steht außerdem, ihrer Gesamtform nach, vielen Lilljeborgschen Abbildungen von B. obtusirostris
(Taf. XXXVI, Fig. 3, 6 und 7), ferner der von Ekman (’00) aus Patagonien beschriebenen B. coregoni,
oder auch der Sommerform von B. c. seligoi (Fig. 9) so nahe, daß ich keinen Grund sehe, dieselbe
artlich von diesen Formen, und somit von B. coregoni zu trennen. Vielleicht ist Sars zu seiner Auffassung
durch die irrtümliche Ansicht gekommen, daß B. meridionalis die einzige Bosmina-Art der
südlichen Hemisphäre sei.
Für fraglich halte ich die Stellung folgender Formen:
Bosmina hagmanni Stingelin (’04).
Bosmina tenuirostris Dad'ay (’05).
Bosmina macrostyla Daday (’05).
Diese drei südamerikanischen Formen zeichnen sich ebenso wie die von Birge (’93) und
Fordyce (’01) als B. öbtusirostris aus Nordamerika beschriebenen allen übrigen Formen gegenüber
durch die Eigentümlichkeit aus, daß ihr Mucro die Dörnchenincisuren auf seiner Dorsalseite trägt,
während dieselben sich sonst ganz allgemein auf der Ventralseite des Mucros befinden. Dieselbe
Eigentümlichkeit zeigt auch die ebenfalls amerikanische B. reversaspina Turner 1910 aus Augusia
(Georgia), die jedoch sonst ausgesprochene Longispina-Charaktere trägt. Es hat den Anschein,
als ob wir es hier mit einer spezifisch amerikanischen Formvariation zu tun haben.1)
Einen Übergang von der gewöhnlichen Bedornung des Mucros zu der dieser amerikanischen
Formen stellt vielleicht B. c. reflexa dar, deren Mucrobedornung ich deshalb hier kurz schildern will
(vgl. Fig. 61). An dem sehr langen, breit ansetzenden Mucro der B. c. reflexa befinden sich (bei Sommertieren)
3 (bis 6) große Dornen. Doch wäre diese Zahl beträchtlich zu erhöhen, wenn man kleinere
Dörnchen, die neben den Hauptdornen stehen und sich sonst bei keiner anderen Bosmina-¥orm
finden, mitzählt. Neben oder richtiger etwas proximal vom distalsten (3.) Dorn findet sich eine
Gruppe größerer und kleinerer Nebendörnchen. Proximal vom mittleren (2.) Dorn befindet sich
eine Reihe von Nebendörnchen, die proximal als kleine Härchen beginnen und distal an
Größe zunehmen und hier dörnchenähnlich ausgebildet sind. An den proximalsten (1.) Dorn
endlich tritt eine Franse feinster nur bei 400—500 facher Vergrößerung sichtbarer Härchen
heran, die, an der dorsocaudalen Schalenecke beginnend, sich auf der Innenseite der Schalenklappen
am caudalen Schalenrand entlang zieht. Sie verläuft quer über die Mucrobasis und
erstreckt sich bis zum 1. Mucrodorn hin. Bemerkenswert ist nun, daß die Härchen dieses
caudalen Härchensaumes, je näher sie dem 1. Dorn stehen, um so größer, kräftiger und dörnchenähnlicher
werden. Man hat hier also gewissermaßen alle Übergangsstadien von den minimalen
Härchen des caudalen Härchensaumes zu den großen, kräftigen Mucrodornen vor Augen, und ich
halte es aus diesem Grunde für sehr wahrscheinlich, daß die Mucrodornen von B. coregoni auf stärker
entwickelte Härchen des beschriebenen Härchensaumes zurückzuführen sind. Übrigens beobachtete
ich einen gleichen, allerdings noch weit schwächer ausgebildeten caudalen Härchensaum auch bei
B. c. berölinensis, B. c. thersites und B. longirostris. Dieser Härchensaum dürfte vermutlich ein
primitives Merkmal der Bosminen2) sein, das jedoch in vielen Fällen stark rückgebildet ist. Von der
*) Obiges is t jedoch nicht in dem Sinne zu verstehen, daß in Amerika derartige Longispina-Formen ausschließlich vorkämen.
Ich habe selbst amerikanisches Material von Longispina-Formen mit der gewöhnlichen Mucrobewehrung vor Augen gehabt.
*) Es ist anzunehmen, daß dieser offenbar rudimentäre Härchensaum am caudalen Schalenrand ursprünglich stärke r
entwickelt und ähnlich wie die entsprechende Behaarung der Macrothriciden ausgebildet w a r, denen vermutlich die Vorfahren
der Bosminen nahe gestanden haben; vgl. pag. 64, Anm.
