jeweils versammelten Sorten von Kernsubstanz sich einfach summieren oder zur Bildung
einer neuen Reizqualität vereinigen. — Bis hierhin also erwüchse aus der anderweitigen
Lokalisation der determinierenden Ursachen weder ein Nachteil, noch ein Gewinn.
Aber das ändert sich sehr, sobald wir fragen, auf welchem Weg e denn die vorschriftsmäßige
V e r t e i l u n g der im Ausgangsmaterial vorhandenen Kernsubstanzen von statten
geht. Bei Annahme plasmatischer Determinationsgründe war das die einfachste Sache von
der W e lt: im befruchteten E i und jedem seiner Blastomere liegen die Sonderplasmen in
solcher vorbedachten Ordnung beisammen, daß sie durch den typisch geregelten Klüftungsprozeß
Schritt für Schritt auseinandergeschnitten und immer wieder der gleichen Zelle zugeteilt
werden. Sind aber die Ursachen in den Kernen lokalisiert, so wird ihr Anspruch
auf richtige Weitergabe und schließliche Beförderung ans Ziel durch zweierlei, der vorigen
Hypothese fremde Gefahren schwer bedroht: erstens die vielfältige, fast unaufhörliche Um lagerung
aller dem A u g e unterscheidbaren Substanzen i n n e r h a l b d e s K e r n e s — Bewegungen,
die allem Anscheine nach nicht strenge geregelt sind; und zweitens die uns bekannten,
ausgiebigen und ebenfalls recht veränderlichen Dislokationen der g a n z e n K e r n e
im I n n e r n ih r e r Z e l le n .
Die Schwierigkeiten der ersten Kategorie, die ja für andere Objekte genugsam erörtert
worden sind und W e i sm a n n zu dem Schlüsse führten, daß jedes kleinste Chromatin-
körnchen die Gesamtheit der Ursachen in typischer Architektur enthalten müsse, scheiden
wir willkürlich aus. W ir nehmen also an, b e i Ascaris bestehe in der T a t der komplizierte
Mechanismus e r b u n g l e i c h e r M i t o s e n , die bewirken, daß die Summe verschiedenartiger
Determinationssubstanzen, die ein Vaterkern enthält, nach fester Vorschrift in zwei typisch
ungleiche Portionen — je einem Teilkern entsprechend — gesondert werden. Zum Beispiel
möge der Kern der Zelle Px aus inneren Gründen befähigt sein, die für die Tochterzellen
EM S t und P2 bestimmten Substanzsortimente exakt voneinander zu scheiden. Dann stünden
wir noch immer vor der Frage, wie es geschieht, daß die Kernsubstanzengruppe mit der B e stimmungsadresse
P2 a u c h w i r k l i c h in d i e Z e l l e P2 g e l a n g t , nicht in die Zelle EMSt
und umgekehrt. E s ist die zweite Schwierigkeit, die schwankende Haltung der ruhenden
Kerne und frühen Teilungsphasen in n e r h a lb ihrer Zellkörper, mit der wir jetzt noch zu
rechnen haben.
