B. c. berolinensis. Im Anfang des Oktober treten die ersten Geschlechtstiere auf, im Dezember ist
(spätestens!) die Geschlechtsperiode total: d. h., die Form ist n u r noch durch Geschlechtstiere
vertreten. Im Januar wird B. c. thersites im Plankton seltener: die Form beginnt allmählich aus dem
Plankton zu verschwinden. Das Fehlen von März- und Februarfängen verhindert auch hier ein
sicheres Urteil über den weiteren Verlauf der Fortpflanzungsverhältnisse, doch läßt sich aus dem
Auftreten nur weniger, junger, eierloser P$$ im März, sowie aus dem erwähnten allmählichen Zurückgehen
der Geschlechtstiere im Januar schließen, daß B. c. thersites tatsächlich nach der totalen
Geschlechtsperiode aus dem Plankton verschwindet und vom Januar bis zum März etwa in Latenzeiern
den Winter überdauert. Die E$$ sind in der Hauptsache durch Früh wintertiere repräsentiert,
doch können auch Weibchen, die noch nicht ganz den Frühwinterzustand erreicht haben (vgl. Fig. 53),
mitunter schon ein Ephippium tragen. Die scharfe morphologische Trennung der Frühwinter- von den
Spätwinterformen dürfte hier wie bei B. c. berolinensis mit der Latenzzeit, die zwischen beiden Formzuständen
liegt, im Zusammenhang stehen. — Über die jahreszeitlichen Variationen junger Tiere
von B. c. thersites vgl. pag. 57.
4. Crassicornis-Gruppe.
(Tab. V.)
Wende ich mich jetzt der Crassicornis-Gruppe, der letzten Formengruppe der Coregoni-Reihe
zu, so zeigt hier die Cyclomorphose ein von dem bisherigen stark abweichendes Bild.
Zur Crassicornis-Gruppe gehören: B. c. crassicornis und B. c. globosa. Ich studierte die Temporalvariation
der B. c. crassicornis des Madüsees (Material von Herrn Professor Weltner) und des
Paarsteiner Sees. Es handelt sich bei diesen beiden Orassicorms-Kolonien um Lokalrassen, die sich
voneinander in mehrfacher Hinsicht unterscheiden, weshalb ich hier — im Gegensatz zu den bisher
behandelten Formen des Spree-Dahme-Havel-Gebietes — die Maßzahlen für diese beiden Lokalrassen
in Tab. V getrennt auf führen und betrachten muß. Die Unterschiede der beiden Lokalrassen,
die sich aus einem Vergleich der Maßzahlen leicht ergeben, sind folgende:
1. Die B. c. crassicornis des Paarsteiner Sees hat zu allen Jahreszeiten längere 1. Antennen
(G + D) als die des Madüsees; Maximal- und Minimalwert für C + D liegen bei ersterer merklich
höher als bei letzterer.
2. Die Temporalvariation, die die Projektion der 1. Antenne zeigt, verläuft in beiden Seen in
verschiedenem Sinne. Dies wird im folgenden noch näher zu besprechen sein!
3. Die relative Schalenhöhe H erreicht im Paarsteiner See1) nie den Wert 1000, den sie in der
Madü überschreitet.
Um nun zuerst über die Richtung, in der die Cyclomorphose der Crassicornis verläuft, Klarheit
zu erlangen, vergleiche man die Maßzahlen und Abbildungen von Hochsommertieren (Madü Tab. V,
No. 2 und 3, Fig. 62 und 63; Paarsteiner See Tab. V, No. 7) mit denen von Spätwintertieren (Madü
Tab. V, No. 1, Fig. 64; Paarsteiner See, Tab. V, No. 11, Fig. 65 und 66).
Es ergeben sich bei beiden Lokalrassen ü b e r e i n s t i m m e n d folgende Unterschiede
zwischen Hochsommer- imd Spätwinterformen:
*) Doch hängt dies möglicherweise damit zusammen, daß mir Fänge mit voll ausgewachsenen Hochsommertieren vom
Paarsteinersee fehlen.
1. Die 1. Antennen C + D sind im Sommer beträchtlich kürzer als im Winter, und zwar kommt
die sommerliche Verkürzung hauptsächlich durch Reduktion des Endteils D zustande.
