
Nachdem wir Proben von diesem Kalkstein g e sammelt
hatten, setzten wir mit Herrn S t r a n a k auf
einem Boote über einen Busen nach einem höheren
Theile der Insel, auf welchem etwas weiter links eine
dem Griechen Wa rw a z i gehörige Watage (Fischerdorf),
rechts einzelne Kalmüekenkibitken standen. Letztere
waren grösstentheils verschlossen, und ihre Bewohner
abwesend, nur eine fanden wir geöffnet, und
in dieser sas's eine junge Kalmückin, mit dem Kratzen
von Wolle beschäftigt. Sie sah recht hübsch aus.
hatte rothe Wangen, und ihr schwarzes Haar hing
ihr in dicken Flechten über den Rücken, zum Zeichen,
dass sie noch Jungfrau s e i , aber wir hielten es dpch
bei der grossen Unsauberkeit, die in einer Kalmücken-
kibitke herrscht, nicht für rathsam, uns näher darin
umzusehen l ). Uebrigens wimmelte dieser boheTheil
der Insel von Schlangen (Coluber scutatas und D im e )
die in der warmen Sonne ruhig da lagen, und deren
viele Prof. E h r e n b e r g mit besonderer Geschicklichkeit
zu fangen verstand. Unter dem Gestrüpp fanden
im kaspischen Meere lebenden Mytilus- und Cardium-Arten kaum von
den versteinerten verschieden.
r ) Diese Unreinlichkeit wird durch ihren Hang zu r Faulheit
hervorgebracht, aber auch durch ihre Religion begünstigt. Da es
nach der Lehre der Seelenwanderang, woran sie glauben, eine grosse
Sünde is t, Creaturen zu tö d ten , so werden auch die beschwerlichen
Gäste ih re r Köpfe möglichst geschont, und bei allzu grö sse r Zudringlichkeit
gewöhnlich bloss abgelesen : wodurch sie aber in ihren Ki-
bitken ausserordentlich überhand nehmen. Bei jedem Besuche beim
Lama oder Fürsten oder einem anderen vornehmen Kalmücken musste
Z w i c k auf seiner Reise u n te r den Kalmüeken-Horden sie immer bei
sich empor klimmen sehen, und jed e r Besuch eines Kalmücken in
seiner Hütte brachte ihm immer eine Menge neuer Einquartirung.
So v e rtra u t dagegen die Kalmücken mit diesem kriechenden Insekte
umgehen, so sehr entsetzen sie sich doch, wie Z w i c k versichert,
v o r den hüpfenden Thierchen, und sie geben gegen diese ihren
Ekel eben so stark zu erkennen, als ein E u ro p ä e r den seinigen gegen
jen e den Kalmücken befreundeten kleinen Geschöpfe. (Vergl.
Reise von Sarepta in verschiedene Kalmüeken-Horden S. 80,
sich eine Menge Eidechsen, die bei nnserer Annähe-
entschlüpften, und in dem Sande sahen wir häufig
kleine trichterförmige Vertiefungen, aus denen die
Füsse der schwarzen Tarantel (Lycosa Tarantula? ')
hervorragten. Ausser dem Gestrüpp, das sich hier und
da fand, und das grösstentheils nur aus Arctium Lappa,
einem Atriplex, einer Artemisia, Urtica dioica und Kubus
fruticosu8 bestand, war die Insel kahl und sandig.
Als Herr v on Humbol d t seine Beonachtungen
beendet hatte4)? war inzwischen auch das Regierungs-
Dampfboot angekommen, das in der Nähe postirt gewesen
war, und welches wir nun am Nachmittage
bestiegen, um auf demselben die weitere Exkursion
ins kaspische Meer zu machen. Der Befehlshaber desselben,
Capi tainKrüger, war ein gebildeter und angenehmer
Mann, der zwar ungeachtet seines deutschen
Namens nicht deutsch, aber doch fertig englisch sprach,
da er längere Zeit in England zugebracht hatte. Hinter
Birutschicassa traten wir nun ins offene Meer hinein;
zur Linken verschwand das Land bald gänzlich,
nur zur Rechten fuhren wir noch bei einzelnen Schilfinseln
vorüber, die sich an der Nordwestseite des kaspischen
Meeres entlang ziehen, bis mit der Insel
Tschetyre bugri (der Vierhügelinsel) auch diese aufhören.
Diese Insel ist 20 Werst von Birutschicassa
entfernt, und auf ihrer südlichen Spitze befindet sich
der Leuchtthurm (Majak). Wir fuhren jetzt bei ihr
ohne Aufenhalt vorüber, und lenkten nun in die hohe
See hinein. Es wehte nur ein leiser Wind aus OSO.,
das Meer war ruhig, und nur um das Schiff von dem
Schlage der Schaufelräder der Dampfmaschine bewegt.
Bald stellte sich die Dämmerung ein, der Mond trat
im Osten hervor, und leuchtete mit seinem milden
») Nach E h r e n b e r g vielleicht eine neue Species; e r hat sie
in beiden Geschlechtern mit Farben an Ort und Stelle gezeichnet.
s ) H err v o n H u m b o l d t hatte eine Inklination der Magnetnadel
von 59° 21',4 gefunden.