
halb weniger Tage schwärmen und dann auf diese zu wenig Männchen fielen, — so schließt Ma y e r ,
daß irgend eine solche Ursache dazu beigetragen habe, die Brutzeit des atlantischen, aber auch die
der übrigen Palolos zu kürzen. Diese Vermutung möchte richtig sein, wenn man die früher erwähnten
von Wi l s o n , S o r b y usw. berichteten Fälle in Betracht zieht, wie es Ma y e r getan hat. Nicht
ganz paßt aber in dieses Schema der Tatsachenbefund, den ich an dem mir zugänglichen Material
konstatieren konnte.
Von den 163 Nereis dumerilii der kleinen heteronereiden Form, die ich während meines ganzen
Aufenthaltes in Neapel aus dem Meere erhielt und deren Geschlecht ich feststellte, waren
109 Männchen und 54 Weibchen
oder 66,87 % Männchen und 33,13 % Weibchen
d. h. beinahe genau doppelt soviel Männchen als Weibchen. Genau so verhielt sieh der eine
größte Fang vom 13. April 1909, wo von 36 Individuen 24 Männchen und 12 Weibchen waren.
Dagegen waren von 153 heteronereiden Nereis dumerilii aus dem großenSchwarm vom 2. Mai 1908
92 Männchen und 61 Weibchen
oder 60,13 % Männchen-und 39,87 % Weibchen
d. h .: es verhielt sich die Menge der Männchen zu der der Weibchen wie 3: 2.
Endlich gehörten von 23 von mir auf ihr Geschlecht geprüften frisch aus dem Meere kommenden
heteronereiden Nereis coccinea nur 11 dem männlichen, aber 12 dem weiblichen Geschlechte
an; das Verhältnis war also etwa 1:1.
Danach verhält sich also Nereis dumerilii— wenigstens im Golf von Neapel — im günstigsten
Falle genau so wie Eunice fucata. Es mag aber zu Gunsten von M a y e r ’ s Theorie sprechen, daß
das Verhältnis der Geschlechter bei unserer Nereis, das bei dem gewöhnlichen Schwärmen 2 Männchen
auf je 1 Weibchen kommen läßt, in dem großen Brutschwarm sich zum Vorteil der Weibchen in 3: 2
verwandelte, wie es dieser Autor doch für den Fall spontanen Schwärmens fordert.
Wenn die Resultate der in diesem Abschnitt vorgeführten Ableitungen auch keinerlei Anspruch
auf Genauigkeit machen können, so zeigen sie doch wenigstens das eine, wie nämlich durch ein planmäßiges
Vorgehen die bisher noch so ganz rätselhafte Einwirkung des Mondes auf physiologische
Vorgänge sehr wohl näher analysiert und so der Erkenntnis zugänglicher gemacht werden kann.
Sollten die hier gegebenen Ausführungen auch nur dazu anregen, daß hier und da an geeigneten
Orten das Schwärmen irgendwelcher heteronereider L y c o r i d e n oder auch anderer eine Epitokie
aufweisender Polychaeten durch eine längere Reihe von Jahren hindurch beobachtet, wenn möglich
quantitativ exakter bestimmt würde, so hätten sie schon ihren Zweck erfüllt. Unsere Kenntnis
der kausalen Zusammenhänge solcher Erscheinungen ist noch viel zu gering, als daß sich schon jetzt
die bisher bekannten wenigen Tatsachen zu einem zusammenhängenden Bilde vereinigen ließen.
Erst in den allerletzten Jahrzehnten hat man begonnen, den kosmischen Einflüssen auf die Vorgänge
auf der Erde ein regeres Interesse darzubringen. Vielleicht sind diese Einflüsse von größerer Bedeutung,
als man bisher annahm, vor allem für die Organismenwelt, da sie in erster Linie auf das Klima
und die meteorologischen Erscheinungen wirken, von denen dann wieder viele Lebenserscheinungen
der Tiere und Pflanzen abhängen. Es ist mehrmals versucht worden, speziell den Wechsel des Mondes
mit allen möglichen periodischen Vorgängen bei Tieren und auch beim Menschen in Zusammenhang
zu bringen, ohne daß es gelungen wäre, tiefer in dieses Problem einzudringen.
