
Formen ablesen. Bezüglich der Hochsommertiere vom 24. VIII. ’09, Tab. V, No. 7 muß ich jedoch
bemerken, daß es sich hier um noch nicht voll ausgewachsene Tiere handelt. Sodann möchte ich
aufmerksam machen auf die Unterschiede zwischen den Frühwintertieren vom 27. I. ’09 (Tab. V,
No. 9) und den Tieren vom 17. VI. ’09 (Tab. V, No. 11). Erstere haben kleinere Wert^ für T, H,
C -|- D. Es findet also im Gegensatz zu B. c. coregoni, wie zu erwarten ist, im Laufe des Winters
eine allmähliche Zunahme von C -f- D statt.
Versuche ich schließlich auch bei B. c. crassicornis die Wesenbergsche Schwebetheorie an
den Ersehe inungen der Cyclomorphose zu prüfen, so erweist sich dieselbe auch hier als nicht anwendbar.
Die sommerliche Vergrößerung des Wertes H, die man nach Analogie der Eucoregoni-Formen
zuerst wohl im Sinne der Schwebetheorie als sommerliche Vergrößerung des Formwiderstandes auffassen
könnte, ist so geringfügig, daß sie kaum in Betracht kommt, und berührt jedenfalls gar nicht
die für die Cyclomorphose von B. c. crassicornis wesentlichen Momente. Sodann aber nähert sich gerade
durch die geringe sommerliche Vergrößerung von H, ferner durch die Verkürzung der 1. Antennen1)
und deren Anlegung an den Körper, schließlich durch die sommerliche relative Verbreiterung des
Körpers die Sommerform von B. c. crassicornis in ganz außerordentlichem Maße der Kugelgestalt,
die bekanntlich den geringsten Form widerstand besitzt. Die im Sommer zu konstatierende Vergrößerung
der absoluten Länge trägt ebenfalls nur zur Erhöhung der Sinkgeschwindigkeit bei. Es
ist sonach schwerlich möglich, die sommerlichen Veränderungen, die an B. c. crassicornis zu beobachten
sind, als Mittel zur Erhöhung des Formwiderstandes aufzufassen.
Angesichts der großen Schwierigkeiten, die einer Deutung der Temporalvariation so vieler
Formen von B. c. coregoni im Sinne der Schwebetheorie im Wege stehen, ist ein starker Skeptizismus
gegenüber dieser Theorie am Platze.
Zusammenfassende Bemerkungen über die Cyc lomor phos e der Coregoni-Reihe.
Der Verlauf der Cyclomorphose ist bei den einzelnen Formen der Coregoni-Reihe verschieden.
Dieselben lassen sich aber nach der Art und Weise ihrer Cyclomorphose in verschiedene Gruppen
teilen, und es ist bemerkenswert, daß diese Gruppierung mit der auf Grund morphologischer Merkmale
aufgestellten, systematisch-genetischen Ordnung der Formen zusammenfällt. — Die Verschiedenheit
in Richtung und Verlauf der Cyclomorphose ist dabei so weitgehend, daß extreme Gruppen, wie z. B.
B. c. berolinensis und B. c. crassicornis im Verlauf ihrer Cyclomorphose kaum noch Berührungspunkte
miteinander haben. Immerhin sind jedoch einmal die extremen Modi der Cyclomorphose durch vermittelnde
Übergänge verbunden, andererseits enthält die Cyclomorphose vieler Formen, z. B. B. c.
kessleri und B. c. crassicornis noch Hinweise auf einen ursprünglicheren Variationsverlauf, so daß es
möglich ist, die Entwicklungslinien aufzuweisen, auf denen sich die mannigfachen Typen der
Cyclomorphose phylogenetisch herausgebildet haben.
Allen Formen der Coregoni-Reihe, mit Ausnahme der Crassicornis-Gruppe, die in diesem
Punkte sekundäre Abweichungen zeigt, ist gemeinsam die sommerliche relative Verlängerung der
1. Antennen. Dieser Variation der 1. Antennen korrespondieren bei allen Formen gleichsinnige
Variationen des Rostrums (A + B ), des dreieckigen Schildchens, der Antennenincisuren und der
i) ich möchte übrigens nicht unterlassen darauf hinzuweisen, daß die bei B. c. crassicornis zu konstatierende sommerliche
Verkürzung d er 1. Antennen bei gleichzeitiger Vergrößerung von H der oben von mir angedeuteten Auffassung der 1. Antennen als
Balanceorgane Schwierigkeiten macht (vgl. pag. 81).
