W ir haben erfahren, daß das ungeteilte E i g - wenigstens in seiner oberen Hälfte —-
eine Struktur besitzt, die es möglich macht, die M e d ia n e b e n e aufzüfinden, und daß diese
Struktur im Erb g an g auf A B und A übertragen wird. W ie hat man sich eigentlich d i e
s p e z i e l l e B e s c h a f f e n h e i t einer solchen Flächendifferenzierung vorzustellen? — Darüber
wurde bisher nichts ausgesagt. Es bieten sich mehrere Möglichkeiten. Die Differenzierung
könnte z. B. darin bestehen, daß mitten in den homogenen Zellleib, den Schwerpunkt enthaltend,
eine dünne Lamelle von irgendwie differentem Plasma eingelassen wäre. Andrerseits
könnte aber auch die g a n z e Plasmamasse von einem besonderen in n e r e n G e f ü g e s e in ,
d a s d ie b e t r e f f e n d e F l ä c h e n r i c h t u n g , w i e S p a l t f l ä c h e n e i n e s K r i s t a l l e s ,
n i c h t n u r in d e r M i t t e d e r Z e l l e , s o n d e r n a l l e n t h a l b e n e r k e n n b a r w e r d e n
l i e ß e . Und dieser zweiten Spezialhypothese dürfte wohl, wenn man bedenkt, daß das Plasma
ein Schaum ist, und daß in einem regelmäßig aufgebauten Schaumgefüge gewisse sich
senkrecht und schräg durchschneidende' Systeme von Flächenrichtungen ohne weiteres
kenntlich sind, a priori die größere Einfachheit zuzusprechen sein.
Nehmen wir nun erstens an, die vom E i geerbte „Mediandifferenzierung“ der Zelle A
sei in der T a t nichts anderes, als eine der Mittelebene parallele „Schichtung“ ihres gesamten
Plasmaleibes; und diese Struktur erhalte sich auch dann, wenn die Zelle durch eine mediane
Scheidewand in ihre beiden Töchter a und a zerfällt; so ist klar, daß unseren beiden Zellen
die strukturelle Hervorhebung der P a r a m e d i a n e b e n e , deren sie bedürfen, fix und fertig
bei der Geburt geliefert würde. Zweitens aber enthält das Ei, wie uns bekannt ist, in. seiner
unteren Hälfte eine Differenzierung der Transversalebene. Denken wir uns auch diese
Struktur als eine entsprechende Schichtung .der Plasmamasse, und nehmen an —1 was offenbar
sehr wahrscheinlich i s t^ g | d a ß d ie S t r u k t u r v o n d e r u n t e r e n a u f d ie o b e r e
H ä l f t e ü b e r g r e i f t , so könnten die Zellen a und a außer der paramedianen Differenzierung
a u c h d ie t r a n s v e r s a l e von ihren Vorfahren erben; und der Bedarf der Zellen
an Richtungsmitteln für die Mitose wäre gedeckt.
Ja, noch mehr. Nach den Ergebnissen der Analyse setzt die Spindelstellung der
Zellen Pj, EM St und P2 das Vorhandensein einer primär-axialen Differenzierung voraus ;
wobei aus Gründen der Sparsamkeit angenommen wurde, daß die axiale Differenzierung
allemal durch die vorausgegangene M ito se ' neu entstanden sei. A ls dann später für die
gleichen Zellen das unabhängige Vorhandensein einer ursprünglich transversalen — später
medianen —r Flächendifferenzierung, die schon im E i besteht und trotz der Mitosen sich
forterbt, festgestellt worden war, verlor die Annahme des mitotischen Ursprungs der axialen
Differenzierung, ohne gerade überholt zu- sein, doch reichlich die Hälfte ihres ökonomischen
Wertes-. Und gegenwärtig sind wir sehr bereit, sie völlig preiszugeben. W ir wissen jetzt,
daß das E i zwei präformierte Ebenen enthält, die mediane und die transversale; in ihrer
Schnittlinie, der Vertikalachse, liegt''die erste Furchungsspindel. Nehmen wir nun an, daß
außer der transversalen — was ja erwiesen ist — a u c h d ie m e d ia n e D i f f e r e n z i e r u n g
a u f Px u n d d e r e n b e id e T ö c h t e r ü b e r g e h e , so besitzen alle diese Zellen eine ererbte
Struktur, die ihren Spindeln das Auffinden der primären Achsenrichtung ohne weiteres
möglich macht.
