birten, und bei unserer Ankunft ihr harmonisches Concert erst
recht laut ertönen Hessen. An der Wand lehnte eine Reihe der
grossen schwarzen Tafeln, auf denen sie ihre ersten kalligraphischen
Versuche einiiben. Ein schwarzer Kasten in der Schulstube
war mit Bilderscenen aus Buddha’s Leben bemalt: wie er
mit seinem fürstlichen Gefolge fortzieht, wie er dem Alten und
Kranken begegnet, und wie er an unverdaulichem Schweinefleisch
stirbt. Die Schuljugend stammte aus dem nahegelegenen
Dorfe, wo wir eine weite Wilderniss eingezäunt fanden und zu
unserem Erstaunen hörten, dass das einen Garten vorstelle. In
einer kleinen Separathecke, deren Viereck eher auf einen solchen
Namen Anspruch machen konnte, blühte die rothe Blume,
Bodidharma genannt , die aus dem Blute des Gottes aufgesprosst
sein soll. Durch das Essen ihres Samens wurde die erste Sünde
begangen. Das Dorf zeigte viel Betriebsamkeit, und die Bauern
waren alle mit ihren Kühen und Büffeln oder mit Weben beschäftigt.
Das letzte Haus des Dorfes, ein wenig abseits (wie im
Mittelalter das des Schinders) war das Haus des Tattuers, der
zu gleicher Zeit kabbalistische Künste verstehen muss, da er
seine Patienten dagegen zu beschützen hat. Die Birmanen
kennen zwei Arten der Tättowirung, die schwarze und die rothe.
Die schwarze, deren sich Jeder unterziehen muss, ist jetzt ein so
gewöhnlicher Gegenstand geworden, dass sich Niemand mehr
etwas dabei denkt und sie nur als Modesache betrachtet. Die
rothe dagegen ritzt magische Figuren in die Haut der Arme und
der Brust, da die Beine schon schwarz öccupirt sind, um Krankheiten
und andere Anfechtungen abzu wehren. Ein alter Mann, an
dem gerade operirt wurde, erhielt Quadrate, deren Felder durch
verschiedene Charaktere ausgefüllt waren, auf die rechte Brust
gesetzt, um fortan kugelfest zu sein. Diese werthvollen Talismane
sind natürlich schwer im Preis zu schätzen und werden je nach
dem Liebhaber bezahlt. Für die vulgäre schwarze Tättowirung
ist aber eine bestimmte Taxe festgesetzt; der Künstler sagte mir,
dass er sich zwei Rupien pro Fuss bezahlen Hesse, so dass der
ganze Mensch (d. h. in seiner unteren Hälfte) ungefähr auf fünf
Rupien zu stehen komme. Ein anderes Verschönerungsmittel der
Birmanen ist das Schwarzfärben der Zähne , zu welchem Zweck
sie mit Citronensäure eingerieben und dann mit einer Kohlenmischung
belegt werden.
Wir kamen erst am Nachmittage zum Boote zurück und fuhren
dann weiter, bis wir durch die Nacht in der Nähe einiger Fischerhütten
überrascht wurden. Das Fischen ist ein bedenkliches Geschäft
für den Buddhisten, und ich habe besonders in den Tempelgebäuden
Siams mit grellen Farben die Strafe abgebildet gesehen,
die des Fischers nach dem Tode harret. Der arme Schlucker baumelt
mit der Zunge an einem Angelhaken, womit ihn höhnische
Dämonen zum Spiel aus einem Pechpfuhl auffischen und wieder
hineinfallen lassen. Diese erbarmungslose Strafe sieht der bedauernswürdige
Sünder*) vor sich, und da er doch einmal, um
nicht mit seiner Familie zu verhungern, sein Geschäft forttreiben
muss, sucht er wo möglich durch eine Hinterthür zu entschlüpfen.
Die Lieblingsspeise der Birmanen ist das Ngapie, dieser' entsetzliche
Schrecken europäischer Nasen, den alle fliehen, dem aber
noch keine entgangen ist. Ueber ganz Birma lagert eine verpestete
Atmosphäre und ich bin mitten auf der freien Wasserwildniss des
Irawaddi für Stunden nicht aus ihrem Bereich herausgekojnmen,
wenn gerade ein mit Ngapie beladenes Schiff im Winde lag.
Diese Delicatesse wird bereitet, indem Fische in die Erde vergraben
und im haut gout fauliger Verwesung mit ranziger Butter
eingemacht werden. Wie man von dem Käse unserer Feinschmecker
erzählt, dass er, wenn beim Dessert die Glasglocke
weggenommen wird, auseinanderläuft und gejagt werden muss,
so berichten die Birmanen die Elephantengeschichte, dass einst
ein mit Ngapie beladenes Schiff von den darin erzeugten Würmern
fortgeschleppt worden ist, auf Nimmerwiedersehen. Die
Verfertigung des Ngapie nun ist es, wofür die Fischer hauptsächlich
massenhaften Absatz ihres Ertrags finden, und da es bei dem
*) Nach den Lehren der Manichäer (bei Tyrbon) gehen die Seelen der
Ackerbauer in Kräuter über, in Getreide und Gemüse, damit sie ihrerseits gemäht
und abgeschnitten werden. Die Brodbäcker werden zu Brod werden und selbst
gegessen werden. Wer ein Huhn tödtet, wird selbst zum Huhn, wer eine Ratte
todtet, zur Ratte. Wer ein Haus baut, dessen Seele wird zerrissen werden.'