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 Der  armenische Kaufmann, der mich wieder mit der  früheren  
 Freundlichkeit  an  seinem Tische  als  täglichen Gast empfing, war  
 über Alles, was  ich  that,  ziemlich  schweigsam, da man  in  solcher  
 Nähe  des Hofes  lernt  seine Gedanken  für  sich  zu behalten.  Im  
 Laufe  des Gesprächs  indess hörte  ich hei  einer Abendgesellschaft  
 die  englischen  Zeitungen  im Palaste  erwähnen,  und  dann  fing  
 mir  an  ein  Licht  aufzugehen.  Jetzt  suchte  ich  so  rasch  wie  
 möglich  eine  Audienz  beim König  zu  erhalten,  um  aus meiner  
 schiefen Stellung herauszukommen,  und bat Herrn Cämaretta  es  
 zu beschleunigen, worauf mir derselbe  auch  bald mittheilte,  dass  
 ich am nächsten  Sonntag  empfangen werden würde. 
 Ich  begleitete  ihn  zu  der festgesetzten  Stunde  zum  Palaste  
 und nachdem wir  einige Zeit in  den  Säulenhallen  der Vorzimmer  
 umherspaziert waren  (natürlich  ohne Schuhe,  die  selbst dem  englischen  
 Gesandten *)  nicht  erlaubt wurden),  zeigte  man  uns  an, 
 *)  Ueber  das Ausziehen  der  Schuhe  ist  in Rangun  viel  hin-  und  hergesprochen  
 worden,  und  ich  hörte  oft  englische  Offiziere  sich  unwillig darüber äüssern,  
 dass  es  geschehen  sei.  Doch musste  natürlich  ein  Gesandter,  der  eine  friedliche  
 Mission  zu  erfüllen  hatte,  und  sie  in  friedlicher  Weise  zu  Ende,  zu  führen  
 wünschte,  so  weit  es  thunlich  war,  der Etikette  des Landes  nachgeben.  Yule  
 zeigt  in  einer  interessanten Uebersicht,  wie  die  Birmanen  allmählig  in  ihren  Ansprüchen  
 bescheidener  geworden  sind.  Fieetwood  fiel  auf  seine Kniee  und  verbeugte  
 sich  dreimal  schon  zum  leeren Thron,  Baker  that  dasselbe,  Symes  nahm  
 den  Hut  ab,  Cox  that  einen  Kniefall  mit  Verbeugung,  Crawfurd  und  Phayre 
 dass  der König  bald  erscheinen würde.  Das  Gemach,  wo wir  
 eintraten,  war,  wie  die  ‘übrigen,  von  rothgemalten  und  mit  
 Vergoldungen verzierten Pfeilern  getragen.  Die  schmalen Thüren  
 waren  an  den  Seiten,  gegenüber aber  sprang  eine,  mit  einem  
 Geländer  versehene Balustrade vor,  zu  der man  auf einer in  der  
 Mitte  angebrachten  Tieppe  aufsteigen  konnte.  Die  Höflinge  
 sassen  auf  der Erde,  mit dem Gesichte  gegen  die Balustrade gerichtet, 
   und als  der König  aus  einer  im Hintergründe  geöffneten  
 Ihiir hervortrat  und  auf einem  an der obersten  Treppenstufe  gestellten  
 Divan Platz  nahm,  warfen  sich  alle  zur Erde  nieder,  die  
 üblichen Prostrationen  auszuführen,  und  blieben  dann  auf Ellenbogen  
 und  Knieen  liegen.  Mjch  hatte  man  neben  einem  der  
 Pfeiler,  etwas  abseits  von  den Uebrigen, aber dem König  ziemlich  
 vis  ä vis placirt,  und  keine weitern Vorschriften  über dasNiederliessenes  
 mit  dem Ausziehen  der  Schuhe  an  der Treppe  bewenden,  und  dies wird  
 sich  nach  der  orientalischen  Mode  auf  den  Teppichen  zu  sitzen  kaum  ohne Un-  
 böflichkeit  umgehen  lassen,  wenn  man  nicht  den Ausweg  finden  könnte,  nur die  
 Ueberschuhe  znrückzulassen  und  mit  dünnen  Schuhen  einzutreten.  Zugleich  
 allerdings Verknüpfen  die Birmanen mit  dem Ausziehen  der  Schuhe  eine  ähnliche  
 Respectsbezeigung,  wie  wir  mit  dem  Abnehmen  des  Hutes,  ln  vielen  Ländern  
 des Orients  dagegen,  wo  die Audienzen  in  offenen  Hallen  oder  auch  in  freierLuft  
 gegeben  Werden,  erlaubt  die  Sitte  das  Zurückbehalten  der  Kopfbedeckung.  
 Wenn  nun  Gesandte  Solcher Völker  auch  an  europäischen  Höfen  ihren  Kopf bedeckt  
 lassen wollen,  so  legen  sie  sich  bei  der  eingeschlossenen Luft  geheizter Zimmer  
 nur  selbst  Unbequemlichkeiten  auf,  opfern  sich  aber wahrscheinlich,  wie  sie  
 glauben,  dem  Interesse  ihres Herrn.  Der König  von  Siam,zeichnet  sich  in  seinen  
 Vorschriften  über  diesen  Punkt,  sowie  auch  in  ändern  Sachen,  durch  seinen  gesunden  
 Sinn  vor  den  benachbarten Monarchen  aus.  Bei  einem  Besuche  in  Bangkok  
 wurde  mir  gesagt,  dass  er  von Europäern  verlange,  nach  den  Gebräuchen  
 ihres Landes  bei  seinem  Eintritte  aufzustehen,  während  nach  hinterindischer Anschauungsweise  
 der  Niedersitzende  in  dem  vor  ihm  Stehenden  den  höhern  Rang  
 anerkennen  würde.  Die  Siamesen  sowohl,  wie  die  Birmanen  sind  längeren  
 Stehens  sehr ungewohnt  und  verharren meist  in  der hockenden  Stellung.  Wenn  
 bei  seinen  späteren  Besuchen  der  birmanische Prinz  längere  Sachen  mit  mir  zu  
 besprechen  hätte,  in  den  Gärten  oder  in  Stuben,  wo  sich  gerade  kein  Stuhl  
 fand,  so  nahm  er mich  gewöhnlich  bei  der  Hand,  um mich  gleichzeitig mit  sich  
 selbst niederzuziehen,  und  hatten  wir  dann  auch  den Vortheil,  die Erwiederungen  
 der  auf der Erde  liegenden  Begleiter,  wenn  sie  um  Erklärungen  befragt wurden,  
 besser  verstehen  zu  können.