Nun aber die zweite und wichtigere F ra g e : wie waren die Spindeln von b und ß
in n e r h a lb der Paratangentialebene orientiert? — Man sah auf den ersten Blick, daß die
„spezielle“ Spindelrichtung von ß der typischen Vorschrift insofern zum mindesten nahe
kam, als sie schräg nach vorn und oben zeigte. Der Winkel, den die Spindel mit der
vorderen Kontaktfläche bildete, war ähnlich steil, wie in der normalen Entwickelung. Und
bei gewisser Perspektive, wenn nämlich der Embryo derartig von der Seite angesehen
wurde, daß sowohl die Kontaktfläche ß\a, als auch die von den vier Ektodermzellen g e bildete
Ebene in linearer Verkürzung erschienen (Fig. U U 2), w u r d e d e r W i n k e l d em
cc uu.
Der auf Taf. III dargestellte .T-Riese im Stadium VIII. 1. schräg von hinten und pben,
2. von rechts gesehen. Schemata.
t y p i s c h e n g l e i c h . Hieraus ergibt sich, daß die durch die Veränderung der organischen
Achse bedingte Ablenkung der Spindel l ä n g s e i n e r s c h i e f e n E b e n e stattgefunden
hatte, d ie b e i d e r a n g e g e b e n e n A u f s t e l lu n g s w e i s e d e s R i e s e n k e im e s e b e n f
a l l s g e n a u a u f d e n B e s c h a u e r zu g e r i c h t e t w a r . Versuchen wir, diese „Drehungsebene“
der Spindel, die für die physiologische Beurteilung offenbar von g rößter Wichtigkeit
ist, genauer zu bestimmen. Mit der gewaltsamen Rückdrängung aller Ektodermzellen in
eine einzige Ebene zeigt sich an unserem Riesen ein Experiment wenigstens zum T e il =7^
verwirklicht, das wir früher einmal, um die normale Spindelstellung von a und a besser begreifen
zu können, in Gedanken unternommen hatten: die ursprüngliche „Horizontalebene“ ,
in der alle vier Ektodermzellen bei der Geburt gelegen sind, war wiederhergestellt, die
Kontaktflächen ß\ct und b | a lagen — wenn auch gegeneinander verschoben — wiederum
transversal, und wenn man jetzt in der Richtung aller dieser Flächen blickte, so sah man
natürlich senkrecht auf die ektodermale Medianebene. D a nun gleichzeitig mit der Kontaktfläche
auch die „Drehungsebene“ der Spindel von ß in Linearverkürzung erscheint, so muß
auch diese Fläche senkrecht zur Mediane stehen. Dann aber ist klar, d a ß u n s e r e
D r e h u n g s e b e n e d ie p r im ä r e A c h s e d e r Z e l l e ß e n th ä l t . Und jetzt erkennen wir
deutlich, was geschehen ist. Sowohl in der typischen Ontogenesis, als bei dem T-Riesen
liegt die Spindel von ß in einer Ebene, die auch die Primärachse aufnimmt und die einen
bestimmten schiefen Winkel mit der primären Transversalebene bildet. In Bezug auf diese
Ebene ist die Spindelstellung von ß bei unserem Riesen typisch gewesen.
Untersuchen wir nunmehr die Teilung der in Form und La ge weit intensiver veränderten
Zelle b, so finden wir trotz der entstandenen großen Differenz der Paratangentialebenen
doch ohne Mühe die gleiche Gesetzmäßigkeit. In der Richtung der Primärachse angesehen
(F ig .U U 2), erscheint die Spindel von b sehr stark verkürzt; a b e r ih r e R i c h t u n g
g e g e n d ie t r a n s v e r s a l g e s t e l l t e v o r d e r e K o n t a k t f l ä c h e i s t g e n a u d ie t y p i s c h e .
Auch hier hat also die Spindel sich über einer Ebene „gedreht“ , in der die primäre Achse
gelegen ist, und die unter einem typischen Winkel die Transversalebene durchschneidet.
Zweierlei ist hiermit festgestellt. Erstens als Hauptergebnis, die abermalige Stichhaltigkeit
unserer Hypothese der inneren Reizbeziehungen: a u c h d i e s c h i e f e n M i t o s e n
v o n b u n d ß b e h a l t e n b e i T -R i e s e n d a s t y p i s c h e V e r h ä l t n i s zu e in e r in n e r e n
R i c h t u n g b e i . Und zweitens haben wir über die spezielle A r t des Reizmechanismus, den
wir den beiden Zellen vom Standpunkte der Hypothese aus mindestens zugestehen müssen,
einen Aufschluß erreicht. Überlassen wir wiederum die Verantwortung für e in e Ebene von
Möglichkeiten dem wohlfeilen Prinzipe der paratangentialen Teilungsweise, so braucht im
P l a sm a v o n b u n d ß n u r n o c h d ie b e t r e f f e n d e s c h i e f e „ D r e h u n g s e b e n e “ a u f
i r g e n d e in e A r t s t r u k t u r e l l h e r v o r g e h o b e n zu sein: wenn dann die Spindeln ge zwungen
wären, einerseits in der fixierten Drehungsebene, andrerseits quer zur jeweiligen
organischen Achse ihrer Zelle Stellung zu nehmen, so wäre ihr Verhalten am normalen
Embryo wie an unserem T-Riesen zureichend erklärt.
2.
Nun aber harrt noch eine wichtige Fra ge der Erledigung: w o h e r k o m m e n die
beiden schiefen Ebenen? W ir haben jetzt Übung genug, um rasch zu überblicken, daß die
schiefe Differenzierungsebene von b und ß keinesfalls durch die Begleitvorgänge irgendwelcher
früheren Mitosen erzeugt worden sein kann, denn in der genealogischen Vor-
geschichte unserer Zellen finden sich transversale, longitudinale, vertikale, aber niemals
schiefe Spindelstellungen. Eben so sicher hat auch die „Aufrichtung“ der organischen
Achsen von b und ß nichts mit der Entstehung der fraglichen Struktur zu tu n : sonst hätten
ja bei unserem T-Riesen, wo in beiden Zellen die Bewegungsart und endgültige Lagerung
der Sphären eine durchaus abnorme war, atypisch gestellte „Drehungsebenen“ resultieren
müssen. Ferner sind nach früheren Darlegungen sowohl innere, vom Kern ausgehende, als
auch aus der äußeren Zellumgebung stammende Richtungsursachen nicht acceptabel. Insbesondere
wird der auf Grund des rein normalen Verhaltens vielleicht naheliegende Gedanke,
es könnte zwischen den Zellen b und ß irgend ein unentbehrlicher g e g e n s e i t i g e r
Einfluß wirksam sein, der die auffällige Parallelstellung der linken und rechten Drehungsebene
und so auch der beiderseitigen Spindeln (F ig .E E , p. 106) zu Stande brächte, durch unseren
T-Riesen völlig widerlegt. Denn hier lagen Spindeln wie Drehungsebenen von b und ß in
hohem Grade schief zueinander, was doch nicht hinderte, daß jede für sich — in dem jetzt
erkannten Sinne — typisch war. Übrigens kommen wir in einem späteren Kapitel auf den
normalen Parallelismus der beiden Spindeln zurück; wobei die seltsame Erscheinung, die
hier eine so nebensächliche Rolle spielte, ihren eigentlichen Sinn offenbaren und uns zu
wertvollen Aufschlüssen verhelfen wird.