keit einer Einsiedelei nur der Vorbereitung auf die nahende Auflösung
im Existenz-Wechsel zu leben. Sein bekümmerter Vater
entfaltet vor ihm die Schätze des Königreiches, jeder seiner
Launen soll genügt werden, allen Wünschen wird augenblickliche
Erfüllung versprochen. „Ich habe nur vier Wünsche,“ er-
wiedert der Prinz. „(lieb mir ewige Jugend, gieb mir Sicherheit
gegen Krankheiten, gieb mir ungetrübtes Glück und ein Mittel
gegen den Tod.“ Verächtlich stösst er den nichtigen Tand weltlicher
Lust und Vergnügungen von sich, den hohlen Pomp, der
ihm nicht die Jugendkraft bewahren, der ihn nicht gegen körperliche
Leiden sichern kann, der jeden Augenblick im Hereinbruche
des Unglücks Zusammenstürzen mag und den er immer einst für
das dunkle Grab zurüeklassen muss. Die reizendsten Formen der
Tänzerinnen und Bajaderen umgeben ihn in reich geschmückter
Halle, aber er sieht in ihnen nur Behälter des Koths und Unraths,
in ihren üppigen Formen nur die modernden Knochen, die bald
allein davon übrig sein werden, und infieberiseherHast, die kurze
Spanne Lebens zu seiner ewigen Kettung zu benutzen, verlässt
er sein jugendliches Gemahl, und zum letzten Male sein feuriges
Schlachtross besteigend, setzt er über die Mauern des Palastes
und flieht hinweg in die Wildniss der Wälder, um dort in seinem
Geiste das Gesetz des Nirwana reifen zu lassen, das seinen Mitgeschöpfen
den Weg der Erlösung beleuchten soll. Buddha ist
der sich zur Gottheit vervollkommnende Mensch, und steht somit
auf einer dem mikrokosmischen Auge verständlichen Basis, während
die Offenbarungsreligionen gleich in ihrem Anfänge mit dem
unbegreifbaren Wunder eines zur Erde niedergestiegenen Gottes
beginnen.
In religiösen Erörterungen zeigen sich die buddhistischen
Mönche bei aufgeworfenen Streitfragen wohl bewandert und die
besser unterrichteten haben ihr Terrain genau genug recognoscirt,
um die Vorth eile ihrer Stellung zu benutzen. Sie stützen sich auf
ihre heiligen Schriften, deren Aufbewahrung und Niederschreibung
sie von dem Augenblick des Nirwana an durch die verschiedenen
Concilien oder die Reihe der Patriarchen auf Tag und
Stunde nachweisen können, und obwohl ihre Gewährsmänner die
Schärfe einer tübingischen Kritik nicht ertragen würden, so liefern
sie bei mündlichen Disputationen doch ganz ausreichende
Argumente. Im Uebrigen sind sie, mit wenigen Ausnahmen,
durchaus frei von jeder Anwandlung von Intoleranz, und der
zelotische Eifer der Bekehrungsversucher ist ihnen ganz unverständlich.
Sie meinen nicht mit skeptischem Hohne, dass Jeder nach
seiner Façon selig werden möchte, sie suchen imGegentheil eifrig
nach neuer Wahrheit und Aufklärung, aber bei den dunkeln Geheimnissen,
die das Menschenleben von seinem Anfänge bis zu seinem
Ende einhüllen, scheint es ihnen anmassend und unberechtigt, wenn
ihr Gegner seine individuelle Ansicht mit apodictischer Gewissheit
als die allein richtige und alleinrettende aufstellen will, zumal
sich solche, in nur zu manchen Fällen, auf noch morscheren
Stützen ruhend zeigt, als ihre eigene. Ihr phantastisch zusammengestelltes
Weltgebäude bildet keinen nothwendig integrirenden
Theil ihres Dogma, es ersetzt bei ihnen nur den Mangel eines kosmischen
Systems, die Stelle eines pythagoräischen Sphärentanzes
oder der Epicyklen des Ptolemäus vertretend, und sie können ihren
Berg Meru mit allen Himmeln darauf und daran ebenso unbeschadet
fallen lassen, wie der Papst die in der Bibel bewegte
Sonne hat stille stehen lassen müssen und doch Papst geblieben
ist, oder wie sich ohne Einbruch des apokalyptischen Jerusalem’s
das Firmament mit seinen feurigen Prophetenwagen in die Bläue
des Lichtäthers aufgelöst hat. In der Grundlehre ihrer Religion
stehen sie auf dem Boden des factischen Sachverhaltes.
Sie bedürfen keiner hirnverrückenden Erbsünde, die eine künstliche
Krankheit schafft, um nachher die Nothwendigkeit der heilenden
Medicin zu beweisen. Sie berufen sich auf den wirklichen That-
bestand, auf das Elend und Leiden, das unausbleiblich mit der
Körpernatur als solcher verknüpft ist. Kein Glück ist ungetrübt,
kein Ding hat Bestand und bei der kurzen Spanne der Zeit, die
im Sturme des Augenblicks dahinfliegt, würde es thöricht und unverständig
sein, an den Gütern dieser Welt zu kleben, die unter
den Händen in Staub zerbröckeln, statt den Geist auf seine Erlösung
vorzubereiten, wo er, über jede Furcht neuen Wechsels
erhaben, in dem Gleichgewicht harmonischer Erfüllung ruht.
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