
Stammformen aus der Longicornis-Insignis-Gruppe weisen, und andererseits solche, die vorwä r t s zur
Eucoregoni-Giwpipe hin tendieren. B. c. Jcessleri erweist sich damit auch ihrer Temporalvariation nach
als ein Bindeglied zwischen den beiden erwähnten Gruppen, die sich auf den ersten Blick morphologisch
und biologisch sehr fern zu stehen scheinen.
Gelegentliche Andeutungen über die Temporalvariation von Formen, die der B. c. Jcessleri
nahestehen, machte Lilljeborg (’01) über seine B. mixta var. humilis. Er bildet zwei Herbstformen
und eine Spätwinterform seiner B. mixta var. Jmmilis vom Wendelsee ab. Die Spätwinterform unterscheidet
sich einmal, wie gewöhnlich innerhalb der Coregoni-Reihe, von den Herbstformen durch
kürzere 1. Antennen, auffälligerweise aber außerdem durch stärkere Entwicklung der Schalenstacheln
(und der Seta Kurzi). In diesem Punkte verhält sich die Wendelseeform gerade umgekehrt
wie die von mir beobachteten Kessleri-Eormen, bei denen im Gegenteil im Winter eine Reduktion
des Mucros zu konstatieren war. Ich sehe darin einen weiteren Beweis (vgl. pag. 41/42) dafür, daß
die Lilljeborgsche B. mixta var. humilis ni c ht mit der norddeutschen B. c. Jcessleri zu identifizieren ist..1)
B. c. lilljeborgii.
Die Cyclomorphose dieser Form zu studieren, hatte ich leider keine Gelegenheit. Ich führe
deshalb hier kurz die von Wesenberg-Lund (’08) an der B. c. lilljeborgii des Sorösees gemachten Beobachtungen
an.
Die Sommerformen vom Juni bis Ende Oktober haben eine große relative Schalenhöhe (H ==
1000) und lange 1. Antennen (C -f- D > 1000). Der Dorsalkontur weist infolge seiner Höhe einen
deutlichen Buckel auf, vor dem sich meist eine Konkavität befindet.
Die Winterformen, die vom November bis Ende Mai und ausnahmsweise bis zum Juli (!)
angetroffen werden, haben eine niedrigere Schalenhöhe (H <C 1000, oft nur 2/ 31000), ihr Dorsalkontur
ist nicht bucklig aufgetrieben, vordere Dorsalkonkavität fehlt. Die 1. Antennen sind kürzer als im
Sommer und nehmen im Laufe des Winters an Länge ab, so daß bei Frühwintertieren (November)
C -f- D = 750, im Januar = 500 und bei Spätwintertieren nur = 250 ist.
Bei dieser Form glaubt Wesenberg-Lund auch jahreszeitliche Variationen an jungen Tieren feststellen zu können, die sich
darin äußern sollen, daß. junge Sommertiere m it etwas längeren 1. Antennen als junge Wintertiere geboren werden. — Eine starke
(jedoch n i c h t totale) Geschlechtsperiode beobachtete Wesenberg-Lund im Oktober bis November, die sieh bis zum J a n u a r hinzog.
Gehe ich nun an den Vergleich des Variations verlauf es von B. c. lilljeborgii mit dem der vorher
betrachteten Formen, so zeigt sich, daß der wesentlichste Punkt in der Cyclomorphose von B. c.
lilljeborgii die recht beträchtliche Differenz der relativen Schalenhöhe bei Sommer- und Winterformen
ist. D ie T e m p o r a l v a r i a t i o n v o n B. c. l i l l j e b o r g i i i s t h a u p t s ä c h l i c h e i n e
V a r i a t i o n d e r H ö h e n a c h s e . P a r a l l e l mi t l e t z t e r e r g e h t a u c h h i e r e i n e
V a r i a t i o n d e r L ä n g e d e r 1. An t e n n e n . Das Mucrorudiment der von Wesenberg studierten
Soröseeform scheint nur minimal und deshalb keinerlei Variationen mehr unterworfen zu sein;
wenigstens berichtet Wesenberg-Lund nichts darüber.2) Somit ist bei B. c. lilljeborgii der Variations-
1) Bemerkenswerterweise s te h t die Lilljeborgsche B . mixta var. humilis durch ihre vorragende Stirn und großes Auge
der B. obtusirostris [Longispina-Reihe) sehr nahe, un d das gilt, wie Lilljeborg selbst angibt, noch in weit höherem Maße von der
erwähnten Winterform. Ich vermute .daher, daß die schwedische B. mixta var. humilis direkt von B. obtusirostris abzuleiten ist und
die Ähnlichkeit ihrer Sommerformen m it der norddeutschen B. c. kessleri auf Konvergenz beruht. Eingehendere Untersuchungen
über die Cyclomorphose der Lilljeborgschen B. mixta var. humilis wären sehr erwünscht, d a sie Aufschluß über die Stellung dieser
Form bringen könnten.
