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 gegeben,  und  zwar  führt  er  auf  S. 106  folgende  Gegenden  an:  „Nordamerika 0 ;  Faroer;  S  Japan;  
 W  Norwegen;  Britannien;  Madeira;  Mittelmeer;  Cap  Verdische  Inseln.“  Zu  diesen  Fundorten  
 kommen dann noch einige speziellere von diesem Autor selbst festgestellte,  nämlich:  die Jütländische  
 Küste  der Nordsee,  Fano,  Skagerak,  Kattegatt,  Sund  und  Belte;  westliche  Ostsee:  Kiel,  Heiligenhafen, 
   Travemünde;  östliche  Ostsee:  Eingang  zur  Bay  von  Reval.  Außerdem  ist  Nereis  dumerüii  
 noch  von D e   S a i  n t  - J o s e p h   an  der Küste  der Bretagne  und  von C a u l l e r y   e t   M e s n i l   
 (1898)  an  der Küste  der Normandie  gefunden worden. 
 Wenn  auch die L y c o r i d e n   im  allgemeinen  räuberische  Tiere  sind,  so  nä h r e n   sich die  
 Ve r t r e t e r  uns e r e r  Ar t   doch v o rnehml i c h   von  Vege tabi l ien.   Allerdings verschmähen sie  
 auch Fleischkost nicht,  und nicht selten konnte  ich in meinen Zuchtgläsern,  in denen mehrere  solcher  
 Tiere  ungleicher  Größe  eingesperrt  waren,  die  unangenehme  Erfahrung machen,  daß  die  großen die  
 kleinen auffraßen.  Wie schon bemerkt, bildete für meine Kulturen der sich in dem von durchlaufendem  
 Seewasser  durchspülten  Aquarium  ansiedelnde  Organismenbesatz  die  Hauptnahrung.  Die  darin  
 enthaltenen  verschiedenartigen Diatomeen und  großen Foraminiferen  besonders  aus  der Familie  der  
 C o r n u s p i r i d e n   wurden  von  den  ganz  jungen Würmern  ebenso  gern  genommen  als  von  den  
 größeren.  Letztere  erhielten öfter  auch kleine Stückchen von Blättern der  XJlva lactuca,  die sie aber  
 scheinbar  weniger  gern  fraßen,  sondern meistens  einrollten,  um  ihre Wohnröhren  darin  anzulegen.  
 Daß  die den gezüchteten Würmern  zur Verfügung stehende Kost nicht  die genügende war,  zeigt  die  
 geringe Körpergröße, welche  von ihnen  erreicht wurde,  obwohl  die Segmentzahl sich wohl nicht viel  
 von  der  normalen unterschied. 
 Am  Tage,  bei  Licht  pflegen  die Würmer  in  den Röhren  zu  sitzen  und  nur  des Nachts  verlassen  
 sie dieselben,  um auf die Nahrungssuche  zu gehen.  Am Morgen findet man in dem Bodensatz  
 der  Zuchtgläser  stets  die  häufigen  Kriechspuren. 
 Im Gegensatz zu vielen anderen L y c o r i d e n a r t e n ,  z. B. Nereis parallelogramma, N. cultri-  
 fera, N. coccinea, ist Nereis dumerüii gegen Artgenossen, die ihr an Größe nicht zu sehr unterlegen sind,  
 im allgemeinen sehr friedlich.  Niemals sah  ich unter gewöhnlichen Umständen,  daß sich  zwei ältere  
 Tiere  bekämpften,  wenn natürlich  auch jedes  seine Wohnröhre  gegen  unberufene Eindringlinge  verteidigte, 
  welche es öfters gab, wenn in die Schalen zu den bereits darin eingewöhnten frisch  gefangene  
 Individuen gesetzt wurden.  Nur als einmal ein Glas mit mehreren größeren Würmern auf dem Thermostaten  
 auf erhöhter Temperatur (26 0 C.) gehalten wurde, begannen auch sie sich kräftig und energisch  
 zu  beißen. 
 Hierbei, ebenso wie in einigen anderen Fällen, wo ich ein paar Würmer in einer Röhre gewaltsam  
 aufeinander hetzte,  konnte ich  nach dem  Bisse keine besondere Giftwirkung wahrnehmen,  obwohl ja  
 die Kiefer  auch  bei Nereis  dumerüii von je  zwei  sogenannten Giftkanälen  durchbohrt sind.  Die  gebissenen  
 Tiere  hatten  wohl  nur  unter  der  Verwundung  selbst  zu  leiden.  Ganz anders  sah  ich  die 
 Wirkung  eines  Bisses  bei  Nereis  coccinea.  Die  Kiefer  des  gegnerischen  Tieres  hatten  sich in den 
 ausgestülpten  Rüssel  eingegraben  und  beinahe  augenblicklich  tra t  eine  Lähmung  des  Vorderendes  
 ein.  Der Rüssel konnte nicht mehr  eingezogen werden,  die  Fühlercirren wurden  unbeweglich,  bald  
 auch  die  Parapodien  der  ersten  Segmente.  Nach  mehreren  Tagen  ging  das  verwundete  Tier ein, 
 ohne  wieder  eine  Beweglichkeit  des  Vorderendes  erlangt  zu  haben. 
