
ergiesst. Die vielen Inseln, welche die Wolga-Arme
umschliessen, werden zum grossen Theil von den
Friihlingsfluthen überschwemmt, wo die Wolga mit der
Achtuba nur eine grosse Wassermasse bildet, und
treten nur bei dem niedrigen Wasserstande hervor,
wo sie diö vortrefflichsten Weiden abgeben.
Je trauriger im Ganzen das Bild ist, das im Herbste
die Steppe darbietet, wo Tulpen und Iris, der
reizende Schmuck der Frühlingsflora, durch die alles
zerstörende Hitze und Dürre des Sommers längst verdorrt
sind, und graue Artemisien in trauriger Einförmigkeit
den Boden bedecken, desto überraschender ist
von dieser Seite her der Eintritt in dieselbe; denn
hier liegt noch diesseits der Sarpa, und am Fusse der
Sarpaschen Hügelkette das freundliche Städtchen Sarepta,
die letzte deutsche Kolonie auf diesem Wege..
Es ist eine Ansiedlung der mährischen Brüder, von
der nämlichen Art, wie überall in Deutschland, aber
die deutsche Bauart der Häuser, die geraden, reinlichen
mit italienischen Pappeln besetzten Strassen, der
freundliche Markt in der Mitte der Stadt, mit dem
Springbrunnen darauf und der Kirche an demselben, alles
dieses machte einen um so tiefern und angenehmem
Eindruck auf uns, als wir lange auf den fast baumlosen
Höhen der Wolga gefahren waren, und keine oder nur die
baumlosen rassischen Dörfer und Städte gesehen hatten.
Wir hörten wieder die deutsche Sprache, sahen überall
deutsche Einrichtungen und glaubten wieder unter
Landsleuten zu sein. Auch fanden wir einen guten
reinlichen G^sthof und in demselben manche lang entbehrte
Bequemlichkeit.
Wir waren etwa um 4 Uhr Nachmittags hier angekommen,
und trafen schon den Herrn Ilofrath E n g
e l k e hier an, der die Exkursion nach dem Elton-See
nicht mitgemacht hatte, und uns voraus nach Sarepta
geeilt war. Er machte uns mit den Vorstehern der
Gemeinde, den Herren L a n g e r f e l d und Z w i c k
bekannt, die Theil an unserem Mittagsmahle nehmend
und den übrigen Abend bei uns verweilend, uns von
dem Zustande und den Einrichtungen der Kolonie unterrichteten,
Die Kolonisten beschäftigen sich hauptsächlich
mit Webereien aller Art, mit der Fabrikation
von Schnupftaback, Senf, Liqueuren u. s. w ., mit welchen
Fabrikaten sie einen ausgebreiteten Handel, selbst
mit den Kalmücken und den donischen Kosaken treiben
, wie sie auch Niederlagen derselben in Saratoff,
Moskau und anderen grösseren Städten unterhalten.
Ausserdem treiben sie viel Viehzucht; Ackerbau jedoch
nur wenig, da die salzige Beschaffenheit des Bodens
und die Dürre des Klimas demselben nicht günstig
sind, haben aber alle kleinere und grössere Gärten
hinter ihren Häusern, in denen sie Tabaek, Obst und
Wein ziehen, und aus letzterem selbst ein ziemlich
gutes Getränk bereiten. Die Kolonie wurde in Folge
einer Einladung der Kaiserin Katha r ina II. an die
deutschen Herrnhuter-Gemeinden zur Ansiedlung an
der Wolga im Jahre 1765 unter besonderen Privilegien
und Begünstigungen angelegt, und gelangte
bald dadurch, wie durch die gute Verwaltung ihrer
Vorsteher und durch die Fabrikation einer Menge Artikel,
die in diesem Theile von Russland noch unbekannt
oder 'schwer zu erhalten waren, so wie auch
durch den Handel mit den angränzenden Kalmücken
zu einem blühenden Zustande. In der neueren Zeit
hat sich der Absatz ihrer Fabrikate, und damit eine
ihrer Haupterwerbsquellen sehr vermindert, indem die
früher von dieser Gemeinde allein verfertigten Artikel
nun auch in Saratoff, Astrachan und anderen Orten
angefertigt wurden, und hierdurch, wie auch durch
Schon gegen das Ende des Mai’s tr itt, wie uns Hr. Zwi c k
berichtete, in Sarepta eine sengende Hitze ein, die die Temperatur
wochenlang auf 30° R, erhält, während austrocknende Ostwinde jede
Spnr von Wolkenbildung verhindern und kein Tropfen Regen die
lechzende Natur erquickt. Dann verdorren alle Pflanzen, und die
Steppe gewährt den Anblick einer fürchterlichen Einöde.