nischen Alphabets hatte quälen wollen, so sagte ich meinem
Studiosus, dass mechanisches Memoriren von Recepten nur zu
gefährlichen Missgriffen in der Praxis fuhren würde, und dass
die Wissenschaft europäischer Medicin gründlich erlernt werden
müsse, um eine sichere Basis zu legen So liess ich ihn erst
einige Wochen Collegienhefte vollschreiben Uber Sauerstoff,
Wasserstoff, Kohlenstoff und Stickstoff, über die elektrische
Spannungsreihe der Alkalien und Säuren, sowie die Krystalli-
sationsgesetze der Salze nebst ändern chemischen Theorieen, die,
wie ich mitunter hörte, in den königlichen Audienzen vorgelegt
wurden und den gelehrten Beisitzern Gelegenheit zu Discussionen
gaben. Ob sie gerade tief eingedrungen sind, weiss ich nicht,
aber Missverständnisse konnten hier wenigstens keinen Schaden
anrichten.
Mein Zögling, der aus der jesuitischen Schule des Vaters
Abbona hervorgegangen war, suchte gern seine Lehrstunden zum
Aushorchen und Herumspioniren zu benutzen, doch erlaubte ich
keine vielen Abschweifungen, da dem Befehle des Königs gehorcht
und der zur Schule Beorderte unterrichtet werden musste.
Indess liess ich mir zuweilen aus seiner Praxis erzählen und
hörte so von den Contracten, die seine birmanischen Collegen mit
den Kranken machen, und ihren Diätvorschriften, indem sie in
Fiebern Schweinefleisch als das dem Kranken zuträglichste
Nahrungsmittel empfehlen. Wenn der Kranke bestimmte Buchstaben
nicht aussprechen kann, so lässt sich daraus berechnen,
nach welcher Anzahl von Tagen er sterben wird. Das Lekka-
nathayhyodzaykyam enthält eine medicinische Encyklopädie.
Die Mietnaphon oder aphrodisiakischen Liebesmedicinen sollen
vielfach ein Geheimniss der Pungyi sein, die sie präpariren und
verkaufen. Eine beliebte Medicin ist das Massiren oder Kneten,
das richtig angewandt, allerdings in manchen Leiden Erleichterung
schafft und bei Blutstockungen die Circulation in der Haut
neu belebt. Die sehr gewöhnliche Krätze wird dem Genuss von
Fischen zugeschrieben. Krankheiten werden veranlasst durch
den Ueberschuss eines der vier Elemente, durch den Mangel desselben
oder sein gänzliches Fehlen.
Die Birmanen sind sehr ungeduldige Patienten und rufen
gewöhnlich jeden zweiten oder dritten Tag einen ändern Heil-
künstler, bis die Krankheit auf die eine oder andere Weise ihr
Ende gefunden hat, wo dann im glücklichen Falle der zuletzt gerufene
Arzt allen Credit bekommt und nichts zu thun hat, als den
Ruhm eines -glücklichen Ausgangs einzustreichen, wie Moliöre’s
Don Juan meint. Bei Erfolglosigkeit der Medicinen. bleibt dei
Ausweg, die Krankheit dämonischem Eiufktss oder der Behexung
durch ein in den Körper hineinprakticirtes Apin (d. h. ein Stück
rohes Fleisch, mit einem Convolut von Knochen und Sehnen in Haut
aufgewickelt) zuzuschreiben, was sich später beim Verbiennen
der Leiche finden wird. Wenn ein Kranker nicht mehr isst, so
ist die Prognosis fatal und die Verwandten suchen auf alle Weise
bis zum letzten Augenblick Nahrung einzunudeln, um Leib und
Seele zusammenzuhalten. Frauen werden nach dem Kindbette,
wie in Siam, dem Feuer ausgesetzt. Die birmanischen Aerzte
theilen sich besonders in zwei Schulen, in die der Dath (Elemente)
und die der Dsay (Medicinen), von denen die ersteren nur die Diät
reguliren, die Letzteren dagegen allopathische Dosen sehr
componirter Recepte geben. Beiden bleibt nachher der Recurs
zu magischen Künsten. Wenn der Arzt den eingegangenen Con-
tract nicht erfüllt, wird er verantwortlich gemacht und er schiebt
deshalb gern den Gott*) vor. Im himmlischen Reiche erzählte
indess Le Eomte von einem Chinesen, der das Götzenbild ver*)
Tnrpin bemei'kt von don Araeanesen: Les prêtres nommés Eaulins sont
appelés auprès des malades,. Ils soufflent sur eux en prononçant de mots mystérieux.
On offre au dieu de quatre vents un sacrifice. Quand le mal est opiniâtre,
leur fourberie féconde inspire à la femme ou aux enfants ou à quelqn’ un de pa-
rens un remède bizarre, dont les Eaulins profitent. On dresse un autel, ou l’on
place une idole dans une chambre richement meublée, où les prêtres et les parens
s’assemblent pour participer à un grand festin. Celui qui préside à la cérémonie
danse et s’agite jusqu’à ce que les forces lui manquent. Alors on attache une
corde au plancher, qu’il prend pour se soutenir et pour bondir avec plus de violence,
jusqu’à ce qu’il tombe dans une espèce d’anéantissement, que l’on prend pour une
ivresse divine. Chacun semble envier son sort, parce qu’on est persuadé, qu’il
s’entretient avec l’idole.