Nach unserer Lehre erhält die fertige Teilungsfigur, die zur Zeit ihrer Entstehung
noch nicht an eine vorgeschriebene La g e gebunden, sondern drehbar ist, dadurch ihre endgültige,
typische Situation, daß sie auf dem kürzesten W e g e eine im Plasma der Zelle kenntlich
gemachte Achsenrichtung aufnimmt und dar in . verbleibt; etwa so, wie ein steuerlos g e wordenes
Schiff sich in die Richtung der Wellenkämme dreht. Von einer P o l a r i t ä t der
Teilungsfigur, wie sie bei erbungleicher Mitose bestände, und von dem Ansprüche dieser Polarität
auf e in e b e s t im m t e L a g e in n e r h a lb der für die Spindel vorgeschriebenen A chsenrichtung
war dabei keine Rede. Ganz wie die Spitze eines vom Nordsturm beigedrehten
Schiffes nach Osten oder nach Westen zu liegen kommt, je nachdem sie vor dem Beginne
der Drehung der einen oder ändern Himmelsrichtung näher war, so stünden nach unserer
bisherigen Hypothese auch der polar differenzierten, beweglichen Spindel je nach ihrer A n fangslage
zwei Möglichkeiten der Einstellung frei, eine richtige, dem typischen Verteilungsplane
entsprechende, und eine entgegengesetzte, fa ls ch e : Es müßte denn durch irgendwelche
im K e r n gelegenen Besonderheiten Sor^e getragen sein, d a ß a l l e m a l d e r k ü r z e s t e
W e g z u r d e f i n i t i v e n T e i l u n g s a c h s e z u g l e i c h d e r r i c h t i g e i s t ; mit anderen
Worten, d a ß j e d e e r b u n g l e i c h e S p in d e lh ä l f t e d e r ih r z u g e w i e s e n e n Z e l l e v o n
A n f a n g an n ä h e r l i e g t , a l s d e r a n d e r e n . Hat diese letztere Forderung Aussicht auf
Verwirklichung? — Wenn man den Mechanismus der erbungleichen Teilung sich derartig
denkt, daß die im ruhenden Kern wahllos gemischten Sondersubstanzen zur Zeit der Mitose
durch gegenseitige spezialisierte Anziehung und Abstoßung in zwei getrennte Gruppen zusammengezogen
werden, so ist klar, daß die R i c h t u n g dieses Trennungsvorganges dem
reinen Zufall überlassen bliebe; hiernach würde auch die Polarität der einzelnen Spindel
vollkommen beliebig gerichtet, und eine typische Verteilung der Determinationssubstanzen
ohne anderweite Hilfe undenkbar sein. Nimmt man aber an, die vielerlei Substanzen des
reifen Vaterkernes befänden sich in einer fest geordneten, vom E i her überlieferten A rchitektur
und würden bei der Mitose nur durchgeschnitten, so schlösse ein „Schwanken“ der
Kerne die Erfüllung jener conditio sine qua non nicht unbedingt aus: es käme a u f d e n
G r a d des Schwankens an. Vielleicht sind die ungeregelten Drehbewegungen der Kerne und
der daraus resultierende Fehlbetrag in der Anfangslage der jungen Spindel immer auf einen
gewissen Spielraum beschränkt: kleiner als 90°? Dann wäre der kürzeste W eg zur vorgeschriebenen
Spindelächse in der T a t zugleich der W e g zur typischen Einstellung der Kern-
Ei mit junger Furchungsspindel. Konserviert. Von demselben
öiüaZews-Weibchen, wie das in Fig. DDD, p. 156
abgebildete Ei.
polarität. Das planvolle Verhältnis zwischen der Architektur der Kernsubstanzen und den
Richtungen des Zellenstammbaums, das in den Ruheperioden durch die Unstätigkeit der
Kerne sich lockert, würde gelegentlich der Mitosen immer wieder straff gespannt, und jede
junge Tochterzelle erhielte ihr Deputat an Kernsubstanzen prompt und zuverlässig ins Haus
geliefert. Allein diese hoffnungsreiche Vermutung hält den Tatsachen gegenüber nicht stand.
Es ist gewiß, daß Kerne vom Keimbahntypus — die einzigen, an denen derartiges erkennbar wird
— atypische Drehbewegungen weit über 900 hinaus erleiden können (p. 74), Und manche
jungen Spindeln trifft man in einer Anfangslage, die mit der endgültigen Teilungsachse um einen
vollen rechten Winkel differiert. Z. B. liegt die vorschriftsmäßig vertikale erste Furchungsspindel
bei ihrer Entstehung nicht gar so selten genau horizontal; und ich habe gelegentlich
Material von ganz besonders „typischer“ Bildung unter den Händen gehabt, bei dem das
genannte Verhalten (Fig. QQQQ) fast ausnahmelos zu finden war. Setzen wir nun voraus^ diese
vorläufig horizontal gelagerte Kernfigur sei polar differenziert und zwar in einer bestimmten
Richtung, enthielte etwa links das Erbteil der oberen, rechts das der unteren Tochterzelle: