
II. Verbreitung.
1. Allgemeines über die Verbreitung der Spirostreptiden.
Die Spirostreptoidea kommen hauptsächlich in drei großen Gebieten der Erde vor: in Afrika,
worunter ich hier die madagassische Region mit einbegreife, in der orientalischen und in der neotropischen
Region.
Außerhalb dieser Gebiete finden wir nur eine Art (Tropitrachdus unidentatus) auf den Carolinen
und eine auf den Aru-Inseln (Rhynchoproctus proboscideus), beide also in der australischen Region
und 2 Arten in der nearktischen Region.
Die äthiopische und madagassische Region ¿.deren Fauna den Gegenstand der . vorliegenden
Publikation bildet, können vom Standpunkte des Spirostreptidologen als ein großes Gebiet betrachtet
werden, da die madagassische Fauna so viele nahe Beziehungen zur äthiopischen hat, daß man nach
der Verbreitung der Spirostreptiden allein wohl nicht 2 verschiedene Regionen aus diesen Gebieten
machen würde. Die Gattungen, die in Madagaskar leben, kommen mit einer einzigen Ausnahme
(Eumekius mit 2 Species) auch in Afrika vor; das Bezeichnende der madagassischen Fauna ist mehr
negativer Natur, indem die Odontopygidea und die Triaenostreptinae, die für die ä th io p lH l Fauna
charakteristisch sind und außer ihr nicht Vorkommen, in der madagassischen Region fehlen.
Die äthiopische Region ist die an Spirostreptiden reichste der Erde; in ihr sind alle Gruppen, vM
den Unterordnungen bis zu den Tribus herab vertreten und sie kann als Ausgangspunkt der gesamten
Spirostreptidenfauna gelten, Wenn wir uns eben an die heutigen Verhältnisse zur Deutung der Tatsachen
halten; da das paläontologische Material uns diesbezüglich ganz.im Stiche'läßt, können wir
auch nichts anderes tun, allerdings wohl bewußt, daß das leicht zu Trugschlüssen führt.
Von der äthiopischen Region aus hat sich in die orientalischeRegion nur die Familie fejtHarpago-
phoridae verbreitet, die hier in 5 Gattungen vertreten ist: Thyropygus, Ktenostrepbm., Eremobdus,
Rhynchoproctus und Anurostreptus. Thyropygus hat auch in Südafrika und Madagaskar je einen
Vertreter, jedoch seine Hauptverbreitung auf den Sundainseln, wo sie in zahlreichen Arten lebt; weiter
östlich als auf .den Philippinen und Borneo wurde sie nicht mehr gefunden, fehlt also, so wie die anderen
oben genannten relativ artenarmen Gattungen, in der australischen Region. Aus dieser Wird nur eine
Art einer neuen Gattung (Tropitrachdus) angegeben, die nach der recht kurzen Beschreibung zu
schließen, zu den Trachystreptini gehört, einer Tribus, die sonst nur in der äthiopischen Region verbreitet
ist, so daß das Vorkommen von Tropitraehdus auf den Carolinen recht merkwürdig ist. Die
zweite aus der australischen Region bekannte Art, Rhynchoproctus proboscideus, lebt außer auf Aru
auch auf Celebes. Die Spirostreptiden A m e r i k a s gehören alle in die Tribus der Spirostreptini.
Wie schon oben erwähnt, sind die Spirostreptiden Amerikas fast ganz auf das neotropische Gebiet
beschränkt, nur 2 Arten werden aus Nordamerika angegeben, Sp.- nndtiannulatus M. Ne® und
Sp. montezumae Sauss., von denen die letztere zuerst aus Mexico bekannt wurde. Alle anderen sind
zentral- und südamerikanisch. Mehrere Gattungen und Untergattungen sind Südamerika und Afrika
gemeinsam, nämlich: Subgen. Spirostreptus, Subgen. Scaphiostreptus, Gen. Alloporus, Plusioporus,
Subgen. Orthoporus, Die anderen Gattungen (Subg. Epistreptus, Subg. Cladostreptm, Gen. Pempto-
porus, Autostreptus, Subgen. Gymnostreptus, Subg. Diaporus, Xmostrcptus) leben nur .in Südamerika.
