses Schädliche Vorurteil hat sich von jeher besonders gegen d ie B l a s t o m e r e u n d
em b r y o n a l e n Z e l l e n gerichtet. Weil man nicht viel an ihnen sieht, weil sie oft rund sind
wie ein Tropfen und außer dem Kern zumeist nichts von innerer Organisation erkennen lassen,
ist die Abneigung einiger Autoren, mehr als hilflose Protoplasmaklümpchen in ihnen zu erblicken,
die durch äußere Einflüsse ¡gg| Druck, Zug, Oberflächenspannung etc,— zu ihrem formbildnerischen
Verhalten getrieben werden, unüberwindlich. Aus gleicher Quelle stammt aber
auch, wie mir scheint, die Mutlosigkeit — oder soll ich sagen der Mut ? — • womit andere
Forscher autonom-biologische oder gar zwecktätige Faktoren zu Hilfe rufen, sobald einmal am
Keim etwas passiert, was sie durch einfache, isotrope Zellfunktionen nicht erklären können.
Hier wirkt Ascaris, wie ich glaube und hoffe, besonders erzieherisch. Es steht vollkommen
fest, daß die Ascaris-Furchungszellen zu komplizierten aktiv - formbildnerischen
Leistungen ^ p vvor allem in cytotaktischer Hinsich^^9 berufen sind, und daß ihr Plasmaleib
zur Durchführung ihres Pensums ein ansehnliches Maß/ typisch gerichteter Differenzierung
enthält, von der das A u g e nicht das geringste 'sieht. Was aber für die Blastomere von
Ascaris sicher ist, muß bei den Zellen fremder Geschöpfe mindestens möglich sein. W i r
h a b e n a l l e m a l d a s R e c h t u n d u n t e r U m s t ä n d e n d i e ö k o n o m i s c h e P f l i c h t ,
an s c h e in b a r h o m o g e n e n F u r c h u n g s z e l l e n S t r u k t u r e n u n d L e i s t u n g e n v o r a
u s z u s e t z e n , d ie k o m p l i z i e r t s in d , w i e d ie v o n A s c a r i s . Und manches Rätsel
der tierischen Formbildung, das demjenigen, der die beteiligten Zellen hartnäckig für iso-
trope Gebilde ansieht, wie ein halbes Wunder erscheinen muß, dürfte von dieser Basis aus
ohne Zwang seine mechanistische Lösung finden. Z. B. wird der immer wiederkehrende und
unter abnormen Umständen zuweilen recht seltsam „regulatorisch“ aussehende Vo rgang der
Epithel- und Blastulabildung durch denjenigen Mechanismus, den wir den epithelbildenden
Zellen von Ascaris zugestanden haben; ein für allemal erklärt ( zu r S t r a s s e n 1903).
Freilich aber genügt der von Ascaris geschaffene Komplikationsrekord bei weitem
nicht für sämtliche Geschehensmöglichkeiten der cellulären Formbiidung. Besonders an
solchen Keimen, deren Entwickelung minder ausgeprägt als eine Mosaikarbeit von statten
geht, treten Ereignisse ein, denen gegenüber die für Ascaris erdachten Zellmechanismen
plump und machtlos sind. Ein in der Entwickelungsmechanik berühmt gewordenes Schulbeispiel
für Vorgänge dieser A r t ist die G e s c h i c h t e d e s l a r v a l e n E c h in id e n d a rm e s .
Das bei der Entstehung einfach sackförmige, aus lauter gleich aussehenden Zellen zusammengesetzte
Gebilde gliedert sich durch Einschnürung in drei nach Form und Umfang typisch verschiedene
Portionen. Geschähe das nur am normalen Keim, so läge darin nicht notwendig
etwas wunderbares: es wäre die Annahme zum mindesten erlaubt, daß die scheinbar gleich