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 die  die Damen  des  Harems  zu besuchen  pflegte,  hatte  davon  gesprochen, 
   und wie es  unter  solchen Leuten  zu^gehen pflegt,  war  
 eine  erfolglos  gebliebene Consultation  durch  das Gerede  zu  der  
 völlig  gelungenen  Cur  eines  vorher  als  unheilbar  betrachteten  
 Kranken  angewachsen.  Von  dem  hohen  Rufe,  in  dem  meine  
 ärztlichen Kenntnisse  standen,  wusste  ich  nichts  und  hatte  auch  
 die Frage  des Königs Uber Ohrenmedicin  schon wieder vergessen,  
 weil  er  sich  ebenso  nach  Medicinen  aller  möglichen  sonstigen  
 Leiden, heilbaren oder unheilbaren, erkundigt hatte.  Nach  einiger  
 Zeit kamen mir mehrfach Patienten, die wegen Taubheit  befragten,  
 ohne  dass  ich weiter Arg daraus  hatte.  Auch  der Prinz  brachte  
 eines Tages Klagen  über Schwerhörigkeit,  wiederholte  dieselben  
 aber nicht,  da ich  ihn  etwas  gegen  die Etikette am Ohre gefasst  
 und hineingesehen “hatte.  Statt dessen  suchte  er nach Substituten  
 und  liess mich  einige Tage  später rufen,  als  zwei  alte Herren  bei  
 ihm  sassen,  die  beide  ziemlich  taub waren.  Obwohl  ich  schon  
 vielfach  erklärt hatte,  mich  auf ärztliche  Behandlungen  in  keiner  
 Weise  einlassen  zu wollen,  konnte  ich  es dem Prinzen  doch  nicht  
 versagen,  seinen  Freunden,  die  ihn  um  sein  Fürwort  gebeten  
 hätten,  einigen Rath  zu  ertheilen.  Ich  liess  eine  Spritze  bringen,  
 um  die  Ohren  mit  Wasser  zu  reinigen, . und  verordnete  dann  
 einige Blutegel im Nacken.  Der Prinz  hatte  den Kranken  gesagt,  
 nach  einigen Tagen  zurückzukommen,  und  als  der Eine  zur bestimmten  
 Zeit  wiedererschien,  da  war  ein  neues  Wunder  geschehen, 
   und ich wurde  rasch  herbeigerufen,  um meinen Triumph  
 zu  feiern.  Der mich  freudig  empfangende Greis  pries meine Geschicklichkeit  
 und  erhob  sie  bis  in  den Himmel.  Schon  die  eingespritzte  
 Medicin  (nämlich  aqua fontana)  habe  einen  herrlichen  
 Effect gehabt,  aber nach  den Blutegeln  sei jeder Rest der Krankheit  
 verschwunden  und  er  höre  jetzt  so  gut  als  jemals  zuvor.  
 Als  ich  ihn  untersuchte,  waren  keine Blutegelstiche  zu  sehen,  
 und  ich wollte den freundlichen  alten Mann, der mich nach Hause  
 begleitete  und mir  aus  seiner Belesenheit  viele  interessante Mittheilungen  
 machte,  auch  nicht länger mit  diesem Mittel  quälen,  
 vor  dem  die  blutscheuen  Birmanen  einen  grossen  Gegenwillen 
 haben.  Im Uebrigen  merkte man  aus  seinen  beständigen Missverständnissen, 
   dass  keine  grosse Veränderung  eingetreten war,  
 aber er hatte dem Prinzen, um seinen ferneren Experimenten zu entgehen, 
  seine völlige Heilung versichert. Würde fernerhin nicht mehr  
 die  richtige Ohrenmedicin  dispensirt Werden, so  konnte  nur böser  
 Wille  die Schuld  sein.  Weil  ich jedoch  von verschiedenen Arten  
 solcher Medicin gesprochen und nicht immer dieselbe Verfahrungs-  
 weise  angerathen,  daehte man  noch  vorher  alle  auszuprobiren,  
 denn  im Hintergründe  standen  einige vornehme Persönlichkeiten  
 des Palastes, die geheilt zu werden wünschten, und auf die alle diese  
 Umwege, zurückführen  sollten.  Auch  davon wusste  ich  natürlich  
 damals  noch  nichts,  und  hatte  nach  der  letzten  Cur  gehofft,  
 endlich  Ruhe  zu  finden.  Aber  gerade  im  Gegentheil;  täglich  
 kamen jetzt Applicanten, meistens  Soldaten,  die  auf höheren Befehl  
 erschienen,  und man musste  alle Tauben  und Schwerhörigen  
 im  ganzen Palast zusammengesucht haben, um  mich mit  so vielen  
 zu  überlaufen.  Ich  liess  mich  auf Nichts  ein  und gab Niemanden  
 Medicin.  Um  sie  los  zu werden,  sagte  ich  ihnen,  die Ohren  rein  
 zu halten j  Fussbäder  oder  sonst Etwas  zu nehmen  und  schickte  
 sie  fort.  Eines  Morgens  wieder  kam  ein  heller  Haufe  Kriegsleute  
 angerannt,  der  einen  halbblödsinnigen  Tauben  zwischen  
 sich  schleppte  und  ihn mir vor  die  Füsse  warf  mit den Worten:  
 „da  ist  wieder  Einer,  der  geheilt werden  soll,  auf des Königs  
 Befehl.“  Es  wurde  mir  jetzt zu  toll  und  ich  dachte  ihnen  endlich  
 Ohrenmedicin  genug  zu geben.  Ich verordnete zwei Blasenpflaster  
 im Nacken,  zwei  auf den Rücken  und zwei  auf die Füsse,  
 und  damit  für  eine Woche  jeden  ändern Tag fortzufahren.  Die  
 Soldaten machten kehrt und marschirten mit der Präscription ab,  
 werden  sie  j edoch nicht ausgeführt haben,  da die Blasenpflaster  
 in  der königlichen Apotheke  erschöpft schienen  und man wiederkam, 
   um  von  mir  zu  holen,  aber  Nichts  erhielt.  Der  Prinz  
 sprach bald darauf etwas kleinlaut bei mir vor und  spielte  darauf  
 an,  ob  die  letzte Art  der Ohrenmedicin  häufig  applicirt  würde,  
 und  sich  in  besonderen  Fällen  nicht  umgehen  liesse.  Indess  
 schien man sich jetzt überzeugt zu haben, dass mit diesen Probeversuchen  
 nicht viel gewonnen  sei,  und bei  der nächsten Audienz 
 Bastian, Ostasien.  I I .  ^  ¿