typischen Rhythmus der Ascarisentwickelung nennen, ist demnach eigentlich eine Abstraktion,
eine Norm, deren genaue Werte nur durch die Vergleichung zahlreicher Ontogenesen ermittelt
werden konnten. A ber das setzt natürlich ihren W ert als formbildende Geschehensart
nicht herab: die rhythmische Norm ist typisch und muß durch typische Faktoren verursacht
sein.
Unter solchen Umständen bieten auch die i n d i v i d u e l l e n Schwankungen des
Rhythmus im Rahmen unserer Untersuchung kein Interesse dar. W ir sehen von ihnen ab
und erblicken nunmehr das zu lösende Problem ausschließlich in der Erscheinung, daß
j e d e F u r c h u n g s - u n d E m b r y o n a l z e l l e v o n A s c a r i s e in e b e s t im m t e , fü r s ie
t y p i s c h e Z e i t n a c h i h r e r G e b u r t z u r T e i l u n g s c h r e i t e t , — o d e r a b e r in
d a u e r n d e r R u h e v e r h a r r t .
3.
E s ist für die Beurteilung dieser Dinge vor allem wichtig, daß wir uns über die
deskriptive Natur der a u ß e r m i t o t i s c h e n Z u s t ä n d e ^ sei es von Zellen, die noch zu
weiteren Teilungen berufen sind, oder von persistierenden „Dauerzellen“ | i| die rechte V o r stellung
machen. Man könnte wohl a priori denken, der außermitotische Zustand sei, in
b e id e n Fällen wirklich das, als was man ihn zu bezeichnen p flegt: e in e Z e i t d e r R u h e ,
in welcher der Teilungsapparat der Zelle sich g a r nicht ändert, — aus der er ohne einen
Anstoß von der Umgebung her natürlich auch nicht erwachen würde. Daraus ergäbe sich
die offenbare Notwendigkeit, den E i n t r i t t einer Mitose allemal auf einen solchen Anstoß
zurückzuführen; d. h. von der Gegenwart äußerer Anlässe und ihrer geordneten Aufeinanderfo
lge würde sowohl die periodische Klüftung an sich, als auch deren typisch differenzierter
Rhythmus abhängig sein.
Nun spricht viel dafür und nichts dagegen, daß die mitotischen Apparate der „Dauerzellen“
, die für ein ganzes langes Ascarisleben programmgemäß nichts mehr zu leisten
haben, in der T a t in einen Zustand vollkommener Ruhe übergetreten sind, und daß sie
jedenfalls v o n s e lb e r keine neue mitotische Tä tigk eit beginnen würden.
Ganz anders aber stellt sich die „Ruhezeit“ derjenigen Furchungszellen dar, denen
über kurz oder lang eine Teilung bevorsteht. B e i A s c a r i s g e r a t e n d ie K e r n e s o l c h e r
Z e l l e n , wie man besonders an den somatischen mit aller Sicherheit erkennen kann, ü b e r h
a u p t n ie in e in e n Z u s t a n d w i r k l i c h e r R u h e . Denn auf die Ereignisse, denen der
junge bläschenförmige Kern seine Entstehung verdankt, folgen ohne jede Pause weitere V e r änderungen
seiner Struktur und Grö ß e ; und hat er im Laufe der Zeit eine gewisse, typisch
vorgeschriebene Endbeschaffenheit erreicht, so stellen sich unaufhaltsam, als letzte Phase
des ganzen Verwandlungsprozesses, die Vorbereitungen der neuen Mitose ein. Demnach
muß der zwischen zwei Teilungen liegende Zeitraum als eine kontinuierliche R e i f e z e i t
des Kernes betrachtet werden. Die T e i l u n g t r i t t e in , s o b a ld d e r K e r n s e in e R e i f e
v o l l e n d e t h a t , n i c h t f r ü h e r , ' a b e r , a u c h n i c h t e in e n A u g e n b l i c k s p ä t e r . Der
ganze, über Generationen ausgedehnte Klüftungsvorgang aber stellt eine zusammenhängende,
in sich fortlaufende Erscheinung dar.
