Nimmt man noch die schon früher hervorgehobene Tatsache hinzu, daß auch die
Spindel d e s k u g e l r u n d e n E i e s ohne jeden Zweifel in eine strukturell präformierte, in diesem
Falle sogar dem A u g e erkennbare Achsenrichtung zu liegen kommt, so handelt es sich kaum
mehr • um Wahrscheinlichkeit, sondern um nahezu völlige Sicherheit, wenn wir jetzt endgültig
behaupten:
D i e S p i n d e l n a l l e r v o n u n s a n a l y s i e r t e n F u r c h u n g s z e l l e n b e w e r k s
t e l l i g e n ih r e t y p i s c h e O r i e n t i e r u n g m i t H i l f e in n e r e r , d. h. in d e r Z e l l e g e l
e g e n e r R i c h t u n g s r e i z e . D i e b e n a c h b a r t e n K e im b e z i r k e t r a g e n h i e r z u e n t w
e d e r g a r n i c h t s b e i , o d e r — in e in e r g e w i s s e n K l a s s e v o n Z e l l e n — n u r
in s o f e r n , a l s d ie L a g e d e r P a r a t a n g e n t i a l e b e n e , d a r i n d i e S p i n d e l l i e g t ,
v o n d e r K o n f i g u r a t i o n d e r U m g e b u n g a b h ä n g i g is t . D a s V o r h a n d e n s e in d e r
t y p i s c h e n N a c h b a r s c h a f t o d e r e in e s T e i l e s d e r s e lb e n s t e l l t — ä u ß e r in d em
e b e n g e n a n n t e n S in n e — a u c h k e in e V o r b e d in g u n g d e s r e g e l r e c h t e n V e r h
a l t e n s d a r . Jede einzelne von unseren Zellen würde im Zustand gänzlicher Isolation,
daran zweifle ich nicht, das typische Verhältnis zwischen Spindel und innerem Gerichtetsein
fehlerlos zur Ausführung bringen.
2.
Jetzt aber verlangt die Frage n a c h d em G e l t u n g s b e r e i c h d i e s e r S ä t z e innerhalb
der g a n z e n Ascarisontogenese dringend eine Erörterung; denn wie das analysierbare Material,
so reichen auch die Schlüsse, die wir daraus gezogen haben, zunächst nur vom E i bis zu den
Teilungen des achtzeiligen Stadiums. Nun ist offenbar äußerst wahrscheinlich, d a ß d i e
in t e r n e R e i z p h y s i o l o g i e d e r S p in d e l s t e l lu n g e n m i t d e r l e t z t e n a n a l y s i e r t e n
S t u f e n i c h t e tw a ih r E n d e f in d e t , sondern unvermindert auch für die Klüftungsperiode
des sechzehnzelligen Embryo, dann weiter für die nächstfolgende, und überhaupt
für alle diejenigen Mitosen gilt, die an eine typische, genau vorgeschriebene Richtung g e bunden
sind. Ob aber bis an das letzte Ende der Ontogenesis ? Das möchte ich doch nicht
unterschreiben. B o v e r i und ich selbst haben zwar gezeigt, daß die Spindelstellungen bis
in ziemlich hohe Stadien der normalen Entwickelung durchweg geregelt sind, — auch im
primären Ektoderm, das schon auf seiner vierundsechzigzelligen Stufe aussieht, wie ein
gleichartiges, sich regellos vermehrendes Epithel; und M ü l l e r (1903) hat für gewisse
Bezirke des Embryo noch bis zu einer viel höheren Stufe regelmäßige Teilungsrichtungen
nachgewiesen. A ber ich halte doch für wahrscheinlich, daß diese Vorschriftsmäßigkeit zuletzt,
wenigstens in denjenigen Organen, die ihren Zellbestand zeitlebens vermehren, ein
Ende findet, einfach weil sie zwecklos wird. Vermutlich sind die Spindelstellungen der über
eine gewisse Stufe hinaus herangewachsenen Darmwand nur noch für die zwei Dimensionen
der Epithelfläche geregelt, wozu die paratangentiale Teilungsart ohne jeden inneren Reiz
genügen würde. Die Teilungsrichtungen innerhalb des Keimfaches sind vielleicht ganz und
gar dem Zufall anheimgestellt. ^ So treffen wir denn gewiß das Richtige, wenn wir von
jetzt an annehmen, d a ß d ie in t e r n e n R e i z m e c h a n i s m e n d e r S p i n d e l s t e l l u n g
fü r a l l e M i t o s e n d e r e i g e n t l i c h e n E n tw i c k e lu n g o b l i g a t o r i s c h s in d ; daß sie
aber jenseits dieser Grenze, soweit die Zellvermehrung überhaupt ihren Fortgang nimmt,
allmählich verschwinden; es tritt dann an Stelle der überflüssig gewordenen dreidimensional
geregelten Spindelrichtungen ungeregelte oder rein paratangentiale Teilungsweise.
