Unser Riese war vor allen Dingen, wie schon oben erwähnt, f a s t s i c h e r d is p e rm .
Nach jener wunderlichen Kernwanderung — über deren Bedeutung ich nicht einmal eine V e r mutung
zu äussern w a ge — hatte sich alles, wa s der Riese an Kernen enthielt, nach zwei
weit voneinander entfernten Stellen zusammengezogen. D a rau f sahen wir jede von diesen Kerngruppen
oder Kernen für sich die ersten Vorbereitungen zur Teilung treffen. Am anderen
Morgen war oben wie unten an genau derselben Stelle, wo die in Umwandlung begriffenen
Kerne zuletzt gelegen hatten, die Durchschnürung erfolgt. W ie könnte das anders gedeutet
werden, als sö, dass zwei Spindeln und dementsprechend zwei Centrosomenpaare vorhanden
waren ?
Nun aber besass unser Riesen-Zellkomplex noch eine d r i t t e Scheidewand, die sich —
genau in der Mitte der vorhandenen Plasmamasse — gerade dort gebildet hatte, wo am Abend
vorher fast der gesamte Dotter zu einer dunken Zone zwischen den beiden Kernflecken versammelt
gewesen war. Es bleibt nichts übrig, als anzunehmen, dass diese mittlere Durchschnürung
o h n e B e t e i l i g u n g v o n C h r om o s om e n vor sich gegangen ist. Und gerade
hierin liegt ein Moment, das für die Zwillingsnatur unseres Riesen besonders in die Wa gschale
fällt. Denn im Laufe neuerer Studien ist mir zur Gewissheit geworden, wa s schon B o v e r i
(’99, p. 427) vermutet hat, dass nämlich in Fällen von Zwillingsentwickelung s t e t s nur zwei
vollständige, Chromosomen führende Spindeln vorhanden sind: zwischen beiden Bezirken vollzieht
sich — gleichzeitig mit den Mitosen oder ein wenig früher — die Aufteilung des Gesamtplasma
in die Zwillingsindividuen als ein rein plasmatischer-Vorgang.
Und jetzt erkennen wir, dass auch alles weitere sich mit der grössten Genauigkeit im
Rahmen dessen hielt, wa s nach meiner früheren Darstellung für eine Zwillingsentwickelung
typisch ist. A ls Produkt der kombinierten Teilung entstand eine viergliedrige Zellenreihe von
einer gewissermassen s ym m e t r is c h e n Beschaffenheit: die zwei inneren und die zwei äusseren
Zellen waren unter sich gleich, beide Pa a re aber an Grösse und Dottergehalt deutlich verschieden.
Eine solche genaue Symmetrie würde für abnorme Riesengebilde ganz unverständlich
sein. Wenn wir uns aber erinnern, dass ein typisches Stadium II aus einer grösseren hellen
und einer kleineren dotterreichen Zelle besteht, und dass die Individuen eines Ascariszwillings-
stets symmetrisch orientiert, d. h. entweder mit den Köpfen oder den Schwänzen zusammengewachsen
sind (zu r S t r a s s e n ’98b), — so deckt sich offenbar die Besonderheit unseres Dreifachriesen
aufs Haar mit dem Signalement einer echten Zwillingsbildung.
Ja, wir finden nunmehr die eigentümliche Thatsache, dass kurz vor dem Eintritt der
Doppelmitose fast aller Dotter in die Mitte des gammaförmigen Plasmaleibes gewandert war,
ganz begreiflich. Auch im normalen Einzelei markiert sich dicht vor der ersten Teilung, wie
Z o j a zuerst hervorgehoben hat, die untere Hälfte durch grösseren Dottergehalt. Und wenn
bei unserem Riesen aus dem Zusammentreffen zweier dunklen Pole eine gemeinsame mittlere
Dotter zo n e entstand, so beweist das eben nur, dass schon zu dieser frühen Zeit die morphologische
Sonderung vollendet und über die A r t der Zwillingsverwachsung entschieden war.
Nach alledem wird, so meine ich, wohl auch der Zweifelsüchtigste für erwiesen halten,
dass unser dreifaches Riesenei einen Z w i l l in g geliefert hat, d e s s e n I n d iv id u e n ty p i s c h
zw e i z e i l ig , u n d z w a r m it ih r e n „u n t e r e n “ Z e l l e n im r e c h t e n W in k e l , w ie d i e B a lk e n
e in e s G am m a a n e in a n d e r g e w a c h s e n sind.
