
p e r io d e v o r h a n d e n is t , b e im E in t r i t t d e r R u h e a b e r e r l i s c h t . W ie wir gesehen haben,,
dauerte die Streckung der unteren Blastomere, die das Missglücken der Orientierung verschuldet
hatte, nur eine gewisse Zeit; ebenso lange quälte sich der Embryo mit seinen Verschiebungsversuchen.
A ls aber darauf das Zellmaterial zur Ruheform überging, der eben noch hilflosfestgeklemmte
Embryo sich stark verkürzte und dadurch völlige Bewegungsfreiheit für seine
unteren Zellen erhielt; als somit die früher angestrebte Orientierung g a r nicht mehr schwierig
schien,®-, d a machte unser Riese von der sich bietenden Chance keinerlei Gebrauch. Die
geringe, vorher schon erreichte Schiefstellung glich sich so gar noch aus, und dabei blieb es.
Gleich als wenn der Riese, nachdem sein Orientierungsversuch verhindert worden war, nun
selbst alle L u s t dazu verloren hätte.
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Am ändern Morgen fand ich meinen Riesen mitten in einer neuen Klüftungsperiode
(Taf. I, Figi 2). Die b e id e n o b e r e n , e k t o d e rm a le n Zellen A und B hatten sich eben durchgeschnürt,
und zw ar ganz typisch, nämlich zu gleicher Zeit und mit horizontaler Spindelstellung.
A b e r wie sahen sie a u s ! Infolge der Engigkeit der Schale waren alle vier jungen Zellen quer
zur Spindelrichtung in die Län ge gezogen, etwa zur Form von aufrecht
stehenden Kaffeebohnen, und da hierbei die Dotterkörnchen
sämtlich an die Peripherie gedrängt worden waren/-:s q -erschien
jede Zelle — von der F lä che gesehen — wie eine glashelle Scheibe mit
dunklem Rand. Eine Stunde später hatte sich die Form und innere
Beschaffenheit der ektodermalen Zellen weiterhin zum Schlimmen
verändert (Taf. I, Fig.- 3), und zwar in solchem Grade, dass ich an
ihrem Zugrundegehen nicht mehr zweifelte, oder vielmehr glaubte,
sie seien schon tot. Ich freute mich darüber, denn ich bildete mir
ein, die längst gewünschte Versuchsanordnung in Händen zu haben,
die über das Schicksal des K eimes nach Abtötung seiner einen Hälfte-
H
males Stadium VIII,
Klüftung. Das Ektoderm i
Auskunft geben sollte, und nahm deshalb den bedrängten Riesen mit besonderem Interesse.:
aufs Korn. A b e r das ektodermale Quartett w a r durchaus nicht gestorben. Es fand vielmehr
im Laufe der nächsten Stunden Gelegenheit, sich aus der Zwangsjacke dadurch zu befreien,
dass seine Zellenpaare aus ihrer anfänglich queren Stellung in eine bedeutend geneigte übergingen
(Taf. I, Fig. 4). So gewannen die Zellen Raum zu freier Ausdehnung und sahen einen
T a g später ebenso gesund aus, wie irgend andere. Sie hörten auch keineswegs auf, sich
zu teilen, sondern lieferten mit der Zeit, als wä re nichts geschehen, eine zahlreiche Nachkommenschaft.
Mittlerweile w a r auch die u n t e r e B la s t om e r e n g r u p p e mit ihrer neuen Klüftung fertig
geworden, und hier geschahen Dinge, die unseres besonderen Interesses würdig sind. Die
S p in d e l s t e l lu n g d e r b e id e n Z e l le n w a r n ic h t d ie d e s k r ip t i v - t y p i s c h e .
In der normalen Entwickelung teilen sich die Zellen EMSt und P2 transversal. Die
Spindeln liegen bei ihrer Bildung ungefähr wagerecht, und es entsteht eine gerade oder leicht
nach oben gekrümmte Reihe von v ier hintereinander liegenden Zellen, die sämtlich mit dem
Ektoderm in Berührung sind (Fig. H).
