Zeit in Astrachan aufgehalten und mit den Eigentümlichkeiten
des . Gouvernements bekannt gemacht
hatte, so war er uns durch seine Kenntnisse ein eben
so nützlicher, als durch seine gesellige Bildung ein angenehmer
Begleiter.
Es war schon ziemlich spät geworden, als wir
Sarepta verliessen; wir fuhren in der bald darauf einbrechenden
Nacht ohne Aufenlhalt fort, kamen in derselben
durch die Kreisstadt Tschernoijar, und frühstückten
am Morgen 30 Werste weiter in der reinlichen
und ordentlichen Wohnung eines Kosakenofficiers
in Gratschewskaja '). Tschernoijar hat seinen Namen
erhalten von dem erhabenen schwarzen Ufer der Wolga,
denn wenn auch dieselbe nicht mehr von der grossen
Hügelkette begleitet wird, so ist hier, sowohl oberhalb
als unterhalb Tschernoijar, das Ufer doch ziemlich
hoch; auch sieht man, wie P a l l a s berichtet 2) , bei
Kamennoijar (Steinufer), 60 Werste oberhalb Tschernoijar
einen flachen aus grauem Thonschiefer bestehenden
Rücken von Westen her zur Wolga streichen,
der an dem hohen steilen Ufer absetzt, und wenn er
gleich an dem linken Ufer nicht sichtbar ist, doch
wahrscheinlich mit den nicht weit entfernten Flötz-
schichten am Bogdo und Tschaptschatschi 3) in Verbindung
stehen mag. Hinter Gratschewskaja wird aber
das Ufer wieder flach, die Gegend wird immer öder,
auch der Boden von salziger Beschaffenheit, wie die
häufigen Stellen mit ausgewittertem Bittersalz am
W eg e beweisen. Dörfer (sogenannte Stanitzen), die
von den Kosaken bewohnt werden, finden sich auf dem
W eg e etwa alle 20 bis 30 Werste.
Mit einbrechender Nacht erreichten wir die Kreisr
) Auf dem Hofe befindet sieb ein 12 bis 15 Faden tiefer Brunn
e n , dessen Temperatur 8Ö,7 , also nicht viel verschieden von der
T emperatur der Quelle bei Sarepta war.
2) Reise durch Süd-Russland Tb. 1 S. 85.
3) Vergl. oben S. 224.
stadt Jenotajewsk, die gegen die Regel der russischen
Landstädte eng zusammeugebaut ist, sonst aber wie
diese nur aus hölzernen Häusern besteht. Wir sahen
hier wie auch im Lande umher viele Kalmücken, die
sich häufiger hier, als in den benachbarten Städten,
einstellen, da sich in Jenotajewsk die Verwaltungsbehörde
für die kalmückischen Angelegenheiten befindet. Sie
besteht aus 8 gewählten Kalmücken, die als Deputirte
der verschiedenen Horden unter dem Vorsitz eines
russischen Ober-Pristaw’s (Polizei - Inspectors) Streitigkeiten
und Rechtsfälle schlichten, und zugleich das
Organ der Regierung für das Volk ausmachen.
Hinter Jenotajewsk wird die Gegend überaus
sandig, und ist stellenweise mit grossen Dünen bedeckt.
Die Ufer der Wolga sind ganz flach, und zwischen
ihnen fliesst der durch viele Arme getheilte,
aber dennoch überaus mächtige Strom langsam hin.
In dem tiefen Sande konnten wir fast nur im Schritte
fahren. Wir kamen am Morgen des 12. Octobers bei
mehreren kalmückischen Kibitken vorbei und Schaa-
ren von Kalmücken mit ihren Heerden von Pferden,
Schaafen und Kameelen begegneten uns häufig. Auch
bei einem fast ganz einzeln stehenden und nur von
einigen Kibitken umgebenen kalmückischen Tempel
führte uns der W eg vorüber. Es war ein kleines
länglich viereckiges hölzernes Gebäude, an dessen einer
schmalen Seite die Thür, und an dessen längeren
Seiten die Fenster sich befanden; an dem Eingänge
war aber die lange Stange zur Befestigung der g e schriebenen
Gebete errichtetr).
Das Flattern der Gebete an dieser Stange und
die rauschende Musik, die aus dem Tempel uns entgegenschallte,
lehrte uns, dass in ihm Gottesdienst
gehalten wurde. Wir waren begierig denselben ken'
) Vergl. oben S. 283.
II.