in der normalen Entwickelung einzelne Schwesternpaare, z. B. die symmetrischen Anlagen
des Schlund-Mesoderms, sich völlig voneinander trennen und dennoch ihre Teilungsrichtuhg.
typisch zu regeln vermögen, findet sich auch in der Geschichte der T-Riesen eine Anzahl
von Fällen, in denen eine mitotische Zelle die typische Beziehung zu ihrer benachbarten
Schwester n i c h t innehält.
Bei dem T a f. II, Fig. 15 dargestellten Riesen z. B. teilt sich die hellblaue Urdarm-
zelle E in ungefähr d e r s e lb e n Richtung, in der ihre Schwester, die dunkelblaue Urzelle
des Schlundes und Mesoderms zerlegt worden ist; dem Typus nach aber sollten die beiden
Teilungen zueinander senkrecht stehen. Und bei dem Riesen Fig. 17 müßten die Teilungsfiguren
der grünen und rotblauen Zellen jeder Seite in die Verbindungslinie des betreffenden
Paares eingestellt sein, - was offenbar nicht geschieht.
Das auffallendste und für unsere Analyse ganz fundamental wichtige Beispiel aber liefert
wiederum die Übergangsperiode vom vierzelligen zum achtzeiligen Stadium. A ls ich oben
die Teilungsweise des ventralen Zellenpaares genauer schilderte, um daraus für die Dauerhaftigkeit
der Beziehung zwischen Spindelstellung und schwesterlichem Kontakt ein A rgu ment
zu gewinnen, machte ich zwischen den beiden Zellen insofern einen Unterschied, als
ich mich nur auf die untere von ihnen absolut berufen konnte, bei der oberen' aber ge nötigt
war, das Vorkommen seltener Ausnahmen zuzugeben. Nun wohl, die Ausnahmen, die
ich beobachtet habe, drei an der Zahl, bestanden darin, daß d i e S p in d e l d e r o b e r e n
Z e l l e E M S t w i e in d e r n o rm a l e n O n t o g e n e s i s , u n d u n t e r P r e i s g a b e d-esg
„ t y p i s c h e n “ V e r h ä l t n i s s e s z u r B e r ü h r u n g s f l ä c h e , in d i e H o r i z o n t a l e b e n e
e i n g e s t e l l t w u r d e ! Einer von diesen drei Riesen — es war derjenige, der uns für den
zweiten Entwickelungstypus als Paradigma diente B - hatte vom Beginn seiner Furchung an
unter Kontrolle gestanden, und ich wußte deshalb, daß die Teilung seiner Mittelzelle, obwohl
ihre Spindel die (dem Ektoderm gegenüber) richtige E b e n e aufgefunden hatte, doch
innerhalb dieser Ebene keineswegs typisch war (Taf. III, Fig. 25 bis 27). Sie hätte programmgemäß
mit der morphologischen Medianrichtung, die ich bei diesem Riesen aus dem bekannten
Verwandtschaftsverhältnis der Ektodermzellen bestimmen konnte, zusammenfallen
sollen; statt dessen bildete sie mit jener einen horizontalen Winkel von ungefähr 90° . —
Die beiden anderen hierhergehörigen Riesen aber, deren genaue Vorgeschichte mir unbekannt
geblieben waifSließen die Bestimmung der Medianebene nicht zu: so bleibt? es ungewiß, ob
etwa auch bei ihnen die L a g e des aus der Mittelzelle hervorgegangenen-horizontalen Paares
zur Seite hin verschoben, oder aber in ihrer Beziehung zu den vom Ektoderm markierten
Grundebenen des Keimes wirklich vollkommen typisch war (Taf. II, Fig. 13).
Nun könnte man geneigt sein, angesichts der ostentativen Sicherheit, mit der die
Mehrzahl der Mitosen ihre typische Beziehung zur schwesterlichen Berührungsfläche aufrecht
erhält, den W ert der hier aufgezählten Ausnahmen nicht allzu hoch einzuschätzen. Ich
selbst habe ja in der Einleitung darauf hingewiesen, daß Riesenbildungen stets teratologisch
sind, und daß man sich nicht wundern dürfe, wenn man sieht, daß irgend eine wahrhaft
typische und gesetzliche Beziehung zwar bei dem größeren Te ile der Riesen, aber doch
nicht bei allen in Geltung steht. Unsere Ausnahmen würden dann als Folgeerscheinung
krankhafter Zustände des mitotischen Apparates zu entschuldigen und von der Beweisführung
einfach auszuschließen sein.
