Ascaris besäße wohl ga r keine „Furchung“ im gewöhnlichen Sinn und begänne die Entwickelung
sogleich mit der Sonderung und Ausgestaltung einzelner Organe. — Dem steht
jedoch erstens entgegen, daß von den in Betracht kommenden Zellfamilien der Ascarisentwickelung
wenigstens eine, die Keimbahn, sich deskriptiv genau so verhält, wie die
Objekte der Autoren: sie klüftet sich, pausiert auf bestimmter Stufe und fährt nach Eintritt
des allgemeinen Körperwachstums mit der Vermehrung fort. Und zweitens, daß auch bei
anderen Geschöpfen mit determinierter Entwickelungsweise gewisse Furchungszellen schon
endgültige Organzellen sind, z. B. nach W o l t e r e c k (1904) bei Polygordius.
Nach alledem stellt der Beendigungsprozeß der Mitosenreihen bei Ascaris deskriptiv
die gleiche Erscheinung dar, wie das von D r i e s c h , B o v e r i u .a . analysierte Phänomen, und
darf in physiologischer Hinsicht durchaus mit jenem verglichen werden. Dann aber ist von
einer Universalität des Zusammenhanges zwischen Zellengröße und Furchungsrhythmik bestimmt
keine Rede mehr.
Nun hat B o v e r i (1905 p.68) eine Ansicht ausgesprochen, durch welche die Ausnahmestellung
von Ascaris e rklär t. und dennoch die Allgemeingültigkeit der Lehre von der Kern-
Plasmarelation gewahrt werden könnte. E r meint, bei Ascaris, wo die Aufrechterhaltung
der typischen Zeilenzahl von größter Bedeutung sei, bestehe vielleicht irgend eine besondere,
mit der Kern-Plasmarelation rivalisierende u n d ih r a n S t ä r k e ü b e r l e g e n e Entwickelungstendenz,
die jene Zeilenzahl garantiert.?^- Das kann ich natürlich nicht widerlegen. Ich sehe
aber nicht ein, warum man bei Ascaris, wo doch die Wirksamkeit einer Kern-Plasmarelation
in keiner Weise erkennbar wird, ü b e rh au p t.d a s V o r h a n d e n s e in einer solchen annehmen
soll sei denn in dem Sinne, daß auch hier zur Einleitung und Durchführung der
Mitose ein gewisses Quantum den Kern umhüllender Plasmamasse unerläßlich ist; aber das
wäre doch trivial.
Mir scheint vielmehr, daß man den W ert der Kern-Plasmarelation überschätzt, indem
man eine f u n d a m e n t a l e u n d a l l g e g e n w ä r t i g e Beziehung darin erblicken will. Vielleicht
verhält sich die Sache ähnlich, wie mit jenen von O. H e r tw i g früher verteidigten Sätzen,
wonach die Richtung größter Plasmamasse über die Spindelstellung, einseitige Dotteranhäufung
über die Größe der Teilungsprodukte, ungleicher Dottergehalt der Zellen über
rhythmische Differenzen allein entscheiden sollten. Auch diese „Gesetze“ traten mit dem
Ansprüche auf, fundamental zu sein. Und doch sind jene Faktoren, wie R. S. B e r g h und
ich selbst (vgl. zur Strassen 1898 a p. 150) erörtert haben, weiter nichts als praktische Hilfsmittel
der Ontogenesis, Reize, die zur Herbeiführung eines typischen Entwickelungsgeschehens,
wo es angeht, Verwendung finden, während in anderen Fällen die gleichen Zustände von
der Formbildung durchaus nicht berücksichtigt werden oder gar nicht vorhanden sind.
So stellt wohl auch die Kern-Plasmarelation bei der Zellteilung der Protozoen, der
Echiniden, bei Spirogyra, vielleicht bei den meisten Organismen ein ökonomisches und
zweckmäßiges Reizmittel dar, um die Einhaltung der für die betreffende Kategorie ge wünschten
Größe zu gewährleisten. Ich könnte auch glauben, daß in noch anderen Fällen,
die a b s o l u t e Zellengröße, wie Driesch früher annahm, als regulierender Faktor herangezogen
wird. Aber es gibt eben auch Formen, die ihre typische Rhythmik mit ganz
anderen Mitteln zuwege bringen; bei denen die Zellengrößö weder als absolutes Maß noch
in ihrem Verhältnis zur Kernmasse eine Rolle spielt. Zu diesen gehört Ascaris.
m. Abschluss des Kapitels
W ir fassen nunmehr in neuer Gruppierung alles zusammen, was sich über die Kausalität
der Diminution und des typischen Rhythmus ermitteln läßt.