 Nicht  nur  als  Angriffs-  und Verteidigungswaffe  benutzen  unsere Nereis  dumerüii  ihre Kiefer, 
 sondern sie bahnen sich gelegentlich auch einen Weg damit,  indem sie kleine Hindernisse,  z.  B.  Teile  
 alter Wohnröhren,  zerbeißen.  Diese Fähigkeit äußert sich auch darin,  daß sie,  in eine Uhrschale mit  
 wenig Wasser  gesetzt,  alsbald  beginnen,  heftig  auf  die  nach  allen  Seiten  ansteigenden  Glaswände  
 loszubeißen, als wollten sie sich einen Durchgang bahnen.  Schon bei ganz jungen Würmern mit wenigen  
 Segmenten  bemerkte  ich  dieses  Gebaren,  indem  sie  unter  dem  Deckglas  umherkriechend  häufig  
 ihre  Rüssel  ausstreckten  und  mit  den  Kiefern  schnappten. 
 Über  die  Bewegungswei s e   der  L y c o r i d e n   haben  Bohn  (1904  und  1906) und Eisi g  
 (1906)  Beobachtungen  angestellt.  Wenn wir den  für  die verschiedenen Lokomotionsarten  von  dem  
 letztgenannten  Forscher  gegebenen  Bezeichnungen  folgen,  so  können  wir  auch  bei  Nereis  dumerüii  
 von einem „Paddeln mit einzelnen Podien“,  der langsamsten Gangart auf glattem wie rauhem Boden  
 sprechen.  Eine  schnellere  Fortbewegung  auf  dem  Grunde  ist  dann  der  „Schwimmgang“,  bei  dem  
 der ganze Körper in kurzen Wellen mit kleiner Amplitude unduliert,  „sinusoidale“  Bewegungen  ausführt, 
   wie B o h n   es nennt,  unter gleichzeitigem  „paradoxem“ Rückschlag der Podien  auf der konvexen  
 Seite  der  einzelnen Bögen des Rumpfes  nach  hinten  und  auf  der  konkaven  nach  vorn.  Nur  
 äußerst  selten  und  immer  nur  durch  starke  Reize  sind  die  gefangenen  Tiere  zum  eigentlichen  
 „Schwimmen“  zu bewegen,  obwohl sie hierzu wohl  befähigt sind.  Das Schwimmen kommt dadurch  
 zu  Stande,  daß  die Wellen  des  Schwimmganges,  der jenem  immer  vorauszugehen  pflegt,  länger und  
 länger werden, so daß gleichzeitig ihre Zahl auf einige wenige reduziert wird, während die Schwingungsamplitude  
 zunimmt.  Ob  unsere Würmer  im freien Meere öfters wirklich schwimmen,  ist kaum  festzustellen. 
   Jedenfalls legen sie, wenn sie es tun sollten, nur sehr kurze Strecken auf diese Weise zurück,  
 denn dafür spricht sowohl ihr Verhalten in der Gefangenschaft als auch die Tatsache, daß man niemals  
 einen Wurm im Meere schwimmen sieht, auch wenn man sich länger zwischen den Steinen ihres seichten  
 Wohnreviers  auf hält.  —  Eine  letzte  Bewegungsart  ist  endlich  der  „Kriechgang“,  bei  dem  ein Teil  
 des  Körpers  peristaltisch  vorgeschoben  oder  nachgezogen wird,  während  sich  der  übrige  Teil  meist  
 podial vorwärts bewegt.  Besonders wenn die Tiere in den Glasgefäßen ihre Röhren aus irgend welchem  
 Grunde verlassen und sehr langsam vorwärtskriechen, kann man diese Art der Lokomotion beobachten.  
 —  Es  mag  hier  darauf  hingewiesen werden,  daß  L o e b  (1894)  verschiedene  Beiträge  zur  Gehirnphysiologie  
 von  Nereis  gab,  und  daß  S t e e n   (1897)  den  Einfluß  der  Exstirpation  einzelner  Teile  
 des  Nervensystems  auf  die  Bewegungen  von  Nereis  virens  untersuchte. 
 Bohn  (1903  und  1904)  hat  sich  noch mit  einer  ändern Bewegungsform  der Lyco r i d en  befaßt, 
  die aber nicht der Ortsveränderung dient,  sondern durch welche die Atm u n g  unterhalten wird.  
 Die in ihren Wohnröhren sitzenden Nereis dumerüii führen nämlich, ebenso wie die übrigen Mitglieder  
 dieser Familie,  ständig  undulierende Bewegungen mit ihrem Rumpfe aus,  wodurch  ein Wasserstrom  
 erzeugt wird,  aus  dem  die Tiere,  welche mit  einem großen Teile der Haut  atmen,  den ihnen  nötigen  
 Sauerstoff  entnehmen  können.  Es ist ja bekannt,  daß in den mannigfaltigen,  vielfach lappenartigen  
 Anhängen der Parapodien zahlreiche feine Blutkapillaren dicht unter der Körperoberfläche verlaufen,  
 so  daß  hier der Gasaustausch  stattfinden  kann.  Wohl in  erster Linie  das Blut  ist  es dann,  welches  
 den  Sauerstoff  den  einzelnen  Organen  des  Körpers  zuführt. 
 Es wurde  ein paar  Mal  die  Geschwindigkeit  der Kontraktionen  des  Rückengefäßes  gemessen.  
 Bei einem Wurm mit  14 Ruderpaaren liefen innerhalb von 60 Sekunden 28 Kontraktionswellen über  
 die Wände des Gefäßes, bei einem anderen mit 76 borstentragenden Segmenten in der gleichen Zeit 26.  
 Bei einem größeren Individuum bemerkte ich, nachdem es etwa 10 Minuten in Seewasser gelegen hatte,