verzichtet wird. Die typische. Einstellung der Spindeln, die zur Inäqualität der Mitose
führende einseitige Kerndislokation, die Wanderung der Dotterkörnchen, die anisometrische
Gestaltveränderung nach vorgeschriebener Seite hin, — alles das vollbringt die Zelle aus
inneren Gründen; umringt von einer Fülle sich darbietender Orientierungsmittel schafft sie
blindlings nur für sich. Und wenn trotzdem am normalen Keime, jede dabei befolgte Richtung
so zuverlässig ein vorgeschriebenes Verhältnis zu der geordneten Umgebung trifft, so
liegt dies lediglich an der Genauigkeit, mit der die Zelle samt ihrem inneren Gerichtetsein
in der bestimmten Konfiguration des Ganzen ihre Stelle findet. Nur für eine Gruppe von
formbildenden Geschehnissen hat sich die Annahme äußerer |§ä- vermutlich chemotaktischer •—
Richtungsreize bewährt: die Vorgänge der Z e l l e n o r d n u n g . Homogene Attraktion von
Zelle zu Zelle bewirkt die Komplexbildung, d. h. allseitige Zusammenfügung der Elemente
nach dem Plateauschen Prinzip. Anomögen-chemotaktische Mechanismen ermöglichen die
Entstehung des einschichtigen Epithels im Umkreis der Furchungshöhle und, als höchste
Leistung, die mannigfachen Einzelverschiebungen innerhalb der massiven wie epithelialen
Keimbezirke.
2
Um unser Endurteil über die Ascarisontogenese vorzubereiten, bedarf es ferner der
Feststellung, ob für alle oder einige Formbildungsgeschehnisse der Zustand der Umgebung
— soweit derselbe nicht schon als wirkliche Ursache an der Kausalität des betreffenden V o r ganges
beteiligt ist — die Rolle einer V o r b e d in g u n g spielt.
Die Geschichte der T-Riesen widerspricht dieser Möglichkeit für die weitaus größte
Mehrzahl der Einzelfälle. Rhythmische, diminutorische Vorgänge, Richtung und Modus der
Teilungen, Dotterverschiebung und Spezialgestaltung sind weder von der normalen Gesamtkonfiguration
noch auch vom Zustande ihrer spezielleren Nachbarschaft irgendwie abhängig.
E s ist kaum zu bezweifeln, daß eine völlig isolierte Zelle alle genannten Aufgaben tadellos
vollbringen, daß sie sich pünktlich und genau nach Vorschrift teilen, sich kugelig abrunden
oder anisometrisch deformieren würde. Nur bei Vorgängen der aktiven Einzelordnung findet
sich eine gewisse Abhängigkeit vom Zustande der Umgebung. W ie man voraussehen konnte,
sind cytotaktische Mechanismen mehr oder minder auf eine bestimmte Massenkorrelation,
die Druck- und Widerstands Verhältnisse der normalen Umgebung eingerichtet, und leiden in
ihrem typischen Effek t oder versagen ganz, wenn jene fehlen. Aber selbst hier erwies sich
der Einfluß der Vorbedingungen als lange nicht so g ro ß , wie man aus ökonomischen
Gründen hätte erwarten können.
Zu dieser auf die Analyse|||ugendlicher T-Riesen begründeten ziemlich negativen
Wertschätzung der Vorbedingungen im Ascariskeim steht nun folgende Tatsache, die eine
prinzipielle Abhängigkeit der Entwickelung von der normalen Gesamtkonfiguration zu beweisen
scheint, in ebenso schroffem als unvermutetem Widerspruch. K e i n e r v o n d e n
T -R i e s e n , d i e i c h d e r f r e i e n F o r t e n tw i c k e lu n g ü b e r l i e ß o d e r in P r ä p a r a t e n
ä l t e r e r E m b r y o n e n e n t d e c k t e , i s t in l e i d l i c h e r V e r f a s s u n g zu h ö h e r e m
A l t e r o d e r g a r b i s an d a s Z i e l d e r l a r v a l e n .E n t w i c k e l u n g g e l a n g t . A usnahmelos
begann in den mittleren Stadien unter Stillstand der mitotischen Tätigkeit D e generation,
die sich in Veränderungen der Plasmabeschaffenheit und Zellform äußerte
und schrittweise den Embryo völligem Zerfall entgegenführte. — Zwar kommt man nach
kurzem Besinnen auf den Einfall, daß diese' schlimme Prognose nicht sowohl durch die im
Stadium IV gesetzte Störung der Konfiguration, als vielmehr durch angeborene Krankhaftigkeit
der betreffenden Keime verschuldet sei. Riesenbildungen sind ja doch allemal pathologisch.
