Die mit 9 Ruderpaaren versehenen Larven der planktogenen Zuchten sind ca. 1,2 mm, die
mit 10 Ruderpaaren etwa 1,3 mm lang, haben also nun die Größe der entsprechenden nereidogenen
erreicht, denen sie auch in ihrem inneren Bau völlig gleichen. Nur in der Färbung unterscheiden
sie sich noch von diesen, denn sie sind heller und durchsichtiger.
Auffallend spät nämlich werden die roten und gelben Chromatophoren des Peritoneums bei den
planktogenen Larven sichtbar. Bei jungen Würmern aus Kultur No. 19, welche bereits 20 Segmente
besaßen, waren rote Chromatophoren nur im Buccalsegment und in den ersten beiden Rudersegmenten
jederseits in zwei Längsreihen vorhanden, gelbe dagegen erstreckten sich in zwei Reihen rechts und
links vom Dorsalgefäß über den ganzen Körper. Auch bei Tieren aus Kultur No. 16 m it 24 Rudersegmenten
waren die roten Chromatophoren nur bis zum 6. borstentragenden Segment vorn in zwei bis
drei, hinten in nur je einer Reihe jederseits vorhanden. Allerdings fanden sich noch in einigen der
dahinter liegenden Segmente vereinzelte rote Chromatophoren. Trotz dieses anfänglichen Mangels
an Pigment erreichen die planktogenen Würmer doch noch das Aussehen der nereidogenen, ehe sie
völlig ausgewachsen sind.
An dieser Stelle mag es geeignet erscheinen, einige B e m e r k u n g e n ü b e r die Segmentverhältnisse
des Vorderendes von Nereis einzuschieben.
Wie wir bereits sahen, war L a n g e r h a n s (1880) der erste, welcher die Entstehung der
II. Fühlercirren aus Teilen der in der Jugend des Wurmes vorhandenen Parapodien des sogenannten
Buccalsegmentes nach wies, nachdem L e u c k a r t (1849) schon lange vorher etwas ähnliches vermutet
hatte.
Die -vorliegenden Untersuchungen, welche die allgemeineren Angaben von L a n g e r h a n s
bestätigen, ergeben, daß der dorsale Ast des II. Fühlercirrus nichts anderes ist als der Dorsalcirrus,
der ventrale Ast aber der Bauchcirrus des ehemaligen Ruders des Buccalsegmentes. Allerdings entspricht
nur das äußere lange Anhangsglied der beiden Cirrusäste dem eigentlichen Cirrus des Parapodiums,
während die kurzen Basalglieder reduzierte und umgewandelte Teile des Ruders selbst sind.
Das geht aus der ganzen Entwicklung dieser Teile ohne weiteres hervor. Es ist auch zu bedenken,
daß die Cirren bei den L y c o r i d e n in der Regel ungegliedert sind, so daß das plötzliche Auftreten
eines vollendet ausgebildeten Gelenkes im Verlaufe eines Cirrus nicht recht verständlich wäre. Nun
kommen allerdings bei einigen wenigen Arten der Familie gegliederte Fühlercirren vor, d. h. solche,
deren äußeres Anhangsglied aus einer größeren Anzahl von Teilen besteht; — E h l e r s (1887) zählt
als einzige L y c o r i d e n, bei denen das der Fall ist, nur folgende auf: Nicon tahitma, Nicon (Masti-
gonereis) spinosa, Nicon (Nereilepas) augusta und Nicon a/rticidata. Bei diesen sind die äußeren Cirrusteile
etwa in der Weise gegliedert, wie wir es von den Cirren bei den S y l l i d e e n kennen, d. h. die
Segmentierung beschränkt sich eigentlich einzig und allein auf die äußere Oberfläche, welche in gewissen
Abständen Einschnürungen aufweist, unter denen die Hypodermis dünner ist, so daß der ganze
Cirrus aus einer Reihe gleichartiger, wenig gegen einander beweglicher Teile besteht. Dagegen ist
der Unterschied zwischen dem Basalglied und dem eigentlichen Cirrus bei den Fühlercirren unserer
Nereis ein fundamentaler. Das Basalglied besitzt eine komplizierte Muskulatur und vor allem reicht
das Cölom mit seinen Peritonealwandungen bis in den äußersten Abschnitt dieses Gliedes, während
der eigentliche Cirrus außer dem Nerven nur wenige Muskelfasern, niemals aber Teile der Leibeshöüle
oder des Peritoneums enthält.