Antennenprojektion. Überdies wird bei Verlängerung der 1. Antennen das Rostrum nicht nur länger,
sondern auch spitzer; gleiches gilt vom dreieckigen Schildchen; bei Verkürzung von C -f D und A + B
wird die Stirn gewölbter. Alle mit einem M ucro versehenen Formen (Longicornis-Insignis- und
Mixta-Gruppe) — es sind dies die phylogenetisch älteren — zeigen im Sommer eine Verlängerung
des Mucros. Bei den Formen mit langem Mucro (Longicornis-Insignis-Gruppe) zeigt II nur geringe
oder gar keine Temporalvariation. Dieselbe bildet sich aber mit fortschreitender Reduktion des
Mucros immer mehr in dem Sinne aus, daß die relative Schalenhöhe H im Sommer bedeutend größer
als im Winter ist. Vollkommen gleichsinnig sowohl mit der sommerlichen Zu- und Abnahme von Mu
wie von H verläuft die Variation der 1. Antenne: bei Zunahme von Mu oder Hj verlängern sich auch
die 1. Antennen, bei deren Abnahme verkürzen sie sich. Daher besitzen die Formen mit langem Mucro
oder hohem Buckel auch lange Antennen usw. Dieser durchgängige Parallelismus spricht im Verein
mit anderen Erwägungen dafür, daß die 1. Antennen nicht Schweb e - , sondern B a l a n c e o
r g a n e sind, deren Aufgabe darin besteht, die durch die Variationen des Mucros und der
Schalenhöhe herbeigeführten S c h w e r p u n k t s v e r s c h i e b u n g e n auszugl ei chen. Weiterhin
scheint auch eine Beziehung zwischen der Lage des Schwerpunkts und der Form und Krümmung
der 1. Antenne zu bestehen. In der Longicornis-Insignis-GTwpipe, bei deren Formen der Schwerpunkt
(im Sommer) durch den langen, an der ventrocaudalen Ecke angebrachten Mucro stark nach hinten
verlagert ist, sind die 1. Antennen stark (z. T. hakenförmig) nach hinten gekrümmt. Bei der Euco-
regoni-Gruppe dürfte infolge der starken Entwicklung der Höhenachse (im Sommer) der Schwerpunkt
gerade über der Körpermitte liegen und hier sind die 1. Antennen nur wenig nach hinten
gekrümmt und mitunter senkrecht nach unten gerichtet. Eine abweichende Lage des Schwerpunkts
kommt in der Eucoregoni-Gruppe nur bei B. c. thersiles vor, wo infolge der Rückwärtsbiegung des
Buckels der Schwerpunkt stark nach hinten verlagert ist (vgl. pag. 56). Infolgedessen ist hier auch
die Antennenprojektion größer. Es scheint nach alledem im allgemeinen eine derartige Beziehung
vorzuliegen, daß die Antennen sich um so stärker nach hinten krümmen, je mehr der Schwerpunkt
des Körpers nach hinten rückt.
Die absolute Länge ist im allgemeinen bei den Formen der Coregoni-Reihe im Sommer größer
als im Winter, zeigt jedoch mitunter auch gar keine Temporalvariation. Die jahreszeitliche Variation
des Auges (0) wird erst später im Zusammenhänge mit der Longispina-Beihe behandelt werden
(vgl. pag. 105 f.).
Der Entwicklungsgang der einzelnen Typen der Cyclomorphose stellt sich kurz zusammengefaßt
etwa folgendermaßen dar. Bei der phylogenetisch ältesten Longicornis-Insignis-Gruppe
liegt die Hauptbedeutung der Temporalvariation in einer ausgiebigen sommerlichen Verlängerung
des Mucros, der eine entsprechende Verlängerung und Rückwärtskrümmung der 1. Antennen
parallel geht. In der sich eng an die Longicornis-Insignis-Gruppe anschließenden Miarfa-Gruppe
verliert die Temporalvariation des Mucros allmählich an Bedeutung und für sie tritt vikariierend die
Temporalvariation der Höhenachse H in den Vordergrund, die in der Longicornis-Insignis-Gruppe
entweder noch gar nicht bestand oder nur geringfügig war. Innerhalb der Eucoregoni-Giwppe bildet
sich die sommerliche Verlängerung von H immer stärker heraus und bringt so die extremen Sommerformen
mit hohem Buckel, dessen Spitze sich nach hinten1) überlegen kann, hervor. In diesem ganz
allmählichen Übergang von dem Modus der Temporalvariation in der Longicornis-Insignis-Giwppe
x) Mitunter scheint auch z. B. bei B. c. monstrosa Linko und der B. c. gibbera des Tjustrupsös nach Wescnberg-Lund
(‘08) eine sommerliche Vorwärtsbiegung des Buckels vorzukommen.
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