Hierdurch verändert sich das Bild des rhythmischen Problems in höchst bedeutungsvoller
Weise, Zunächst ist klar, daß es besonderer, den Teilungsapparat der Zelle von außen
treffender Einflüsse, die bei wirklicher „Ruhe“ von Fall zu Fall den E i n t r i t t einer Mitose
bedingen müßten, nun nicht mehr bedarf. Sodann fällt auf die Fra ge nach der rhythmischen
D i f f e r e n z i e r u n g ein anderes Licht. Das Ausschlaggebende für die Rhythmik aufeinander
folgender Mitosen ist, wie wir jetzt wissen, die D a u e r der einzelnen Reifezeiten:
wäre diese Dauer bei sämtlichen Kernen des Ascariskeimes gleich, so müßte auch der
Klüftungsrhythmus ein durchweg homogener sein; und umgekehrt beruht die typische D ifferenzierung
des Rhythmus auf typischer Ungleichheit der Reifezeiten. E s gilt also F a k t
o r e n a u f z u f in d e n , d u r c h w e l c h e im A s c a r i s k e im d ie R e i f e d a u e r b e s t im m t e r
Z e i l e n o d e r ih r e r T e i l u n g s a p p a r a t e ty p l& c h a b g e ä n d e r t , z .B . v e r z ö g e r t w i rd .
Und endlich wird diejenige Geschehensart, die nach der früheren Vorstellung den Zustand
ungestörter Ruhe, des Gleichgewichts zu repräsentieren schien und einer besonderen E r klärung
überhaupt nicht bedurfte: das zeitweilige oder definitive A u f h ö r e n der Klüftung
in gewissen Zellfamilien, jetzt ebenfalls zum Problem. Hier müssen Ursachen wirksam sein,
die eine Reifeperiode sehr stark zu verzögern, oder gar den Klüftungsprozeß, der andernfalls
von selber weiterlaufen würde, auf einer bestimmten Generationsstufe völlig zu unterbinden
im Stande sind.
4. '
Nachdem wir in solcher Weise den Hergang der rhythmischen Differenzierung von
Ascaris gekennzeichnet haben, bemerken wir, daß unser Problem dadurch wenigstens zu
einem Teile auf hört, ein Problem für sich zu sein. Offenbar hat es nur dann physiologischen
Wert, die Schnelligkeit zweier ablaufenden Entwickelungsvorgänge miteinander zu vergleichen,
wenn diese Vorgänge auch wirklich kommensurabel, d. h. in ihrem Ausgangspunkte,
ihrer Bahn und vor allem in ihrem Ziele übereinstimmend sind. D aß Kerne v o n g a n z
v e r s c h i e d e n e r G r ö ß e o d e r B e s c h a f f e n h e i t auch u n g l e i c h l a n g e Z e i t zu ih r e r
R e i f u n g brauchen werden, ist selbstverständlich; — das G e g e n t e i l wäre ja sonderbar
und forderte eine Erklärung heraus. Wo also in der Entwickelung von Ascaris die
rhythmische Divergenz zweier Zellfamilien mit einer s i c h t b a r e n , a n a t o m i s c h e n V e r s
c h i e d e n h e i t d e r K e r n e verbunden ist, da haben wir wenigstens in diesem Kapitel —
nichts mehr zu untersuchen: das rhythmische Problem wäre für jeden solchen Fall auf das
der morphologischen Kerndifferenzierung zurückgeführt.
Nun gibt es im Ascariskeim drei g ro ß e Kategorien von Zellen, deren Kerne in ihrem
endgültigen Bau oder in ihrer Entwickelungsweise sichtbar verschieden sind: Keimbahn-,
Diminutions- und Somazellen. Diese Zellarten teilen sich alle mit typisch ungleicher Geschwindigkeit.
Indem wir aber in ihrer rhythmischen Divergenz die unmittelbare und unvermeidliche
F o lg e derselben Ursachen erblicken, auf denen der Diminutionsprozeß beruht,
scheiden wir sie, als schon im vorigen Abschnitt erledigt, von unserer gegenwärtigen Untersuchung
aus.
Allein es fehlt in der Entwickelung von Ascaris durchaus nicht an Fällen, wo Blasto-
mere mit ä u ß e r l i c h g l e i c h e n Kernen rhythmischer Differenzierung unterworfen sind.
Die Keimbahn selber enthält ein solches Problem: wie geht es zu, daß die zwei Zellen der
Urgenitalanlage, deren Kerne genau ebenso aussehen, wie alle früheren Keimbahnkerne,