2. Trotzdem ist das Rostrum A + B auffallenderweise im Sommer länger als im Winter.
3. Der relative Augendurchmesser 0 ist im Sommer kleiner als im Winter.
Weniger wichtig und augenfällig sind die beiden folgenden Punkte:
4. Die absolute Länge ist im Sommer größer als im Winter. Dies scheint nur für den Madüsee,
nicht dagegen für den Paarsteiner See zu gelten (vgl. jedoch die Anm. auf vorhergehender Seite).
5. Die relative Schalenhöhe H ist im Sommer größer als im Winter. Auch dieser Punkt tritt
im Paarsteiner See nicht so deutlich hervor wie im Madüsee.
6. Ein weiterer aus den gegebenen Maßzahlen nicht zu ersehender Unterschied zwischen
Hochsommer- und Winterformen von B. c. crassicornis besteht darin, daß die relative Schalenbreite
bei Sommertieren bedeutend breiter als bei Wintertieren ist. Zahlenangaben kann ich hier jedoch —
wegen der Schwierigkeiten, die sich dem Messen der Breite entgegenstellen — leider nicht geben.
V e r s c h i e d e n verläuft bei beiden Lokalrassen die Temporalvariation des Wertes Pr.
(Projektion der 1. Antennen). Dieselbe ist im Madüsee im Hochsommer merklich größer als im Winter,
während im Paarsteiner See das Umgekehrte der Fall ist.
Vergleiche ich den eben kurz skizzierten Verlauf der Cyclomorphose von B. c. crassicornis
mit dem von B. c. coregoni, die den mutmaßlichen Stammformen der B. c. crassicornis am nächsten
stehen dürfte (vgl. pag. 59/60), so stimmen dieselben in den Punkten 2—5 überein. Lasse ich Punkt 6
vorläufig beiseite, so besteht ein wesentlicher Unterschied in der Temporalvariation der beiden
erwähnten Formen darin, daß bei B. c. crassicornis die 1. Antenne im Sommer reduziert wird, während
sie bei B. c. coregoni (und überhaupt bei allen übrigen Formen der Coregoni-Beihe) im Sommer verlängert
wird. Auffällig ist aber dabei in erster Linie folgendes: Während bei allen übrigen Formen
von B. coregoni1) (also sowohl bei denen der Coregoni- wie der Longispina-Reihe) mit einer Reduktion
der 1. Antennen (C+D) stets auch eine Reduktion des Rostrums (A+B) Hand in Hand geht (und mit
einer Verlängerung von C + D auch eine Verlängerung von A + B), findet dies bemerkenswerterweise
bei B. c. crassicornis nicht statt. Trotzdem bei B. c. crassicornis C + D im Laufe des Sommers
abnimmt (hierin im Gegensatz zu B. c. coregoni), nimmt A + B im Sommer zu (hierin übereinstimmend
mit B. c. coregoni). Ich glaube diesen entgegengesetzten Verlauf in der Variation zweier sonst ganz
allgemein in gleichem Sinne variierender Merkmale nur durch die Annahme verstehen zu können,
d a ß d i e T em p o r a l V a r i a t i o n d e s e i n e n Me r kma l s b e i 5. c. c r a s s i c o r n ü e in e
g a n z n e u e R i c h t u n g e i n g e s c h l a g e n h a t , i n d e r i h r d i e s o n s t p a r a l l e l
g e h e n d e V a r i a t i o n de s a n d e r e n Me r kma l s n i c h t g e f o l g t i st . Es kann bei der
innerhalb der Coregoni-Reihe völlig allein dastehenden Variationsrichtung der 1. Antenne und dem
normalen Verhalten des Rostrums gar kein Zweifel bestehen, daß das Merkmal, das hier neue Bahnen
eingeschlagen hat, die Variation der 1. Antenne sein muß. Es ergibt sich somit, daß das Merkmal,
das in erster Linie B. c. crassicornis von B. c. coregoni unterscheidet, die kurzen und an der Basis
dicken 1. Antennen der Hochsommerformen, eine progressive Neuerwerbung der B. c. crassicornis ist.
Vergleicht man nun Winterformen von B. c. crassicornis (Fig. 64—66) mit Winterformen
von B. c. coregoni, so zeigt sich auch hier wieder, daß 3 infolge der winterlichen Verlängerung
der 1. Antennen bei B. c. crassicornis — die beiden Winterformen einander bei weitem nicht so fern
stehen, wie die zugehörigen Sommerformen, und dies beruht darauf, daß der Schritt, um den sich die
x) Diese Regel gilt übrigens auch für B. longirostris.