
hang zwar von dem einen See zum ändern Wasser gelangen kann, nicht aber umgekehrt; dies wird der
Fall sein, wenn der Wasserspiegel des einen Sees beständig höher als der des anderen liegt, da dann
die Strömungsrichtung in stets gleichem Sinne von dem höher gelegenen See zum tiefer liegenden
erfolgen wird. Bei Seen mit w e c h s e l s e i t i g e m Wasseraustausch dagegen liegt bald der Wasser^
spiegel des einen, bald der des anderen Sees höher, so daß die Strömung bald im einen, bald im anderen
Sinne erfolgt. Die Vorbedingungen zum wechselseitigen Wasseraustausch werden wohl nur bei Seen
mit geringen Niveaudifferenzen erfüllt sein.
Es ist von vornherein einleuchtend, daß die erwähnten Verhältnisse für die Ausbreitung der
Planktonten in zusammenhängenden Seengebieten von größtem Einfluß sind.
Wende ich mich nun nach diesen allgemeinen Bemerkungen der Verbreitung der Formen
von Bosmina coregoni in solchen zusammenhängenden Seengebieten zu, so können entweder in v e r s
c h i e d e n e n Teilen eines derartigen Gebietes v e r s c h i e d e n e Formen von B. coregoni angetroffen
werden, oder in dem g a n z e n S e e n s y s t e m kann e i n und d i e s e l b e Form und
Kasse von B. coregoni verbreitet sein. Um nun gleich die oben angestellten allgemeinen Erörterungen
zu verwerten, so liegt es auf der Hand, daß zur Erklärung des Vorkommens verschiedener Bosmina-
formen in den einzelnen Teilen eines zusammenhängenden Gebietes in erster Linie die Strömungsverhältnisse
herangezogen werden müssen, und zwar muß zuerst berücksichtigt werden, ob die einzelnen
Becken in wechselseitigem oder einseitigem Zusammenhang stehen.
Zuerst einige Beispiele für die Verbreitung der Bosminenformen in Gebieten mit einseitigem
Wasseraustausch (also konstanter Strömungsrichtung), die unter Berücksichtigung der Strömungsrichtung
ihre Erklärung finden werden.
Im Ellbogensee (5—17 m tief) mündet der in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
erbaute Müritz-Havelkanal in die obere Havel. Letztere hat während ihres Verlaufes in der mecklenburgischen
Seenplatte durchaus lakustren Charakter, d. h. sie besteht aus größeren und kleineren Seen,
die sich eng aneinander reihen; mitunter vermittelt allerdings der nur wenige Meter breite Havellauf
die Verbindung dieser Seen; gleiches gilt für die Seen des Müritz-Havelkanals, nur daß hier der verbindende
Wasserlauf wenigstens streckenweise künstlich ist. Im Kanal herrscht eine konstante
Stromrichtung von der Müritz zur Havel, und man wird daher eine Beeinflussung des Havelplanktons
durch das der Kanalseen unterhalb der Einmündung des Kanals in die Havel erwarten dürfen.
Bosmina coregoni zeigt nun folgende Verbreitungen dem geschilderten Seengebiete. In den
untersuchten Havelseen oberhalb der Einmündung des Kanals (es sind dies vom Ellbogensee stromaufwärts
gerechnet folgende Seen: Priepert-, Wangnitz-, Drewen- und Woblitzsee1) bei Wesenberg)
findet sich als e i n z i g e Form von B. coregoni eine recht typische B. c. ihersites. In den Seen des
Müritz-Havelkanals kommt dagegen als e i n z i g e Form eine B. c. coregoni f. diaphana2) vor, die
im Hochsommer3) wahrscheinlich sich mehr der B. c. lüljeborgii nähert. Im Ellbogensee findet nun
eine Mischung der von der Havel und vom Müritz-Havelkanal mitgeführten Bosminen statt, so daß
hier B. c. coregoni f. diaphana und B. c. thersites in ungefähr gleichen Zahlenverhältnissen nebeneinander
a) Im Woblitzsee leb t auch B. c. crassicornis. ln einem Exemplar fand ich dieselbe auch im Ziernsee, wohin sie wohl vom
Woblitzsee verschlagen war.
*) Diese Form scheint überhaupt in den mecklenburgischen Seen die dominierende Form von B. coregoni zu sein; denn
sie findet sich auch in den zur Havel entwässernden Lychener Seen (Haus-, Moderfitz-, Gr. Lychener-, Zens-, Wurlsee), dem zu
den Rheinsberger Gewässern gehörenden Gr. Zechlinersee, dem Stechlinsee und dem Thymensee bei Fürstenberg (der ebenfalls
zur Havel entwässert).
3) Meine Beobachtungen stammen vom Ende September.