Allein mit dieser Einrede ist hier nichts getan. Diejenigen Riesen, an denen wir abweichende
Mitosen aufgefunden haben, machen durchaus nicht den Eindruck, als wenn sie
kränker wären, als die übrigen. Wa r es doch gerade der auf T a f. II, F ig. 17 und 18 dargestellte
Riese, der uns durch die außerordentliche Genauigkeit, mit der seine Zellen den
typischen T e ilu n g s rh y thm u s befolgt hatten, in Staunen versetzte. Und ganz besonders lehrreich
ist, daß einer von den zuletzt genannten drei Riesen, bei denen die Spindel der Mittelzelle
EM S t horizontal gerichtet lag, d em z w e i t e n T y p u s d e r T -R ie s ’e n e n tw i c k e lu n g
a n g e h ö r t e : denn die Riesen dieser Kategorie, denen es durch Vorgänge sehr überraschender
A r t nachträglich gelingt, die normale Konfiguration fast völlig herzustellen, können
offenbar — soweit von einem solchen Unterschiede überhaupt die Rede ist — h ö c h s t e n s
g e s ü n d e r sein, als ihre Genossen vom ersten Typus.
Demnach liegt die Saöhe so: d a s d e s k r i p t i v e R i c h t u n g s V e r h ä l t n i s e in e r
S p in d e l z u r K o n t a k t f l ä c h e d e r S c h w e s t e r z e l l e k e h r t b e i d e n T -R i e s e n zw a r
a u f f a l l e n d h ä u f i g w i e d e r , a b e r b e s t im m t n i c h t im m e r .
Dann kann unsere Analyse hiermit noch nicht zu Ende sein. W ir müssen weiter versuchen,
ob etwa eine Richtungsbeziehung sich auf decken läßt, die für s ä m t l i c h e Mitosen
normaler Eier und gesunder T-Riesen gültig ist.
y. Verhältnis der Spindel zur Zellgestalt.
1.
Nachdem wir weder in der ferneren Umgebung der Zelle noch in ihrer nächsten
Nachbarschaft das von uns vermutete absolut konstante Richtungsmerkmal gefunden haben,
untersuchen wir jetzt an dritter Stelle die Tragweite der deskriptiven Beziehung zwischen
der Spindelrichtung der Zelle u n d i h r e r e i g e n e n G e s t a l t ; ein Merkmal also, das
zwischen außen und innen gleichsam die Grenze bildet, dennoch aber, da es wesentlich
durch die Konfiguration der Umgebung bedingt wird, in physiologischem Zusammenhänge
der Umgebung zugezählt werden darf.
D ie Zellgestalt hat uns schon früher beschäftigt. Als wir am Eing ang dieses Kapitels
Antwort auf die F ra g e suchten, ob die. geregelte Teilungsrichtung ein aktiver oder passiver
Vo rg an g sei, da ergab sich, daß die Zellgestalt auf keinen Fall als die unmittelbare,
mechanische Ursache der typischen Spindelrichtung gelten kann. Natürlich aber schließt
dieser jfa c h w e is die Möglichkeit, daß die Form der Zelle sich in der Rolle e in e s o r i e n t
i e r e n d e n R e i z e s am Einstellungsvorgange beteilige, noch lange nicht aus. Ja, eine
solche Vorstellung ist, physiologisch angesehen, sogar ganz wahrscheinlich. Die Zellgestalt
besitzt ja in der normalen Ontogenesis alle Eigenschaften, deren ein Orientierungsmittel bedarf:
sie ist erstens .an jeder Zelle durch die besondere Stellung, Zahl und Form ihrer
Flächen und Kanten nach verschiedenen Richtungen hin c h a r a k t e r i s i e r t , und zweitens
ist sie in allen Fällen t y p i s c h v o r g e s c h r i e b e n . Wenn nun der mitotische Apparat so
eingerichtet wäre, daß er die Zelloberfläche z. B. durch die Vermittelung der Strahlenfiguren.
B gleichsam „spürte“ , und auf den Reiz einer besonderen Konfiguration mit einer
bestimmten, adäquaten Bewegung antworten müßte, so könnten wohl die Spindeln auf solche
Art in die für jede vorgeschriebene Stellung geleitet werden.