Sachlage nicht genug Rechnung getragen ist. Bis jetzt hat man
sich in Hinterindien vor zu vielfachem Eingreifen bewahrt, und
übereilte Reformen werden immer bei den verwickelten Verhältnissen,
wie sie mit der Regierung eines neuen Volkes gegeben
sind, Missgriffe zur Folge haben müssen, die gleich denen der
permanenten Einsetzung der Zemindare in Bengalen oder des
Ryotvari-Systems in Madras nachher schwer wieder zu verbessern
sind. Unter den Königen Birma’s konnten die Einwohner jeden
Augenblick zu aussergewöhnlichen Leistungen verpflichtet Werden,
waren aber sonst sich ganz selbst überlassen, und sie haben
deshalb noch jetzt eine Abneigung gegen fest geordnete Einrichtungen,
da sie erst lernen müssen, dass in gesetzlicher Beschränkung
die beste Garantie zur Freiheit liegt, und ihnen als Ersatz
den sicheren Schutz gegen willkürliche Bedrückungen giebt,
denen sie früher seitens der aus Ava geschickten Beamten nach
Belieben ausgesetzt waren.
Da Moung Schweh, der unerwartet auf dem Markte Sehwe-
gyin’s seinen Bruder getroffen hatte, den Capitain eines Flusskahnes,
mit demselben nach Rangun zum Besuche zurückzukehren
wünschte, so avancirte ich den Koch zum Secretair, was seiner
früheren Stellung als Advocat besser, entsprach. Für die erledigte
Stelle meldeten sich verschiedene Aspiranten, doch schien keiner
besonders passend. Einer derselben, ein birmanischer Kaufmann,
der sich dreimal ein grosses Vermögen iü den Teakwaldungen
erworben und es jedesmal in Molmein verjubelt und verspielt
hatte, konnte mir bei Gelegenheit seiner wiederholten. Anfragen
einige Mittheilungen über Manipur machen, das er auf
seinen Reisen besucht hatte. Doch war der Schatz seiner Beobachtungen
bald erschöpft.
In der damaligen Jahreszeit blieb mir bis Molmein nur der
Wasserweg. Ich hatte bis zur Stadt Sittang dem gleichnamigen
Fluss zu folgen und dann quer über Felder und Wälder nach
dem Salwehn zu schiffen, weil das ganze Land im Wasser stand.
Da auf dieser weiten Wasserfläche nur ein des Weges wohl Kundiger
sich zurechtzufinden vermag, hatte ich den Sitkay um einen
erfahrenen Bootführer ersucht, und derselbe schickte auch ein
Individuum, das seinem alten u n d verwitterten Aussehen nach
die Reise schon während eines Menschenalters jedes Jahr unternommen
haben mochte. Ich dachte so mir einen im Seewesen
ergrauten Capitain erobert zu haben, und empfahl meinem Secretair,
mit dem zusammen er ein Haus bewohnte,^ ihn wohl zu
pflegen und warm zu halten,. damit er später für die Reise recht
frisch und gesund sei. Da ich mich Stets bei Capitain Watson
aufhielt, sah ich-Nichts weiter von ihm, bis zum Tage der Abreise.
Ein Polizeiboot hatte Depeschen nach Sittang zu bringen und man
erlaubte mir gerne die Mitfahrt, da ich so rascher an Ort und Stelle
anlangen würde. Mein eigenes Boot sollte dann durch meine
Leute nachgebracht werden. Während wir die Sachen zusammenpackten
und ordneten, erkundigte ich mich nach der Vergangenheit
meinesCapitains und erfuhr dann erst, etwas zu meiner
Ueberraschung, dass er weiter nichts als ein Schauspieler sei.
Er schien zu einer Theatergesellschaft gehört zu haben, die
in Schwegyin schlechte Geschäfte gemacht hatte, und deren Reste
der Sitkay möglichst loszuwerden suchte, damit sie seine Armenkasse
nicht belästigten. Da indess in Birma’, wie in Russland,
Jeder Alles sein kann, wenn er muss, so schien es ihm auch
wahrscheinlich ganz natürlich, einen Schauspieler zum Lothsen
zu empfehlen, da diese Vagabonden bei ihrem herumwandernden
Leben das Land am besten kennen lernen. Um mich für meine
Enttäuschung zu trösten, liess ich mir die verschiedenen Buhnen-
Charäctere.. vortanzen, von denen ihm der des Belu oder Ogre
besonders glückte. Er gab mir auch einige Bruchstücke der ihm
erinnerlichen Dialoge, wie der folgende:
„ Heda, Belu, duUngeheuer da, mit deinen weissenZähnen, lang
hervorsteckend, hör’ auf meine Worte! Hierauf diesem Erdenkreis
ist unser König, der Eigner von Kleinodien und kostbaren Schätzen,
der höchste Gegenstand der Verehrung. Er gebietet dem Löwen,
wie der Fliege, d i e Erde zittert vor seinem Befehl. Zu ihm strömen
Bäche des Goldes in Reichthümern unerschöpflich, der Ruhm seines
Namens durchweht die Weiten der Welt. Sollte er seinen Arm
gegen dich erheben, weh dir. Es wäre geschehen um dich, vorbei
mit deinem Leben. Doch wenn du dich fein still und mhig