In Amerika fehlen ganz die Tribus Trachystreptini, Subfam. Triaenostreptinae, Farn. Harpagophoridae
und Subordo Odontopygidea. Silvestri hatte zwar eine „Odontopyge“ paraguayensis beschrieben,
später jedoch selbst den Namen in Heteropyge umgeändert; aus der mangelhaften Beschreibung erkennt
man mit Sicherheit nur, daß es überhaupt keine Odontopygide ist.
Wenn wir in großen Zügen das Gesagte über die Verbreitung der Spirostreptiden resümieren,
können wir sagen: in der äthiopischen Region sind alle Gruppen der Spirostreptiden vertreten, in der
madagassischen Region leben mehrere Gattungen, die auch in Afrika Vorkommen und nur eine endemische
Gattung {Eumekius). In der orientalischen Region sind nur 5 Gattungen von Harpagophoridae
vertreten, eine Familie, die sonst noch in Südafrika lebt. Die neotropischen Arten gehören alle zu
den Spirostreptini; mehrere Gattungen sind Südamerika und Afrika gemeinsam.
Die letztere Beziehung läßt sich am leichtesten erklären, wenn wir die S ü d a t l a n t i s
gelten lassen, die ja noch in der älteren Tertiärzeit bestanden haben soll. In der neueren Zeit wird
die Existenz früherer großer Landbrücken zwischen den südlichen Kontinenten zwar geleugnet und
die Erklärung für die heutige Verbreitung darin gesucht, daß die Verbreitung von Norden her divergierend
in die auf der südlichen Hemisphäre weit auseinander liegenden Ländermassen erfolgte, so
neuestens insbesonders von Kollegen Handlirsch. Wir, die die Paläontologie, wie schon gesagt, ganz
im Stiche läßt, können zu dieser Frage kaum Stellung nehmen. Die heutige Verbreitung spricht
freilich zu Gunsten der Südatlantis.
Schwieriger sind die anderen Fragen, nach den B e z i e h u n g e n z w i s c h e n S ü d a
f r i k a unpH d e r o r i e n t a l i s c h e n R e g i o n und denjenigen A f r i k a s zu Ma d a g
a s k a r zu lösen, weil die Ergebnisse der Systematik und der Zoogeographie einander widersprechen.
Es sind 2 Punkte, die erklärt werden müssen, das Vorkommen der Harpagophoridae in Südafrika,
Madagaskar und in der orientalischen Region, und das Fehlen der Odontopygidea in der madagassischen
Region.
Was ersteres betrifft, V e r b r e i t u n g d e r H a r p a g o p h o r i d a e , wird man natürlich
zur Erklärung die alte Landbrücke, welche Südafrika über Madagaskar mit Indien verbunden hat,
die indomadagassische Halbinsel oder Lemurien heranziehen. Auffallend ist immer, daß die meisten
afrikanischen Harpagophoridae jetzt auf den südwestlichen Teil Südafrikas beschränkt sind, und
daß in Natal und Madagaskar nur je eine Art der sonst ostindischen Gattung Thyropygus lebt, die
wir keineswegs als Ausgangspunkt für die afrikanischen Gattungen ansehen können, sondern deren
Vorkommen eher auf eine rezente Verschleppung zurückzuführen wäre.
Der zweite Punkt, das vollständige F e h le n der in der äthiopischen Region so wohl entwickelten
Odontopygidea auf Madagaskar läßt darauf schließen, daß die Abspaltung der
Odontopygidea vom Hauptstamme der Spirostreptiden erst nach der endgültigen Trennung Madagaskars
von Afrika, also erst nach der jüngeren Tertiärzeit, erfolgte. Dann wären aber die Odontopygidea
viel jüngeren Ursprungs als die Harpagophoridae, da die Landverbindung zwischen Indien
und Madagaskar-Afrika schon längst unterbrochen war, als Madagaskar mit dem Festlande von
Afrika noch in Verbindung war. Die Geologie würde uns also zu folgendem Stammbaum führen:
Spirostreptidae Odontopygidae
Harpagophoridae