die Luft nur eine Temperatur von 3° R. Viel weniger
war das Wasser der Wolga erkaltet, es hatte
noch eine Temperatur von 7 °,5, und bewirkte durch
Erwärmung der über ihm stehenden Luftschicht eine
Luftspiegelung, die so ausgezeichnet war, wie wir
sie nur mitten im Sommer in den Steppen des Altai
gesehen hatten. Die höhern Gegenstände des gegenr
überliegenden Ufers schienen uns dadurch gehoben
und nach unten zu verkehrtj wie wenn sich ein Gegenstand
im Wasser spiegelt. Wir fuhren bei mehren
mit Pappeln und Weiden besetzten Inseln vorüber
und hielten endlich in ziemlicher Entfernung vom jenseitigen
Ufer still, denn bis zum Ufer selbst konnten
wir in dem Boote, wegen der Seichtigkeit des Wassers
an dem Landungsplätze nicht gelangen. Die
Kalmücken, unsere Ruderer sprangen daher ins Wass
e r , und trugen uns, je zwei einen Sessel mit ihren
Händen bildend, ans Ufer. Hier erwartete unserer
schon eine vierspännige und eine zweispännige Kutsche,
sowie eine Menge Reit-Pferde, die uns Fürst
S e r e d -D s c h a b entgegen geschickt hatte, in der
Meinung, dass Herr v on Humbol d t in einem viel
grösseren Gefolge CT CT ankommen würde.
Tumeniewka, die Residenz des Fürsten, liegt von
unserem Landungsplätze noch 12 Werste weiter aufwärts
an der Wolga. Sie hat schon ziemlich das
Ansehen eines russischen Dorfes und besteht aus einer
Menge unregelmässig stehender hölzerner Häuser
und Kibitken, über welchen allen das hölzerne Schloss
des Fürsten hervorragt, ein etwa 30 Schritt langes
Gebäude von 2 Stockwerken, dessen zweites Stockwerk
gegen das untere etwas zurücktritt, und hier
mit einem Geländer umgeben, in der Mitte aber mit
einer gläsernen Kuppel versehen ist. Die umgebenden
Kibitken werden von Kalmücken, die hölzernen Häuser
aber meistens von Russen bewohnt, die sich bei
dem Fürsten angesiedelt haben, und ihm dienstpflichtig
sind.
Fürst S e r e d -D s c h a b empfing uns an der Thür
seines Schlosses. E s , war ein Mann von mittleren
Jahren in dunkelgrüner Ivutka als russischer Oberst
gekleidet und mit allen seinen Orden geziert. In seiner
Begleitung war sein dritter Bruder S e r e n -D a n -
duk, in ähnlicher tscherkessischer Kleidung, wie sein
vierter Bruder S e r e n -N o rw a , der uns von Samä-
nowskaja hergeleitet hatte. Sein zweiter Bruder B a -
t u r -Ub a s c h i war, wie wir nachher erfuhren, krank
und zeigte sich nicht. Wir traten in einen schmalen
tiefen Saal, in dessen Mitte ein Billard stand und dessen
Seiten mit Meublen von Mahagoni, grossen Spiegeln
und Spieluhren geschmückt waren. Aus diesem
wurden wir rechts in ein kleines Seitenzimmer g e führt,
in welchem sich Herr v o n Humbol d t und
Fürst S e r e d -D s c h a b auf ein Kanapee von rothem
Saffian den Fenstern gegenüber niederliessen; die
übrige Gesellschaft setzte sich auf Polsterstühle von
Mahagoni, die mit persischem seidenen Zeuge überzogen
-waren, und ordneten sich um einen grösseren
runden Tisch, der vor dem Kanapee stand. Ueber
dem Kanapee an der Wand hipgen die wohlgetroffenen
Oelbilder des Kaisers und der Kaiserin. Der
Fürst sprach fertig russisch und unterhielt sich mit
Herrn v. Humb o ld t durchMerrn Me n s c h e n in und
und Herrn S t ran a k , welchen letzteren wir auch jetzt
noch die Freude hatten bei uns zu sehen, da er uns
bis zur Gränze des Gouvernements, wo er uns empfangen,
zurückgeleitete. Die Unterhaltung hatte
aber nicht lange gewährt, als ganz unerwartet ein
reichgekleideter junger Mann von mongolischer, doch
angenehmer Bildung, der Chan der inneren Kirgisenhorde
D s c h an g ir , mit seinem Gefolge hereintrat. Er
war, wie wir erfuhren, beim Fürsten S e r e d -D s c h a b ,
seinem Nachbar, zum Besuch gekommen, hatte schon
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