2) Es is t zu erwarten, daß bei Lilljeborgii-Formen m it längerem Mucro die Winterformen kürzere Mucrones besitzen als die
Sommerformen.
verlauf der Longicornis-Insignis-Gruppe, der in einer sommerlichen Verlängerung des Mucros bestand,
schon vollständig umgeschlagen in den Variationsverlauf, wie er bei den Formen der Eucoregoni-Giu.^e
herrscht. Somit steht B. c. lilljeborgii nicht nur systematisch von allen bisher betrachteten Formen
der Longicornis-Insignis-Giwp^e am fernsten, sondern sie weicht auch im Verlaufe der Cyclomorphose
am weitesten von dieser Gruppe ab, und zwar verfolgt sie dabei die Richtung, die schon
B. c. Jcessleri eingeschlagen hat, weiter.
Schließlich sei auch hier darauf hingewiesen, daß die Spätwinterformen von B. c. Jcessleri
und B. c. lilljeborgii einander so nahe stehen, daß sie überhaupt nicht zu unterscheiden sind. Denn
die Winterform von B. c. lilljeborgii besitzt nicht die hohe relative Schalenhöhe (H <C 1000), die
die Sommerformen gegenüber der B. c. Jcessleri auszeichnet. Vielmehr wird dieser Vorwärtsschritt
in der Formentwicklung der Sommerformen von den Winterformen wieder rückgängig gemacht.
3. Eucoregoni-Gruppe.
Die Cyclomorphose von Formen der Eucoregoni- Gruppe, zu der die gemeinsten und verbreitetsten
Formen von Bosmina coregoni gehören, ist am häufigsten studiert worden, und die Ergebnisse
der einzelnen Beobachter stimmen in allen wesentlichen Punkten überein. — Die ersten Andeutungen
über Temporalvariation bei Bosmina coregoni überhaupt stammen wohl von Zacharias (’94), der
an der Bosmina coregoni des Großen Plöner Sees im November eine Verkürzung der 1. Antennen um
ein Drittel der sommerlichen Länge beobachtete. Dann beobachtete Seligo (’00), daß die Bosmina
coregoni des Stuhmer-Hintersees im Winter und Frühjahr durch die forma rotunda Schoedler vertreten
ist, allmählich vom Juni bis September in die forma intermedia Poppe (wohl richtiger gibbera) übergeht
und danach (Oktober) in die alte Form zurückkehrt. Aus der Figurenserie, die Seligo zur Veranschaulichung
der Cyclomorphose der Stuhmer Bosmine gibt, ist ersichtlich, daß es sich bei der Temporalvariation
dieser Form im wesentlichen um eine starke sommerliche Vergrößerung von H (mit
Buckelbildung) und gleichzeitige Verlängerung der 1. Antennen handelt. Gegen Ende des Sommers
findet (von Anfang Oktober an) eine a l l m ä h l i c h e Reduktion der erwähnten sommerlichen
Charaktere statt, während im Frühjahr ein größerer S p r u n g von den Spätwintertieren (Seligos
Fig. 53—55) zu den Frühsommertieren (Fig. 56 u. f.) erfolgt.
Nur geringfügige Hinweise auf die Cyclomorphose von B. coregoni lassen sich aus Lilljeborgs
(’01) und Meißners (’04) Angaben und Abbildungen entnehmen.
Eingehendere Beobachtungen teilt Linko (’03,1) über die B. coregoni des Ilmensees mit. Er
beschreibt (unter Angabe von Maßen) 5 verschiedene jahreszeitliche Formzustände. Im Juli beobachtete
er (Hochsommer-)Formen mit sehr langen 1. Antennen (C + D = ca. 1200) und großer relativer
Schalenhöhe (H = 1400), die er mit seiner B. c. var. warpachowsJcii für identisch erklärt. Im September
beobachtete er Spätsommerformen, deren 1. Antennen (C-J-D = ca. 700) und Schalenhöhe schon
reduziert waren, im Oktober fand er Formen, deren Schalenhöhe noch mehr verkürzt (H —1000),
und deren absolute Länge ebenfalls reduziert war. Diese Formen (die ich Früh winterf ormen nennen
würde) identifiziert er mit B. c. rotunda Schoedler.
Dieselben trugen z. T. Ephippien. <$$ fanden sich Ende September u nd Anfang Oktober. Einen vierten Formzustand
repräsentieren Zwischenformen zwischen B. c. var. warpacliowskii (Hochsommer) und B. c. rotunda (Frühwinter), die teils im Juli,
teils im Oktober gefunden wurden, einen fünften Zustand schließlich wenige sehr große und plumpe Exemplare vom Juli. (Vielleicht
extreme I-Iochsommertiere!)