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 einen  freien Willen,  sondern  kennt nur das Belieben  der Majestät.  
 Der  König  glaubte  einen  fremdländischen  Gelehrten  gefangen  
 zu haben,  den  er jetzt  auf jede Weise nutzbar zu machen  hoffte.  
 Schon  in  den  ersten Tagen meines Einzuges  in  den Palast wurde  
 mir von  einem  der Armenier  erzählt,  dass  er  sich  im  Staatsrath  
 gerühmt habe, jetzt  wie  andere Könige  zu  seih  und  einen wirklichen  
 Leibarzt  zu  besitzen.  Hätte  es  sich  nicht um  die Zeit gehandelt, 
   so wäre es mir darauf auch nicht angekommen,  denn durch  
 medicinische Praxis  kommt  man  am  Besten  mit  den Leuten  in  
 Berührung,  und hätte ich im Palaste  selbst die  schönsten Gelegenheiten  
 für  ethnologische Beobachtungen  gehabt.  Das  ganz  brach  
 liegende Feld  der Literatur  verlangte  indessen  neben-den  religiösen  
 Schriften  so  sehr meine  ungetheilte Tliätigkeit,  dass  sich  
 Beides  nicht würde haben vereinbaren  lassen.  Ich  habe  in  Indien  
 tagelang von  Sonnenaufgang  bis  in  die Nacht,  für Wochen  und  
 Monate  ebenso  unbeschadet wie  in Europa fortarbeiten,  und  dann  
 wieder  eine  gleiche  Zeit  in  ununterbrochener  Bewegung  sein  
 können,  aber  jedes  zu  seiner  Zeit.  Nachdem  man  sich  einige  
 Stunden  des  Tages  der  heissen  Tropensonne  ausgesetzt  hat,  
 würde  angestrengte  Geistesthätigkeit  nachher  bedenklich  sein.  
 Auch war ich wegen  der Medicinen  in Verlegenheit.  Vielleicht  
 hätte  ich  durch  Specialaufträge  an  einen  befreundeten  Arzt  in  
 Bangun mir brauchbare verschaffen können,  aber  es war nur  ein  
 Vielleicht,  da  sein  Vorrath  möglicherweise  keine  Abgabe  erlaubte. 
   Zweifelhafte Hoffnungen  durften bei  den Birmanen  nicht  
 geweckt werden,  da  sie  spätere Entschuldigungen  nicht verstanden  
 haben würden,  denn  ihre Erwartungen waren  schon  ohnedem  
 so sanguinisch,  dass man nicht genug kaltes Wasser darauf schütten  
 konnte.  Ich  blieb  also  einfach  bei  meinem Charakter  des  unpraktischen  
 Buchgelehrten,  und  obwohl  die Birmanen,  wie  alle  
 Buddhisten,  einem  solchen  hohe  Bewunderung  zollen  und  die  
 europäische Weisheit*)  in meiner Wenigkeit  in Prosa und Versen 
 *)  Das  Niti-kyam  ist  voll_vom  Lobe  der Weisheit:  Der Frauen  Schönheit  
 und  des  Zuckerrohrs  Süsse  bringen  Ueberfüllung,  doch  die Worte  der Weisheit  
 sättigen  nie.  Der Faule  wird  nie Gelehrsamkeit  erwerben.  Jemand  mag 
 vielfach  gefeiert haben, war ihnen  meine Beschäftigung mit dem  
 Abhidhamma,  ohne  zugleich  in  den Mönchsstand  zu  treten,  doch  
 immer  etwas  unverständlich,  und vermutlieten  sie  im Grunde  dahinter  
 nur  einen  der Schliche  der verschlagenen Barbaren,  gegen  
 die man  sich  nicht genugsam  durch Vorsichtsmassregeln schützen  
 könnte.  Ich  brachte  allerdings  vielfach  die  Unterhaltung  auf  
 dieses Thema und  obwohl  es mir meistens  gelang, meine Zuhörer  
 an  meine  Anschauungsweise  darüber  zu  gewöhnen,  so  beschränkten  
 sich meine Bekehrungen  doch  nur  auf untergeordnete  
 Regionen,  und die höchste Behörde blieb,  wie schon bemerkt, denselben  
 unzugänglich. 
 Wegen  dieser  argwöhnischen Stimmung hatte  ich  auch  vielfache  
 Schwierigkeiten,  die wiinschenswerthen Bücher,  besonders  
 solche  geschichtlichen Inhalts,  aufzutreiben,  und während ich  gehofft  
 hatte,  bei  meinem Einzug in  den Palast  zu der  eigentlichen  
 Quelle  durchgedrungen  zu  sein,  sah  ich  mich  darin  bald  enttäuscht. 
   Man versprach Alles,  aber hielt Nichts.  Gleich  in  den  
 ersten Tagen  meiner Ankunft  sprach  der Prinz von  einer bändereichen  
 und wie  er beifügte,  höchst interessant geschriebenen Geschichte  
 der Talein,  die  er mir  zu meiner unbedingten Benutzung  
 in’s Haus schicken wollte,  aber obwohl  ich,  um mir einen  so  leckeren  
 Bissen  nicht entgehen zu lassen,  unhöflich  genug war,  ihn  fast 
 Reichthum,  Schönheit,  Rang  upd  Jugend  besitzen,  doch  ohne Kenntnisse  ist  er  
 nur  eine  hübsche  Blume  ohne Duft.  Die  Sonne  mag  auch im Westen  aufgehen,  
 der Gipfel  des Meru  mag wie  ein Bogen  gekrümmt werden,  die Höllenfeuer  mögen  
 erlöschen  und  die  Lotosblume mag  eher  auf Bergesspitzen  spriessen,  aber  die  
 Worte  der Wahrheit und Weisheit  sind  unverändert  dieselben.  Der  Blumen  Duft  
 ist  erfrischend,  erfrischender ist  das. Licht  des kühlen Mondes,  aber  die  höchste  
 Erfrischung  bringen  die Worte  der Weisheit.  Beweise  dich  dankbar  gegen  die  
 Kenntnisse,  die  dir  aus  Schwierigkeiten  geholfen  haben.  Der  Reichthum  des  
 Weisen  gleicht  einer Quelle,  einem  nie  versiegenden  Born,  der,  ob  du  auch  
 stets  daraus  schöpfest,  sich  doch  stets  auf’s Neue  füllt.  Vor  den  Gelehrten  verneigen  
 sich  die  Unwissenden.  Von  diesem  Niti-kyam  (Nidi  oder  Rhvae-uhl  
 giebt  es  drei Arten  Sprichwortsammlungen :  die Dhamma-nidi,  Lauka-nidi  und  
 Raca-nidi.  Buddha’s  Predigt  im  Kloster  Zedawon  beginnt  die  38  Belehrungs-  
 Punkte  mit  der  Ermahnung,  die  Gesellschaft  der Thoren  zu  meiden  und  stets  
 mit den Weisen  zu  verkehren.