A ber diese Ausrede hält nicht stand. Denn in dem gleichen Materiale, dessen
T-Riesen dem sicheren Tode , geweiht waren, fanden sich zahlreiche echte Riesenkeime mit
ungestörter Entwickelung.: diese erreichten samt und sonders und gleichzeitig mit den normalen
Eiern das typische Ziel. Es muß also in der T a t die Abnormität der Gesamtform
auf irgend eine Weise für den Fortgang der Entwickelung über die Mittelstufe hinaus verderblich
sein. Und ich zweifle nicht, daß auch ein völlig gesundes Einzelei, das man im
Stadium IV durch künstliche Behinderung seines T-Stammes in die abnorme Bahn der
T-Riesenentwickelung zu drängen vermöchte, zur üblichen Zeit an dieser Störung seiner
Konfiguration zu Grunde gehen würde.
Nun wäre offenbar der Schluß, daß die Unabhängigkeit von der Konfiguration als
einer Vorbedingung, die für die jungen Stadien der Ontogenesis erwiesen ist, auf einer
mittleren Altersstufe sich in ihr Gegenteil verkehre, — daß die so lange Zeit gesund ge bliebenen
T-Riesenzellen plötzlich durch die abnorme Gesamtform geschädigt, ja getötet
würden, äußerst unwahrscheinlich. Auch belehrt uns die sehr geringe Pünktlichkeit des
Sterbetermins, der immerhin um ein paar Zellgenerationen schwanken kann, sogleich eines
besseren. Ohne Zweifel liegt vielmehr die Sache so, daß aus der veränderten Konfiguration
s c h o n v om V i e r z e l l e n s t a d iu m a b eine Schädigung des Keimes erwächst, die zwar
auf frühen Stufen gering und für den typischen Ablauf der Entwickelung nicht hinderlich
ist, mit der Zeit aber an Intensität gewinnt und schließlich den halbentwickelten Embryo —
bald etwas früher, bald später — vernichtet.
Worin aber das schleichende Unglück eigentlich besteht, ist schwer zu sagen. Der
Gedanke, daß das abnorme Verhältnis zwischen Masse und freier Oberfläche, das für viele
Zellen gestörter Keime aus der abnormen Anordnung resultieren muß, ihren Stoffwechsel
schädigen könnte, wäre nicht ungereimt. Nur scheitert er an der Tatsache, daß echte
Riesen zu völlig typischer Entwickelung fähig sind, obwohl doch an jeder ihrer Zellen ein
anderes Verhältnis von Fläche zu Masse besteht, als das normale. — Vielleicht liegt die
Wurzel des Übels in der ¡Empfindlichkeit jener chemotaktischen Wechselwirkungen, auf
denen die spezialisierte Selbstordnung vieler Blastomere beruht. Mindestens einige von diesen
Vorgängen fallen bei T-Riesen aus: schon im Vierzellenstadium die horizontale Umlegung
des T-Stammes, und später vielleicht noch ordnende Beziehungen zwischen dem Ektoderm
und der Ventralfamilie. Kann es nicht sein, daß eine mit chemotaktischen Mechanismen
ausgerüstete und funktionierende Zelle durch den Verlust der typischen Gegenwirkung
ebenso leidet, wie manche Tiere durch einen unbefriedigten Trieb, daß dann die leichte E r krankung
der Mutterzelle bei ihren Töchtern und Nachkommen weitere Funktionsfehler mit
immer schlimmeren Folgen nach sich zieht, und die entstandenen Krankheitsherde in der
soundsovielsten Generation den ganzen Keim auf chemischem W e g e zu Grunde richten?
Jedenfalls besteht am Wesen der ganzen Erscheinung a l s e i n e r a e .c i d e n t e i l e n
S c h ä d i g u n g , die mit der Kausalität der Formbildurig nichts gemein hat, wohl kaum ein
Zweifel; wonach dieselbe aus den Akten unserer Analyse endgültig zu. entfernen ist.