Vorkommen. In den havelabwärts folgenden Seen, dem Ziernsee und dem Menowsee, finden sich
ebenfalls noch beide Formen; doch im Ziernsee ist B. c. ihersites schon seltener als im Ellbogensee,
und im Menowsee tritt sie noch mehr gegen B. c. coregoni f. diaphana zurück. Es folgt dann flußabwärts
die etwa 2,5 km lange sog. Steinhavel, die nicht lakustren Charakter trägt, und sodann der
Röblinsee bei Fürstenberg, in dem B. c. coregoni f. diaphana die dominierende Form ist, während
ich B. c. thersites daselbst nur noch in wenigen Exemplaren fand. Unmittelbar an den Röblinsee
schließen sich havelabwärts zwei kleinere Seen, der Baalen- und der Schwedtsee, an, deren Plankton
nicht untersucht wurde, und dann folgt der große Stolpsee (14 m tief), in dem B. c. thersites sich nicht
mehr findet, B. c. coregoni f. diaphana dagegen massenhaft vertreten ist. Es ist offensichtlich, daß
die geschilderte Verbreitung der Formen von B. coregoni durch die Strömungsverhältnisse zu erklären
ist, Man wi r d an ne hmen dür fen, daß die von der Ei nmü n d u n g des Kana l s in die Have l
an a u f t r e t en d e B. c, coregoni f. diaphana vor Erb a u u n g des Müritz-Have l k ana l s noch
n i c h t die Havelseen bevöl ker t e. Dur ch die (stets gleichsinnig) z u r Havel g e r i c h t e t e
Ka n a l s t römu n g dagegen i st d ie s e Form in die Havel e i n g e s e h l e ppt worden und h a t
s ich a l l m ä h l i c h in den Have l s e e n u n t e rh a lb der Ka na l e inmündu ng a n g e s ie d e lt.
Sehr bemerkenswert ist auch die allmähliche Abnahme der B. c. thersites und das gleichzeitige
Überhandnehmen der B. c. coregoni f. diaphana in den Havelseen vom Ellbogensee abwärts. Entweder
sagen die Verhältnisse in den unteren Seen der B. c. thersites immer weniger zu, oder sie wird
daselbst durch B. c. coregoni f. diaphana verdrängt.
Auch in der oberen Partie des Müritz-Havelkanals, wo derselbe den Müritzsee verläßt, ist der
Einfluß der Strömungsverhältnisse auf die Verbreitung der Bosminenformen zu konstatieren. Der
im ganzen von der Müritz bis zur Havel etwa 35,5 km lange Kanal beginnt als Schleusenkanal im
Südosten des Hauptbeckens der Müritz. Er verläuft zuerst etwa 4,5 km östlich und benutzt dabei
ein flaches, „durch starken Torfzuwachs der westlichen Hälfte jetzt in zwei Wasserspiegel“ x) zerlegtes
Becken, den kleinen, noch nicht 2 m tiefen Caarpsee und dann den größeren östlichen Woterfitzsee
von rundlicher Gestalt (von 4 m Tiefe). An das südliche Ufer des Woterfitzsees reiht sich dann, durch
den 1,20 m tiefen Kanal verbunden, eine ziemlich gerade von Norden nach Süden verlaufende Seenkette.
Diese Seen, die im Durchschnitt eine Breite von 0,4 km haben, sind durch schmale Landzungen
voneinander getrennt. Sie sind von Norden nach Süden folgende: „Der fast 2,5 km lange, 5—6 m
tiefe Leppinsee, die durch breites Alluvialvorland sehr eingeengte, nur 2 m tiefe Mössel, der 5 m tiefe
Gr. und 2 m tiefe Kl. Kotzowersee; durch eine Moorzunge halbiert der 2,5 m tiefe Granzower-Möschen;
hier erfolgt in dem etwas verbreiterten Tal eine völlige Scheidung des Wasserspiegels durch eine
Moörniederung, durch die ein 1,5 m tiefer Graben zum folgenden 6,5 m tiefen Mirower See führt.“
Bis zum Südende des Mirower Sees h at diese nord-südlich verlaufende Seenkette eine Länge von 9 km.
Nach einem etwa 2 km langen Durchstich durch Torfniederung folgt dann der Zotzensee, der weiterhin
in offener natürlicher Verbindung mit dem Mössen- und Vilzsee steht. Die Verteilung der Bosminenformen
im Plankton dieses zusammenhängenden Seengebietes ist nun folgende: Im Müritzsee finden
sich B. c. coregoni f. diaphana und B. c. herolinensis. Erstere kommt auch in allen Kanalseen vom
Caarpsee bis zum Vilzsee und auch weiter bis herunter zur Havel sehr häufig vor. B. c. herolinensis
dagegen findet sich nur in den obersten, der Müritz naheliegenden Kanalseen, fehlt aber in den unteren
Kanalseen. Sie wurde im Woterfitz- und Leppinsee, in der Mössel, im Gr. Kotzower See, im Granzower-
Möschen und schließlich (in ganz wenigen Exemplaren) im Nordende des Mirower Sees angetroffen.
*j Nach E. Geinitz, Die Seen, Moore und Flußläufe Mecklenburgs. Güstrow 1886.