Bei unserem Riesen dagegen stellten sich die Spindeln in beiden Zellen v e r t ik a l ; die
jungen Blastomere lagen, u n t e r e in a n d e r . D a aber das Mutterzellenpaar selbst nicht horizontal
— wie typisch -m, sondern senkrecht gelagert war, so ging natürlich auch hier ans der
Klüftung eine viergliedrige R e ih e hervor, eine Reihe aber, von der nur das oberste Glied
(MSt) Fühlung mit der Ektodermgruppe besäss. Die neu geklüftete Ventralreihe ragte unter
solchen Umständen als eine lange Säule frei in den unteren Schalenraum (Taf. I, Fig. 3). —
A u f eine Erörterung dieser Thatsache haben wir erst im Analytischen Teile einzugehen. Hier
aber sei noch bemerkt, dass d ie ü b e rw i e g e n d e M e h r z a h l a l l e r R ie s e n g e n a u d ie
g l e i c h e S p in d e l s t e l lu n g d e r Z e l le n P2 u n d EM S t e r k e n n e n lie s s .
Uebrigens w a r gerade bei unserem Musterriesen die Bildung der gestreckten ventralen
Säule nicht ganz so charakteristisch ausgeprägt, als sonst. Infolge einer an sich bedeutungslosen
Ungleichzeitigkeit der Teilung geschah es nämlich, dass, ehe noch die viergliedrige Reihe
fertig ausgebildet war, an ihrem unteren Ende e in m e r k w ü r d ig e s und, w ie s ic h h e r a u s s
t e l l t e , fü r a l l e R ie s e n t y p i s c h e s E r e ig n is vorzeitig in Szene ging, durch welches die
säulenförmige Gestalt der Gruppe verändert wurde. Es geschah folgendes: Einige Stunden
nach ihrer Entstehung begannen die beiden untersten Zellen P 3 und C eine Form und innere
Beschaffenheit anzunehmen, die au f das lebhafteste an das Verhalten der. ventralen Zellen eines
in Orientierung begriffenen Stadiums IV erinnerte (Taf. I, Fig. 2, 3). Beide Blastomere streckten
sich in die Länge, besonders aber das obere von ihnen; gleichzeitig veränderte sich die V e r teilung
ihrer Dottersubstanz. M ä rau f k rüm m te .Sich die Zelle P3 (weiss), die sich nach oben
und unten mit breiten, wulstig abgeschnürten Flächen angeheftet hatte, so energisch in ihrem
Mittelteile, dass ihre ursprünglich untere Kontaktfacette zuletzt rechtwinklig zur oberen stand.
Dadurch w a r die an ihrem Ende befestigte und, wie es schien, mehr passiv transportierte
„Schwanzzelle“ weit nach oben hin verschoben worden. Sie berührte schliesslich die Urzelle
des Entoderms (E, hellblau), ja sie glitt sogar ein Stück weit au f jene hinüber, so dass nun nicht
mehr sie, sondern ihre Schwester, die Keimbahnzelle P3, an das Ende des ganzen Zellkomplexes
zu liegen kam (Taf. I, F ig. 4). In dieser Situation erhielten darauf die Zellen die
Ruheform.
Es muss noch hervorgehoben werden, dass die B ewegung nach derselben Seite gerichtet
war, nach der im Stadium IV ,der T-Stamm vergeblich emporzusteigen versucht hatte, d. h.
n a c h d e r „ S c h w a n z s e i t e “ ; -und zweitens, dass der ganze V o rg an g incl. der endgiltigen Anordnung
sich streng an eine einzige Ebene hielt.
W a s hatte nun dieses Ereignis zu bedeuten? Dass es sich nicht um einfach mechanisches
Zusammengleiten unter dem Drucke der Oberflächenspannung handeln konnte, ging hier wie
auch in den übrigen Fällen aus dem Verhalten der Zelle P 3 deutlich hervor. Also eine aktive,
physiologische Leistung der beteiligten Zellen! V on einer solchen aber wa r für die normale
Entwickelung bisher nichts bekannt. In meiner deskriptiven Arbeit ist zwar davon die Rede,
dass die Schwanzzelle zu einer bestimmten Zeit infolge einer „sprenkelförmigen Krümmung“
der ventralen Reihe hoch au f den Rücken hinaufgelangt, aber ich meinte damals, diese Ortsveränderung
sei eine passive F o lg e anderer Umlagerungen innerhalb des Zellkomplexes. Auch
Z o j a (’96) und B o v e r i fanden in dem Verhalten der Blastomere nichts auffallendes. — Nun
gut, so lehrt uns eben jetz t die Geschichte der T-Riesen, d a s s in d e r n o rm a le n O n t o g e n e s is
d ie S c h w a n z z e l l e n i c h t r e in m e c h a n i s c h in ih r e d o r s a le L a g e g le i t e t , s o n d e rn v o n
Zoologie». Heft 40.