Von Prome nach Thayetmyo.
Am nächsten Morgen suchte ich Major Brown, den Deputy-
Commissioner, auf und erhielt von ihm ein leöres Hausneben dem
seinigen für mich und meine Leute eingeräumt. Nach einem
durch angenehme Gespräche gewürzten Frühstück mit dem Major
und seiner jungen Frau Gemahlin, wanderte ich umher, um das
altberühmte Prome zu betrachten, das unter dem Namen Tiji-
kittya eine so bedeutungsvolle Rolle in der birmanischen Geschichte
spielt. Die Stadt liegt äusserst malerisch am Flusse
in einer fiuchtbaren Thalfläche, die sich mit der goldschimmernden
Pagode Schwesandoh an dunkelbewaldete Hügel lehnt.
Nach dem Ersteigen dieser gelangt man auf ein Tafelland, das
vor dem Anschwemmen der alluvialischen Ebene der Sitz alter
Städte gewesen zu sein scheint. Bei Aufgrabungen soll man dort
auf alte Anker gestossen sein und Major Brown bemerkte mir,
dass sich noch deutlich das alte Bette des Flusses erkennen liesse’
der später seinen Lauf verändert haben müsse *).
Breite Strassen, reinlich mit Kies belegt, führten mich zu
der grossen Pagode, die von Löwen-Sphinxen bewacht, auf einer
hohen Platform steht, zu der man auf Stein treppen und durch
verdeckte Gänge emporsteigt. Der Hof war mit einer Mannigfaltigkeit
von Kiosks, Pavillons und Kapellen gefüllt, alle Arten
*) Auch Phayre sa g t: Great changes no doubt have occured in the course
of the Irawaddy river, probably within the historical period, about Prome. The
rocks around Prome contain large deposits of marine shells.
Schwesandoh. 3d
von Statuen einschliessend, die meistens zu Ehren des Festtages
in nagelneue Gewänder eines hellscheinenden Gelbe’s gekleidet
waren. Die Opfergaben von Reis waren vor ihnen in mannshohen
Haufen aufgeschüttet und verbesserten natürlich nicht die Atmosphäre
, da der unterste, der seit mehreren Tagen dort lag, schon
vermodert war, während man oben immer frisch nachschüttete.
Im Hofe und der Gallerie ging man über einen Teppich korbweis
umhergestreuter Blumen, frische und verwelkte. Die kolossalen
Figuren Gautama’s sind aus Backsteinen aufgebaut, die später
mit Kalk und Stucco bedeckt werden, um dann auf schwarzem
Firniss die Blättchen der dünnen Vergoldung aufzukleben. Zuweilen
sieht man diese Figuren pechschwarz, wenn sie eben für
die Vergoldung vörgerichtet sind,' und da dem frommen Erbauer
zuweilen für diese letzte und kostbarste Vollendung das Geld
ausgeht, so mögen sie auch immer so bleiben. Hier hatte ich
Gelegenheit, eine Figur in einem noch frühen Stadium der Arbeit
zu sehen, und fand, dass die erste Anlage in den Backsteinen
nur den Grundtypus der Pagode selbst darstellt, dem erst später
diejenigen Merkmale zugefügt werden, wodurch sie zum gleichfalls
Pagode genannten Gott der Pagode wird. Das Modell eines
heiligen Fusstapfens fehlte auch hier nicht, wie man ein solches
überhaupt fast in jedem Tempel von einigen Prätensionen findet,
gewöhnlich mit einer Glocke daneben, damit der Opferer durch
Anschlägen Nachricht geben kann. An einem der Neben-Eingänge
bemerkte ich zwei weibliche Figuren, die Eine sitzend mit
einem Kinde, die Andere tanzend neben einem Zwerge. Die
Figuren Gautama’s mit freistehendem Daumen haben oft
einen, Kleinod genannten, Stein zur Stütze zwischen gefügt.
Von dem hochgelegenen Hof der Pagode schaut man Uber
die Stadt hinweg auf den breiten Strom, der am ändern Ufer
den Fuss mit Wald bedeckter Gebirge badet. Seitlich blickt man
nieder in ein eng eingezwängtes Thal, das, ganz mit Klöstern
gefüllt, sich hinter dem grossen Tempel umherwindet, und durch
einen Kreis mit Pagoden gekrönter Hügel umkränzt wird. In
der Nähe der Pagode liegen Steine mitantiquirtenPali-Inschriften,
die mein Begleiter Kyoutsa nannte und für unverständlicherklärte.
Bastian, Ostasien. II . o