
 
        
         
		Von Wichtigkeit  zur  Feststellung  der Verwandtschaftsverhältnisse  der  B.  c.  reflexa wäre  nun  
 vor allem noch die Kenntnis der Variation der Antennenprojektion und des Rostrums A +  B.  Leider  
 aber kann ich hierüber keine hinreichend gesicherten Angaben machen, weil, wie gesagt, die Antennen-  
 trennungslinie bei den Hochsommerformen  vom Dadeysee nicht  erkennbar  ist.  Beim  Vergleich  der  
 Spätsommerformen vom Wuchsnigsee mit den Spätwintertieren vom Dadeysee ergibt sich allerdings,  
 daß das Rostrum A +  B im Sommer länger als im Winter ist.  Jedoch ist diese Beobachtung insofern  
 mit Vorsicht  auf zunehmen,  als  die Wuchsnigseeform,  da  ich  von  derselben  keine Hochsommertiere  
 vor Augen hatte,  nicht mit Gewißheit als B.  c.  reflexa  zu bestimmen ist.  Aber selbst, wenn dieselbe  
 der  B.  c.  reflexa  vom  Dadeysee  äußerst  nahe  stände,  könnte  sie  doch  in  der  Länge  des  Rostrums  
 Abweichungen lokaler Natur  von  der Dadeyseeform  zeigen.  Sollte  jedoch  tatsächlich  das Rostrum  
 im Sommer länger als im Winter sein, so läge hier derselbe Fall vor, wie bei B. c. crassicornis: nämlich  
 ein  entgegengesetzter Variationsverlauf von Antennen und Rostrum.  Es wären  dann  auch hier  die  
 gleichen Folgerungen wie dort daraus zu ziehen; nämlich daß  die sommerliche Reduktion der 1. Antennen  
 bei B. c. reflexa eine sekundäre Erwerbung ist, die sich aus primärer sommerlicher Verlängerung  
 der  1.  Antennen  entwickelt  hat.  Wenn  dieser Schluß  als  gesichert  gelten  dürfte,  wäre  B.  c.  reflexa  
 zweifellos  zur Coregww-Reihe1)  zu  stellen,  und hier dann wohl  von  der Longicornis-Insignis-Giwppe,  
 also  am  ehesten  von  BeroZmewszs-ähnlichen  Stammformen  abzuleiten.  Letzteres  ist  auch  deshalb  
 wahrscheinlich,  als  die Spätwintertiere von B.  c.  reflexa denen von B.  c. berolinensis sehr ähneln (vgl.  
 auch pag .18/19).  Solange  aber obiger Schluß zweifelhaft ist,  besteht auch die Möglichkeit, B. c.  reflexa  
 und  ihren  Variationsverlauf  vou  der  Longispina-Reihe  abzuleiten  (vgl.  pag.  108). 
 II.  Long i spina -Re i h e . 
 Wende ich mich nun der Betrachtung der Cyclomorphose der Longispina-Formen zu, so betrete  
 ich damit ein Gebiet, über das weit weniger zuverlässiges Beobachtungsmaterial als über die Coregoni-  
 Reihe  vorliegt.  Ich  gebe  daher  im  folgenden  einerseits  eigene  neue  Beobachtungen,  andererseits  
 suche  ich  eine  Sichtung  der  schon  vorhegenden  Angaben  durchzuführen. 
 B.  c.  cisterciensis. 
 (Tab. VI.) 
 Ich  beginne mit  den Beobachtungen,  die  ich im  Jahre  1908/09  an B.  c.  cisterciensis  im Paarsteiner  
 See machte  (vgl.  dazu  die vorläufige Mitteilung:  Rühe  ’09). 
 Wie aus Tab. VI,  No.  1—9 ersichtlich ist, und wie ein Vergleich der Sommer-  (vgl. Fig.  5) mit  
 der Winterform (Fig. 6) sofort ergibt, verläuft die Cyclomorphose der B. c. cisterciensis in ganz anderem  
 Sinne  als  bei  sämtlichen  Formen  der  Coregoni-Reihe.  Das  Studium  der  Tabelle  lehrt  folgendes: 
 1.  B. c. cisterciensis ist im Sommer bedeutend (um ca. 150 (j.) kleiner als im Winter.  Von Oktober  
 an nimmt sie ganz allmählich durchschnittlich an Größe zu und erreicht das Maximum ihrer absoluten  
 Länge  am  Ende  des Winters  und  im Beginn des Frühjahrs  (17.  IV.  ’09,  13. VI.  ’09). 
 x)  Da  in  der  Dongispma-Reihe  n i e m a l s   sommerliche  Verlängerung  d er  1.  Antennen  vorkommt. 
 2.  Die  1.  Antenne  (C +  D)  ist  im  Hochsommer  (VIII.)  am  kürzesten,  fängt  vom  Oktober  
 allmählich  zu wachsen  an,  ist  am  Ende  des Winters  (17.  IV.  ’09)  am  längsten  und  nimmt  im  Juni  
 ebenso  allmählich wieder  ab.  Mit  dem Anwachsen  und Abnehmen  der  1.  Antenne halten — wie  in  
 der Regel — die Werte Pr und A +  B gleichen Schritt;  sie sind im Sommer am kleinsten,  im Winter  
 am  größten.  Die  Sommer-  und Winterwerte  für  C +  D,  Pr,  A +  B  gehen  bemerkenswerterweise  
 ohne  Sprung  allmählich  ineinander  über. 