Mucrobedornung der B. c. reflexa läßt sich weiterhin ohne Schwierigkeit die gewöhnliche Ausbildung
der Bedornung und der Incisuren bei mucronaten Formen von B. c. coregoni ableiten. Bei B. c.
berölinensis sind z. B. nur die distal an Größe zunehmenden Nebendornen der B. c. reflexa fortgefallen
und die hier schwächer ausgebildete caudale Härchenfranse läßt sich nicht mehr bis zum 1. Mucrodorn
verfolgen. Dagegen sind noch etwa 3—5 kräftige Hauptdornen zu bemerken. Ähnlich liegen die
Verhältnisse bei manchen Longispina-^ormen, z. B. der Traunsee-Bosmine und B. c. seligoi. Bei
den gewöhnlichen Kerben oder Einschnitten (Incisuren) am Ventralrand des Mucro, die die meisten
alpinen Formen zeigen, sind auch die Hauptdornen des Mucros reduziert, und ihre Insertionsstelle
markiert sich nur noch als Einschnitt oder Kerbe am Ventralkontur; doch können sich—— dies beobachtete
ich an der B. c. berölinensis des Gardschauer Sees — in diesen Kerben mitunter noch minimale
rudimentäre Dörnchen finden.
Ebenso sind die Incisuren der Longirostris-Formen mitunte r mit feinen Härchen oder wenigstens stärke r lichtbrechencien
Chitinverdickungen besetzt, und es t r i t t auch hier die caudale Härchenfranse mitunter an die proximale Incisur heran.
Während sich somit einerseits die Mucrobewehrung der letzterwähnten Formen auf die primitivere
Bewehrung der B. c. reflexa zurückführen läßt, bietet B. c. reflexa andererseits vielleicht auch
Anknüpfungspunkte für eine Ableitung der oben angeführten amerikanischen Formen. Es dürfte
nämlich angesichts der Rudimente, die sich bei so vielen Formen finden, der im Vergleich zu anderen
Formen reichlicheren Bedornung des Mucros von B. c. reflexa vermutlich phylogenetische Bedeutung
insofern zukommen, als sie auf eine ursprünglich stärkere — nicht nur an der Ventralseite, sondern
im ganzen Bereich des Mucros und des caudalen Schalenrandes entwickelte — Bedornung, wie sie
sich etwa an der Spina der Daphnien findet, hinzuweisen scheint. Von einer derartigen Bedornung
wäre leicht die des jungen Tieres von B. hagmanni (vgl. Stingelin ’04) abzuleiten, das an Ventral-
und Dorsalseite des Mucros Dörnchen trägt und sich hierin primitiver verhalten dürfte als das
ausgewachsene Tier und die übrigen erwähnten amerikanischen Formen, die nur an der Dorsalseite
des Mucros Dörnchen tragen. Bei den europäischen Bosminen hätte sich dagegen die Bedornung
des Mucros allein auf der Ventralseite desselben erhalten, während sie auf der Dorsalseite
obliterierte. Diese immerhin recht hypothetische Ableitung der Mucrobedornung genügt natürlich
nicht, um die systematische Stellung der amerikanischen Formen festzulegen.
Die Longispina-Reihe umfaßt in dem oben festgelegten Sinne eine große Anzahl von Formen,
die, soweit sie im Alpengebiet Vorkommen, in dem von Dr. G. Burckhardt zu liefernden 2. Bande
dieser Bosminen-Monographie behandelt werden. Ich gehe im folgenden nur auf die wenigen,
mir durch eigene Beobachtung bekannten n o r d d e u t s c h e n Formen ein.
Bemerken will ich aber noch, daß bei der gegenwärtig durchgeführten Zusammenziehung der alpinen und skandinavischen
Formen der AongisptVia-Reihe ein dringendes Bedürfnis nach einer systematischen Bearbeitung dieser ganzen Reihe von einheit-
heitlichem Gesichtspunkte aus besteht. '
B. c. cisterciensis1) Rühe.
(Tabelle VI, No. 1—9; Fig. 4—7).
Syn. Bosmina öbtusirostris f. cisterciensis Rühe ’09.
Bosmina coregoni-cisterciensis sec. Keilhack ’09, II.
S o m m e r f o r m (Fig. 5 und 5 a).
Die ausgewachsenen Sommerformen besitzen kurze, wenig gekrümmte 1. Antennen (C + D =
338—455) mit 6—9 Incisuren (Pr. = 312—388). Rostrum kurz, stumpf (A -f-B = 128—154).
l) Ich habe diesen Namen nach dem auf einer Insel im Paarsteiner See gelegenen Cistercienser-Kloster, das später
nach Chorin verlegt wurde, gewählt.