
letzten Station ereignete sich noch ein kleiner Unfall,
indem nämlich ein Rad und die hölzerne Axe des
Wagens, worin Herr v o n Humbol d t fuhr, plötzlich
zu brennen anfing. Glücklicher Weise geschah
diess aber nicht weit von einem Brunnen, so dass die
Flammen bald gelöscht, und Axe und Rad nicht so
beschädigt wurden, dass, nachdem sie neu betheert
waren, man sich ihrer nicht noch bis zur Erreichung
der W olga, die ohnehin nicht mehr sehr entfernt war,
hätte bedienen können. So ging dieser Unfall noch
ohne grösseren Aufenthalt vorüber. Um 6 Uhr Morgens
waren wir an der Wolga, wo wir die schon
bestellten Kähne vorfanden, auf denen wir nach Du-
bowka übersetzten.
In Dubowka verweilten wir nur noch so lange,
als nöthig war, um unsere Sachen zu ordnen, worauf
'.vir unsern W eg sogleich weiter fortsetzten. Dieser
ging noch immer an dem hohen Ufer der Wolga entlang,
und führte nach zwei Stationen zu der Kreisstadt
und Festung Zarizyn, welche hart an dem hohen Ufer
liegt. Sie ist demnach auf dieser Seite durch die Wolga
gedeckt, auf der anderen aber mit Wall und Graben
umgeben. Die Festungswerke sind nur unbedeutend,
waren aber doch hinreichend, die Rebellen unter P u -
g a t s c h e f f anfzuhalten, welche die Festung 1774
belagerten, ohne sie einnehmen zu können. Die Stadt
selbst ist schon alt, und wurde von Iw a n II. gleich
nach der Eroberung von Astrachan angelegt, aber erst
durch P e t e r d e n Gr o s s en auf ihre jetzige feste
Stellung in einer Höhe von 40 Faden über dem Spiege
l der Wolga versetzt. Er bestimmte sie zu einer
Hauptfestung des Reiches an der unteren Wolga gegen
die in den kaspischen Steppen nomadisirenden
Völker, und führte von hier aus 60 Werste in nordwestlicher
Richtung zum Don die sogenannte Zarizyn-
sche Linie, von der man noch Ueberreste sieht. Zur
Belebung ihres Muthes liess er den Einwohnern von
Zarizyn den Hut und Stock zurück, den er eben trug,
als er bei ihnen war, und beide werden noch jetzt auf
dem Rathhause aufbewahrt. Wir besahen diese Merkwürdigkeiten,
während umgespannt wurde, und erfreuten
uns beim Hingehen nach dem Rathhause des
Anblicks der vielen schönen Arbusen, die auf dem
Markte ausgeboten wurden. Sie gedeihen in den Umgebungen
von Zarizyn zu vorzüglicher Güte und sind
schon ein Zeichen der südlicheren Natur der Gegend.
Unterhalb Zarizyn verlässt die Wolga ihre bisherige
südwestliche Richtung, und sich fast unter einem
rechten Winkel nach Südosten zum kaspischen Meere
wendend, tritt sie in die Steppe selbst ein, an deren
westlichem Rande sie von Kamyschiu an geflossen
ist, während die begleitende Hügelkette in unveränderter
Richtung noch weiter nach Süden fortsetzt, und
den Westrand der sich nun zu beiden Seiten der
Wolga ausbreitenden Steppe zu bilden fortfährt. An
ihrer Biegung nimmt sie in ihre linke Seite noch die
Sarpa auf, die in gerade entgegengesetzter Richtung,
wie sie bisher selbst, am Fusse der südlich fortstreichenden
Hügelkette hinfliesst, worauf sie den noch
mehr als 50 Meilen bis zum Meere betragenden Weg
ohne alle weiteren Zuflüsse zurücklegt ')• Bei g e ringem
Falle setzt sie langsam, wie vom langen Lauf
ermüdet, ihren W eg fort, und sendet dabei von ihrer
Linken unzählige Arme aus, die sich abwechselnd
wieder theilend und vereinigend, ein gegen 40 Werste
breites Flussnetz bilden, das auf der rechten Seite von
dem Hauptstrome selbst, auf seiner linkten von der
Achtuba, dem sich schon oberhalb Zarizyn losziehenden
Hanptnebenarme der Wolga begränzt wird, bis
sich dieselbe mit mehr als 70 Mündungen in das Meer
x) Der letzte linke Zufluss mit seiner begleitenden Hügelkette
begränzt hier den westlichen Rand der Steppe, wie oberhalb Kamy-
schin der letzte rechte Nebenfluss, der Je ru slan , den nordwestlichen
Rand derselben.