Die I. Fühlercirren entstehen, wie schon längst bekannt, an den Seiten des Kopfabschnittes der
Larve, aus dem sie einfach hervorwachsen, und zwar zunächst der dorsale, ziemlich viel später auch
der ventrale Ast. Ihr Bau unterscheidet sich in keiner Weise von dem der II. Fühlercirren; auch
hier sind Basalglieder mit vielen Muskeln und Leibeshöhle durch ein Gelenk mit den eigentlichen
Cirren verbunden. Bis auf die Größenverhältnisse gleichen sich die I. und II. Fühlercirren vollständig.
Es taucht nun sofort die Frage auf: Sind die beiden Äste des I. Fühlercirrus ebenso wie die des
II. als Rücken- und Bauchcirrus eines ehemaligen Segmentes, das vor dem Buccalsegment lag, aufzufassen?
Bereits L a n g e r h a n s hat diese Frage angeschnitten, indem er zu zeigen versucht, daß das
Buccalsegment, nachdem es seine Borsten verloren hat, mit dem vor ihm liegenden Mundsegment
zu dem definitiven großen Mundsegment der L y c o r i d e n verschmilzt, wobei dann die Anhänge
der beiden vorher getrennten Segmente von dem aus der Vereinigung resultierenden übernommen
werden. - Es fragt sich nur, ob oder inwieweit eine solche Vereinigung wirklich stattfindet.
Vor der Veröffentlichung der L a n g e r h a n s ’schen Befunde wurden die sämtlichen vier
Fühlercirren einer Seite wohl ausnahmslos dem Buccalsegment selbst als ursprüngliche Anhänge zugerechnet.
So beschreibt E h l e r s (1868) bei der Gattung Nereis „die Ausrüstung des Kopflappens
mit zwei Fühlern und Palpen, und die des ersten Segmentes mit jederseits zwei Paar Fühlercirren“.
Aber auch das Bekanntwerden der Entwicklung- der Fühlercirren an zwei so verschiedenen Stellen,
wie es doch der Kopfabschnitt der Larve und die Parapodien des Buccalsegmentes sind, hat keine
bestimmtere Auffassung der Segmentverhältnisse des Lycoridenkopfes gezeitigt. Es seien hier nur
folgende Sätze aus den allgemeinen Angaben über den Bau der L y c o r i d e n zitiert:
B e n h a m (1896) „The peristomium — carries a t its edge four filiform cirri on each side “
(S. 248).
P a r k e r a n d H a s w e l l (1897) „The peristomium — bears laterally four pairs of lang
slander cylindrical tentacles“. (S. 405.)
G r a v i e r (1901) „Prostomium avec une paire d’antennes, une paire de palpes à deux articles,
deux paires d’yeux. 1er segment dépourvue de parapodes; deux paires de cirres tentaculaires de
chaque côté“.
O l a u s - G r o b b e n (1910) „Kopflappen mit zwei Cirren, zwei Palpen und vier Augen;
Mundsegment ruderlos, mit zwei Paar Fühlercirren jederseits“.
Endlich gibt auch B o h n (1906) an, daß das Buccalsegment der Nereiden vier Paar Fühlercirren
trägt. — Diese Sätze sind zugleich die einzigen, mit denen ihre Autoren die Verhältnisse der Fühlercirren
abfertigen. Von einer Verschmelzung des Buccalsegmentes mit einem anderen Segment ist
nirgends die Rede. Der einzige Autor, der sich deutlicher ausspricht und zugleich das richtige trifft,
ist R a c o v i t z a (1896), der zwar gerade von unserer Nereis dumerilii sagt, das Buccalsegment
trage die Fühlercirren, dann aber fortfährt: „On sait que ce segment est formé par la réunion de
deux segments et que les quatre cirres tentaculaires correspondent aux quatre cirres parapodiaux
de ces segments, du reste|-Finnervation justifie complètement cette manière de voir“.
Zweifellos haben L a n g e r h a n s und R a c o v i t z a recht, wenn sie die I. Fühlercirren
als die Anhänge eines vor dem Segment (1 + ) liegenden rückgebildeten Segmentes auffassen. Wie
ontogenetisch bei Nereis die Parapodien des Buccalsegmentes bald bis auf die zurückbleibenden
Cirren schwinden, so ist phylogenetisch ein vor jenem liegendes Segment rückgebildet worden, das in
der Ontogenese nunmehr schon reduziert und ohne Parapodien auftritt, von deren ehemaligem Vor