Und nun kann ich zur Schilderung der merkwürdigen Schicksale übergehen, die diesem
Dreifachzwilling au f grund des eigentümlichen Verhältnisses zwischen ihm selbst und seiner
Schale beschieden waren.
3.
Am Morgen des fünften Beobachtungstages stand mein Riese dicht vor einer neuen
Klüftungsperiode (Fig. 51). A lle Zellen hatten sich abgerundet, mitotische Figuren traten auf,
und bei dem senkrechten Embryo, der etwas vorausgeeilt war, offenbarte schon die Orientierung
der Kernspindeln die Richtigkeit unserer Zwillingsdiagnose: Ganz genau, als wenn diese beiden
Furchungskugeln ein au f dem Kopfe stehendes typisches Zweizellenstadium wären, stellte sich
die Spindel der k l e in e r e n , o b e r e n Z e l l e d e r L ä n g s a x e p a r a l l e l — nur durch die Gegenwart
des anderen Individuums ein wenig zur Seite abgelenkt — , in der u n te r e n , e k t o d e r m
a le n Z e l l e a b e r l a g e in e q u e r e T e i lu n g s s p in d e l .
Und nun spielte sich vor meinen Augen, erst langsam, dann mit immer steigender G e schwindigkeit
eine dramatische Szene ab (Fig. 51—54).
Seit die Abrundung der Blastomere begonnen hatte, war die Verbindung der ober- und
unterhalb des Kanales liegenden Zellen, die während der Ruhe das ganze Lumen in Anspruch
nahm, aufs neue zu einer schmalen, hellen Brücke geworden. Nun schritten beiderseits die
Mitosen vor. Wie die untere Zelle in querer Richtung sich auszudehnen begann, drängte sie
natürlich mit steigender Energie von dem Engpasse hinweg nach abwärts zu, wo ihr mehr
Raum zur Verfügung stand. Hierbei wurde der Plasmastrang, der sie mit ihrer Schwester
verband, stark gedehnt, und ich dachte er würde reissen. A b e r noch hielt er. Ich hätte nie
geglaubt, dass das Plasma eine Zähigkeit, wie sie hier sich offenbarte, besitzen könne.
Bestrebt sich abzurunden und doch in die scharfen Krümmungen der Schale hineingepresst
, nahm jetz t die obere Zelle die Form einer Birne an, deren distale Hälfte sich
endlich knopfförmig abzuschnüren begann. Die untere Furchungskugel aber mit dem Stiele,
an dem sie hing, und ihrer queren Spindel sah beinahe aus wie ein Vorticelle, die sich teilen
will. Ganz gegen die Reg e l erschien die auftretende Scheidewand bei dieser Zelle zuerst
nur am unteren Rande. D arauf schnitt die Furche nach oben hin durch, und ich war gespannt,
wo sie enden würde: sie blieb lin k s von dem hellen Verbindungsstrange, so dass dieser fortan
am Rande der rechten Tochterzelle angeheftet war.
Die Spannung der nach Ausdehnung strebenden und doch fast keilförmig zusammengepressten
jungen Zellen hatte jetzt, mit vollendeter Teilung, einen Grad erreicht, der die Zähigkeit
des Plasmastranges au f die härteste Probe stellte. Allen Widerstand überwindend schob
sich das Blastomerenpaar in die Tiefe, und der Strang wurde in seiner Mitte fadendünn. —
A ls endlich d ie F e s s e l z e r r i s s , die Spannung mit einem Schlage behoben war, veränderte
sich blitzschnell das Gesamtbild. Ehe ich nur mit den A ugen folgen konnte, waren die
dünnsten Enden des gerissenen Stranges eingeschnurrt wie Gummifäden; die obere Zelle, von
der zuletzt ein langer Kegel in den Kanal herabgezogen worden war, wich elastisch zurück;
das junge Blastomerenpaar aber glitt, indem es gleichzeitig eine rasche Drehung vollführte,
befreit in das weite Lumen des unteren Schalenraumes hinein. — Nach zwei Sekunden war
alles vorüber. Die beiden nun isolierten Schwestern hatten sich im reichlichen Raume gedehnt
und abgerundet. Und nur ein winziges, helles Stiftchen, das die eine von ihnen noch stunden