Diese an -sich begründete Neuregulierung der axialen Teilungsart und ihrer Ansprüche
an struktureller Vorbereitung offenbart aber ihren ganzen ökonomischen. W ert erst dann,
wenn wir sie mit unseren Ergebnissen über die Mitosen von a und a zusammenstellen. E s
i s t u n s g e g l ü c k t , d ie S p in d e l r i c h t u n g d e s E i e s , d e r B l a s t o m e r e Px, E M S t ,
P 2, a u n d a,' d e r e n in n e r e V e r w a n d t s c h a f t d e s k r ip t i v n i c h t e b e n o f f e n s i c h t l
i c h zu T a g e l i e g t , a u f e in e u n d d i e s e l b e D i f f e r e n z i e r u n g d e s E i p l a s m a
£ b e i g l e i c h e r R e a k t i o n s w e i s e d e r S p in d e ln — z u r ü c k z u fü h r e n .
E. Paratangentiale und in der Richtung der Paratangentialfläche zur Primärachse
schiefe Teilung.
1.
Die paratangentiale und dabei in der Flächenrichtung schiefe Mitose von b und ß
erforderte vom Standpunkte unserer Haupthypothese aus den höchsten Grad plasmatischer
Komplikation. Hier liegen darum die Verhältnisse für die von uns verteidigte Lehre der
inneren Richtungsreize 4^- bei deskriptiver Beurteilung — am bedenklichsten. Und wenn
irgendwo, so fühlte man sich wohl an dieser Stelle versucht, die Möglichkeit einer ausnahmeweisen
Beteiligung von Richtungsreizen a u s d e r Z e l lu m g e b u n g im Notfälle zuzugeben
— wenn sich nur absehen ließe, w o h e r denn der orientierende Reiz für diese sonderbaren,
haarscharf vorgeschriebenen und doch an allen etwa denkbaren Richtungspunkten
der Nachbarschaft vorbeizielenden Spindelstellungen kommen sollte. So gewährt es denn
besonderes Interesse zu erfahren, ob auch bei dieser letzten und physiologisch anspruchsvollsten
Art von Teilungen das deskriptive Verhältnis der Spindeln zu inneren Richtungsmerkmalen
sich* als konstant erweisen werde, oder nicht.
Aus technischen Gründen, hauptsächlich wegen der Schwierigkeit, die genaue Lage
der beiden Spindeln auch dann festzustellen, wenn atypische Gleit- und Drehbewegungen
stattgefunden haben, beschränkt sich leider das analytisch verwendbare Material auf einen
einzigen, aber einwandfreien F a ll: den Musterriesen des zweiten Typus (Taf. III, Fig. 30
bis 32).
A n diesem wertvollen Riesenkeime trat zunächst mit größter Deutlichkeit hervor, daß
d ie Z e l l e n b u n d ß ih r e S p in d e ln p a r a t a n g e n t i ä l , also quer zur Richtung ihrer
gegenwärtigen organischen Achsen stellten (Fig. U U 1 p. 140). Für ß, die linke, bedeutete das
keine erhebliche Veränderung; ihre Spindel, die in der normalen Entwickelung parallel der
Medianebene liegt, wurde nur um eine Kleinigkeit nach oben-einwärts. abgelenkt. Um so
ausgesprochener war die Abnormität der Spindelstellung, die für die Zelle b aus ihrer paratangentialen
Teilungsweise erwachsen mußte. Am regulären Embryo nimmt diese Zelle, umringt
von nicht weniger als fünf Nachbarinnen, die rechte Flanke ein, und ihre organische
Achse zeigt ziemlich genau lateral. . Bei unserem T-Riesen aber la g die Zelle nahezu f r e i;
und da sie die rückwärtige Spitze der rhombisch geordneten Ektodermgruppe bildete, so
war zur kritischen Zeit ihre organische Achse schräg nach hinten gekehrt, gerade auf die
Schwanzzelle zu, die sich durch seltsame Bewegungsvorgänge von ihrer weit entfernten A n fangsstellung
in diese Nachbarschaft begeben hatte. A ls nun die Teilung der Zelle b senkrecht
zu ihrer organischen Achse vor sich ging, erhielt das Tochterzellenpaar eine quere, von.
der normalen durchaus verschiedene Lagerung, die das Schicksal, von der andrängeriden
Schwanzzelle in der Mitte durchschnitten zu werden, förmlich herausfordefte.