Gegenwart des’ Stoffes doch belästigt wü rde, leicht zur Seite, unöi” diese Bewegung
wird einige Male wiederholt. Da aber der Rdi&; noch immer nicht verschwunden isitj’.beginnt
unser Stentor, indem e r 'd ie Schlagrichtung der kräftigen Mund-Membranellen plötzlich
umgekehrt, zu husten — umsonst: die momentan zurüekgeworfenen Partikelchen sind
gleich wieder da. Jetzt greift das” Ä s A f p f zu einem radikaleren Mittel: es zieht sich mit
einem Ruck in seine gallertige* R öhre .zurück, — um beim hervorkommen auf das Karmin
zu treffen. Abermalige Kontraktion, neue Enttäuschung. Nach drei- bis viermaliger Wiederholung
kommt-es auf eine lange Zeit überhaupt nicht mehr zum Vorschein. .Schließlich
wird ihm d ie Sache zu bunt, es löst sich los und schwimmt davon. Ebenso zweckmäßig is j:
daß Stentor auf iftie erste leise Erschütterung hin sogleich in seine Röhre v e r s c h w in d e t ,Ä
es könnte ' ja ein Feind im Anzuge ’ttem, — bei mehrfacher Wiederholung - desselben
schwachen Reizes aber nicht mehr reagiert: die Gefahr i| fl vorüber; oder wenn der festgeheftete
Stentor nicht, wie der frei umherschwimmendd;* durch Licht zu besondeflpi: Re aktionen
veranlaßt wird. -4- Nun setzt die Fähigkeit des Infusörs, den gleichen Reiz; bald
so, b a ldisp ’^ u beantworten, unweigerlich voraus, daß seine eigene körperliche Kondition
in beiden Fällen nicht die gleiche ist. D e r Stentor, der auf die Gegenwart von etwas
Karmin mit heftigem. Zurückfahren reagiert, muß anders beschaffen sein, als. derjenige, der
nur den Cilienschlag umkehrt, oder sich zur flgfeite wendet, oder überhaupt nichts tut. B p i
das angeheftetej ..dem Lichte gegenüber indifferente T ie r muß sich vom schwimmenden, das
durch den Lichtstrahl beeinflußt wird, qualitativ unterscheiden. D a nun diese wechselnden
„physiologischen Zustände“', wie J e n n in g s - s ie nennt (1.904 p. |gjS|„Engramme.’.', nach S e -
m o n 1904), nur dann eintreten, wenn gewisse andere, aus Reiz und Reaktion bestehende;'
Erlebnisse vorausgegangen.-find, oder ein bestimmter Reiz .(z, B: die,-¿ :chwimmbewegu|Sl
gleichzeitig wirkt, so ist klar,; .daß u n s e r e Z u s t ä n d e d u r c h e b e n j e n e a n d e rw e jliie n
E r l e b n i s s e h e r b e i g e f ü h r t w ä ffd en . Dies; aber geschieht in einer zweckdienlichen, ad
hoc erworbenen Weise* e s s o l l von jeder Reaktion auf das Karmin ein Zustand übrig
bleiben, der nunmehr das Individuum, falls der Reiz nicht verschwunden istj^zü’Biner nachdrücklicheren
Abwehrbewegung disponiert. So finden wir denn bei Stentor die Fähigkeit!;
zur planvollen Verknüpfung gleichzeitig oder nacheinander wirkender R e iz vo rg än gÖ die wir
vorhin den Bienen zugeschrieben haben, anfs klarste ausgeprägt und rdighlich verwendet,
Schade, daß es keine staatenbildenden Stentoren g ib t: ich bin der Meinung, daß sie-vermöge
der hohen Komplikation ihrer Reizsphäre die ’¡Schönsten „sozialen Instinkte““ erlernen
könnten. ’ .J e d e n f a l l s w ü r d e n s i e d e r A u f g a b e , s i c h n a c h b e s t im m t e r P r o p
o r t io n zu g r u p p i e r e n , g e r a d e so g u t , w i e d i e A r b e i t s b i e n e n , g e w a c h s e n
s e in ; o b w o h l d o c h S t e n to r e b e n s o w e n ig S in n e s o r g a n e , H i r n u n d N e r v e n
b e s i t z t , ai*s‘ i r g e n d ’e in fe 1 M e t a z o e n z e l l e .
D a sind wir wieder bei unserem eigentlichen Probleme angelangt. W ir trauen den
Zellen des Eshiniden-Entoderms die gleiche Komplikation der Reizsphäre zu, wie Stentor,
ihrem entfernten Verwandten. D ie Darmzelle kann, wie jener, mit der Fähigkeit ausgerüstet
sein, durch Reizerlebnisse in besondere physiologische Zustände versetzt zu werden, in denen
s ie auf andere Reize nach Vorbedachtem Plane typisch reagiert. D a n n w ird w o h l a u c h
d ie p ro p o r t io n a 'l® ’S e 'lb s t g 'l i e d e r u n g d e fe ’E c h in id e n d a rm e s s i c h o h n e d a s E in g
r e i f e n e in ö s v i t a l i s t i s c h e n d e u s e x m a c h in a , l e d i g l i c h a u f G r u n d h o c h k
o m p l i z i e r t e r R e i z v o r g ä n g e u n d R e i z v e r s c h r ä n k u n g e n p r in z ip i e l l b e g r e i f e n
l a s s e n .