3.
Technische Gründe bestimmten uns, in die Erörterung der jetzt abgeschlossenen Hauptangelegenheit
zugleich die Spezialfrage zu verweben, wie denn im e in z e ln e n die inneren
Reizmechanismen falls solche vorhanden sind - beschaffen sein müßten. W ir konstruierten
uns, zunächst rein auf Grund der normalen Verhältnisse, für jede Teilung ein Bild
derjenigen inneren Struktur, die imstande wäre, die typische Stellung der betreffenden
Spindel bei größtmöglicher Einfachheit in anatomischer und ontogenetischer Hinsicht zu
garantieren. Hierzu gehörte vor allem, daß das anspruchslose Prinzip der paratangentialen
Teilungsweise, soweit es anging, als mitbestimmender Faktor verwendet wurde, und zweitens,
daß wir nach Möglichkeit versuchten, typisch gerichtete innere Ereignisse aus der V o r geschichte
der Zelle, nämlich vorausgegangene Mitosen und die Bewegungen der organischen
Achsen, als Entstehungsgründe der benötigten Struktur heranzuziehen.
Die Analyse der abnormen Ascariskeime hat dann diese Apriori-Schemata nur zum
T e il bestätigt. D a ß die Paratangentialteilung als ein kausaler Faktor anzusehen sei, blieb
zwar für viele Fälle bestehen. A ber andererseits erwies sich die ökonomische Hoffnung, das
xx.
Übersicht über die bisher erschlossenen Differenzierungen
im Ei, von rechts, doch etwas schräg von hinten und oben
gesehen. Mediane Schichten sind „vertikal“ , quere „horizontal“
schraffiert.
Auftreten der inneren plasmatischen Differenzierungen auf ohnehin vorhandene, typisch ge richtete
Antezedentien der Zelle zurückführeri zu können, als eine vergebliche. E s blieb nur die
Annahme übrig, d a ß d i e S t r u k t u r e n b e r e i t s im u n g e t e i l t e n E i um d ie Z e i t d e r
e r s t e n K l ü f t u n g v o r h a n d e n s in d und im Erbgange Schritt für Schritt auf die einzelnen
Blastomere übertragen werden. So erschlossen wir endlich für das zur Teilung reife E i
folgende innere Beschaffenheit (Fig. XX). Im Plasma des Eikörpers sind zwei aufrechtstehende,
einander rechtwinklig schneidende „Schichtsysteme“ ausgebildet, das eine der medianen, das
andere der transversalen Ebene parallel, die auf die folgenden Generationen erblich übertragen
werden. Die axiale Schnittlinie beider Ebenen, in der schon die erste Furchungsspindel gelegen
ist, liefert demnächst den Richtungsreiz für die Zellen P x, EM St und P2. Ferner bewirken
zwei seitliche Schnittlinien der gekreuzten Schichtsysteme die Orientierung der
primär vertikal, aber nicht axial gestellten Spindeln von a und a. Im Bereich der unteren
Keimeshälfte kommt der transversalen Differenzierung noch eine spezielle Rolle zu: nachdem
sie im vierzeiligen Stadium durch die bekannte Schwenkung median geworden ist, ermöglicht
sie eine Stufe später die paratangential-gleichsinnigen Mitosen von E und P3 und
die queren von MSt und der Schwanzzelle C. In der oberen Hälfte wird die mediane Ebene
gebraucht, um die (im übrigen paratangentiale) Spindelstellung von A B und die transversale
Zoologlca. lieft 40. 19