 3.  Der  Mucro  ist  im  Sommer  etwa  doppelt  so  groß  wie  im Winter.  Auch  hier  allmählicher  
 Übergang! 
 4.  Für  die  Veränderung  der  relativen  Schalenhöhe  (H)  läßt  sich  keine  bestimmte  Gesetzmäßigkeit  
 herauslesen;  im  allgemeinen  aber scheint H  im Winter größer  als  im  Sommer  zu  sein. 
 Die  Temporalvariation  des  Auges  werde  ich  später  (auf  pag.  105)  im  Zusammenhang  mit  
 den Verhältnissen  bei  anderen Formen  behandeln.  Hier  sei nur so  viel bemerkt,  daß  das  Auge  (O)  
 zwar  relativ  im  Sommer  größer,  absolut  aber  durchschnittlich  kleiner  als  im Winter  ist. 
 Ein  eingehender  Vergleich  der  Sommer-  und  Winterform  (Fig.  5  und  6)  gestattet,  diesem  
 Bilde  der  Cyclomorphose  noch  folgende  Züge  hinzuzufügen.  Mit  der  sommerlichen  Reduktion  der 
 1.  Antennen und  der  damit  zusammenhängendenVerkürzung  des Rostrums wird  letzteres  stumpfer,  
 und  gleichzeitig  wölbt  sich  die  Stirn  (im  Sommer)  stärker  vor  dem  Auge  vor.  Hingegen  hat  die  
 Winterform eine vergleichsweise flache Stirn und ein spitzeres Rostrum.  Die Form der  1.  Antennen  
 variiert  stark,  entsprechend  der  relativen  Länge  C +  D.  Die  kurze  1.  Antenne  der  Sommerform  
 ist nur äußerst wenig gekrümmt und fast gradlinig,  dagegen ist die lange  1. Antenne  der Winterform  
 gleichmäßig,  wenn  auch  schwach  gekrümmt.  Wie gewöhnlich  steht  auch  hier  die  Länge und Form  
 des  dreieckigen  Schildchens  in  funktionalem  Verhältnis  zur  Länge  (C +  D)  der  1.  Antennen.  Im  
 Winter  ist  es  lang und  spitz,  im  Sommer  kurz  und  stumpf  (vgl.  Fig.  4  <*—t).  Ebenso  variiert  die  
 Zahl der Antennenincisuren  entsprechend der Länge der  1.  Antennen.  Im August zählte ich durchschnittlich  
 6—9,  im  April  9—14  Incisuren. 
 Weiterhin unterscheidet  sich  der  kurze  Mucro  der Winterformen  auch  seiner  Form  nach  von  
 dem langen Mucro der Sommerformen:  er ist im Winter stumpf  (vgl. Fig.  6a) und dem von B.  longi-  
 rostris  ähnlich,  im  Sommer  dagegen  spitz  (Fig.  5a).  Ferner  ist  die Bucht zwischen Mucro  und Seta  
 Kurzi,  die  im  Sommer  stark  ausgeprägt  ist,  im  Winter  völlig  reduziert.  Die  Basaldörnchen  der  
 Abdominalkralle betragen im Winter  ca.  8—10,  im Sommer  5—7.  Sehr bemerkenswert ist,  daß  fast  
 alle jahreszeitlich variierenden Merkmale kontinuierlich ohne Sprung aus ihrem sommerlichen Formzustand  
 in den winterlichen übergehen und umgekehrt, wie ein Blick auf Tabelle VI lehrt.  Besonders  
 hervorzuheben sind  die Formen  vom  13.  VI.  ’09  (Tab.  VI,  No.  6,  Fig.  7),  da  sie den Übergang von  
 dem  extremen  sommerlichen  zum  winterlichen  Formzustand  vermitteln.  Ihrer  absoluten  Länge  
 nach neigen  diese  zur Winterform.  In  der relativen Mucrolänge stehen sie den Sommerformen weit  
 näher  als  diesen  und  in  den Werten  H,  Pr,  C +  D  und A +  B  nehmen  sie  eine Mittelstellung  ein.  
 Dieser  allmähliche  Übergang  von  der Winter-  zur  Sommerform  und  umgekehrt  steht  im  Gegensatz  
 zu allen Beobachtungen  an Formen  der Coregrom-Reihe,  wurde  aber merkwürdigerweise an B. longi-  
 rostris  z.  B.  von  Steuer  konstatiert. 
 Man könnte daran denken, die Variation der Schalenhöhe H in Beziehung zur Eizahl zu setzen.  
 Doch ist zu bemerken,  daß die Eizahl bei B.  c. cisterciensis stets sehr gering ist; die höchste Zahl von  
 Eiern im Brutraum eines Weibchens war  6  (durchschnittlich  4),  und  diese  Zahl  fand  ich  sowohl bei  
 Winter-  wie bei Sommertieren.  Eine ausgeprägte Periodizität der Eiproduktion war  nicht zu konsta