W ie man sich freilich im speziellen den Mechanismus dieser Selbstgliederung zu
denken habe, ist eine Gewissensfrage. Ich begnüge mich, vom möglichen Wesen solcher
Kausalverläufe mit Hilfe eines stark vereinfachten Beispieles eine ungefähre Idee zu geben.
W ir nehmen ,an, die Selbstgliederung bestehe nur darin, daß in d e r M i t t e zwischen Anfang
und Ende des Urdartnes eine ringförmige Einschnürung gebildet werde, — und fordern nun
innerhalb der festgestellten Möglichkeitsgrenzen frisch darauf los. Die Ansatzstelle am Ur-
mund mit ihren besonderen Spannungs- und Nachbarschaftsverhältnissen bedinge zur typischen
Zeit einen differenziellen Zustand der dort gelegenen Blastomere, der sich durch
einen chemischen Reiz über den Darm verbreitet, doch so, daß seine Stärke mit der Entfernung
vom Urmund allmählich geringer wird. Andrerseits entstehe aber auch am distalen,
blinden Ende des Darmsackes ein spezifischer Reiz; und dieser zweite Reiz soll ebenfalls
in regelmäßigem Gefälle auf die Umgebung übergreifen. Dann ist eine jede zwischen A n fan
g und Ende gelegene Darmzelle der Wirkung zweier Reize, eines proximalen und eines
distalen, ausgesetzt, deren gegenseitiges Intensitätsverhältnis sich in der Achsenrichtung
ändert: nahe dem Urmund ist der proximale Reiz der stärkere, gegen das blinde Ende zu
überwiegt der distale; in der Mitte des Ganzen aber vorausgesetzt, daß das Gefälle
beider Reize denselben Index besitzt — sind ihre Intensitäten gleich. Nun nehmen wir
ferner an, jede Urdarmzelle sei außer der bis dahin geübten epithelbildenden Betätigung
mit einer zweiten Reaktionsmöglichkeit ausgestattet: der Fähigkeit, sich „umgekehrt keilförmig“
zu deformieren, ihr cytotaktisches Verhalten in dieser oder jener Weise zu ändern,
überhaupt den formbildnerischen W e g einzuschlagen, der bei Beteiligung vieler zur Bildung
einer konkaven Einsenkung führt. Und diese anderweite Art des Verhaltens trete ein, sobald
eine Zelle vom proximalen und distalen Reize g l e i c h s t a r k getroffen wird. Dann ist
gewiß, daß in der Mitte des Ganzen rings um die Achse herum die Einschnürung beginnen
müßte. Dicht oberhalb und unterhalb des am stärksten gereizten und am exaktesten reagierenden
Ringes könnten sich Nachbarzellen in minder ausgeprägtem Maße ähnlich verhalten
und vermittelten so den Übergang zum ungereizten, in der konvexen Wölbung verbleibenden
Epithel. Und diese ganze Selbstgliederung wäre von der Größe des Darmsackes, der
Anzahl der ihn zusammensetzenden Zellen in weiten Grenzen unabhängig. — Analog, nur
komplizierter würde die dreifache Selbstgliederung des Echinidendarmes zu deuten sein.
Niemand darf gegen das prinzipielle dieser Darlegung einwenden, das alles sei viel
zu spitzfindig für die Wirklichkeit und darum nicht annehmbar: wer so reden wollte, der
bewiese nur, daß er die prozessuale Sachlage völlig verkennt. Mechanistische Erklärungen
v o n g a n z b e l i e b i g g e s t e i g e r t e r K o m p l ik a t io n so sagten wir in der Einleitung
—- sind immer noch sparsamer als vitalistische. Darum fällt dem Vitalisten die Verpflichtung
zu, die prinzipielle Unerklärbarkeit eines strittigen Vorganges durch physiko-chemische
Ursachen nachzuweisen. Gelingt dies nicht, oder vermag die Gegenpartei darzutun, daß
eine Bewirkung durch mechanistische Faktoren nicht absolut ausgeschlossen ist, so gilt „in
dubio pro reo“ : im Zweifelsfalle zugunsten der verdächtigten mechanistischen Erklärungsart.
— Ich denke aber, daß ich das letztere Erfordernis nicht nur erfüllt, sondern sogar — durch
den stammesgeschichtlich begründeten Vergleich der Zellen mit Protozoen — die W a h r -