Wenn eine Ascariszelle sich in Diminution begibt, oder die Reifungsgeschwindigkeit
ihres Kernes in typischer Weise reguliert, oder nach vollzogener Rekonstitution des Kernes
in einen vorübergehenden oder dauernden Zustand mitotischer Untätigkeit verfällt, so ist an
diesen Geschehnissen d ie U m g e b u n g der betreffenden Zelle in keiner Form kausal beteiligt:
weder durch mechanische Wirkung, noch durch einen von der Konfiguration g e lieferten
formativen Reiz, noch auch als eine Vorbedingung. D i e Z e l l e e n t h ä l t v i e l m
e h r d ie U r s a c h e n ihres?, t y p i s c h e n V e r h a l t e n s v om M om e n t i h r e r G e b u r t
a n k o m p l e t in s i c h s e lb s t . Sie würde im Zustande völliger Isolation nicht anders verfahren.
Und da die hierher gehörigen Differenzierungen, mit Ausnahme der typischen Beendigung
von Mitösenreihen, allemal a n S c h w e s t e r z e l l e n zutage treten, so daß die
Mitose zwei von Geburt an verschiedenen Schwestern den Ursprung gibt, so i s t fü r e in e
A n z a h l v o n F ä l l e n d a s V o r h a n d e n s e in e r b u n g l e i c h e r Z e l l t e i l u n g nachgewiesen.
Nun aber verlangte aus ökonomischen Gründen der Umstand Berücksichtigung, daß
man auf den in Betracht kommenden Entwickelungsstufen ein kongenitales Verschiedenwerden
der Zellen in mehrfacher Hinsicht b e r e i t^ k e n n t . Manche Schwesterzellenpaare
zeigen von ihrer Geburt an typische Verschiedenheit in Dottergehalt oder Größe, und mit
dem Klüftungsprozesse verbindet sich eine successive Verkleinerung sämtlicher Elemente.
E s war zu prüfen, ob etwa eine dieser gegebenen Veränderungsformen ganz oder zum Teil
für Rhythmus und Diminution mit verantwortlich sei. Die Analyse ergab völlige Unabhängigkeit
der beiderseitigen Erscheinungen. Ungleiche Größe und ungleicher Dottergehalt
von Schwesterzellen bewirken weder die Diminution noch regulieren sie die Reifungsgeschwindigkeit
der betreffenden Kerne. Und mit der stetig abnehmenden Zellengröße hat
die geordnete Beendigung der Mitosenfolge nichts zu tun.
D em n a c h i s t d ie O n t o g e n e s e v o n A s c a r i s m i t e ig e n e n K o m p l ik a t io n e n
f ü r d ie D u r c h f ü h r u n g d e r D im in u t io n u n d d e s R h y t h m u s a u s g e r ü s t e t , —
aber von welcher A r t? Da die Beteiligung der Kerne an allen diesen Vorgängen deskriptiv
so sehr in den Vordergrund tritt, so liegt wohl die Vermutung nahe, daß es d ie K e r n e
s in d , die die Ursachen der diminutorischen und rhythmischen Divergenz allein enthalten,
und denen ihre besondere Beschaffenheit durch eine komplizierte F o l g e - e r b u n g l e i c h e r
K e r n t e i l u n g e n -übertragen wird: Je nach ihrer angeborenen A r t träten die Kerne in
Diminution, reiften schnell oder langsam, blieben auf bestimmter genealogischer Stufe stehen.
— Es darf aber nicht vergessen werden, daß diese Annahme keineswegs bewiesen ist, und
daß die rhythmischen und diminutorischen Geschehnisse ebensogut auch auf irgend einer —
z. B, chemischen Verschiedenheit des Z e l lk ö r p e r s der einzelnen, zu ungleichem V e r halten
bestimmten Blastomere beruhen könnten.
W ie dem auch sei — in jedem Falle erlaubt unser teratologisches Material noch eine
wichtige Fo lgerung: sie betrifft die H e r k u n f t derjenigen im Kern oder Plasma g e legenen
— Differenzierung, die das besondere Schicksal der einzelnen Zelle bestimmt. Es
Zoologien. Heft 40. 9