Schlussbetrachtungen.
Fassen wir die Ergebnisse der vorhegenden Arbeit kurz zusammen, so finden wir, daß die im
Golf von Neapel vorkommenden Vertreter der L y c o r i d e n - Art Nereis dumerilii Aud. et Edw.
in drei verschiedenen Formen geschlechtsreif werden können, nämlich in einer nereiden Form a
und in zwei heteronereiden ß und y. Alle drei Formen sind getrennt geschlechtlich im Gegensatz
zu einer vierten hermaphroditen Form <5, welche bisher nur bei MarseiUe, Villefranche, San
Remo und an der Küste der Normandie gefangen wurde.
Die Form a legt dotterreiche Eier in ihren Wohnröhren ab, wo sie vom Männchen befruchtet
werden und sieh dann bis zu jungen Würmern mit 10 Ruderpaaren unter dem Schutze des Muttertieres
entwickeln. Bei dieser Entwicklung können wir eine allererste Jugendzeit als Embryonalperiode,
die bis zu dem Stadium mit 6 Ruderpaaren reicht, unterscheiden gegenüber der darauf folgenden
Larvalperiode. Die beiden Lebensabschnitte sind besonders deutlich durch das verschiedene
Aussehen des Borstenkleides der jungen Würmer charakterisiert. Am Ende der Larvalperiode verläßt
das Muttertier seine Brut, und diese zerstreut sich infolge einer jetzt auftretenden negativen
Geotaxis und positiven Phototaxis über den Wohnbezirk, um dann das Leben der Erwachsenen
aufzunehmen.
Die freischwimmende Form ß legt Eier mit wenig Nahrungsdotter an der Oberfläche des Meeres
ab, die nach der Befruchtung mit einer dicken Gallerthülle umgeben abwärts sinken, sich schnell,
vielleicht ehe sie den Boden erreichen, zu einer schwimmenden Larve, der Nectochaeta entwickeln.
Diese Larven streben zunächst wieder nach der Oberfläche des Meeres, sinken aber bald zu Boden
und bilden sich hier in junge Würmer um, die dann sehr schnell heranwachsen, indem sie nach Art der
Erwachsenen leben. Sobald sie 10 Rudersegmente erreicht haben, gleichen sie den Jungen der
Form a. Wir haben also eine Erscheinung vor uns, die G i a r d (1904) „Poecilogonie“ genannt
hat, deren Wesen darin besteht, daß bei einer Tierart die Erwachsenen gleich, die Jungen aber nach
den äußeren Bedingungen verschieden gebaut sind.
Die Eier der Form y unterscheiden sich nicht von denen der Form ß. Ihr Schicksal ist nicht
bekannt; wahrscheinlich aber entwickeln sie sich wie die der Form ß.
Die von den Formen a und ß stammenden jungen Würmer wachsen ziemlich stetig heran,
wobei an ihrem Borstenkleid einige charakteristische Veränderungen stattfinden, und werden nun,
nachdem sie eine gewisse Größe erreicht haben, geschlechtsreif.
In der folgenden Textfigur 14 ist der Formenkreis der Nereis dumerilii schematisch dargestellt.
Wir sehen oben einen jungen Wurm, der auf der Bahn a zunächst größer, dann geschlechtsreif
wird in der nereiden Form a. Seine Nachkommen beginnen nach dem Durchlaufen des dotterreichen
Larvenstadiums den Lebenskreis von neuem.
Andere solcher jungen Würmer wandeln die Bahn b, d. h. sie wachsen zunächst bis zu
einem Stadium, das bereits größer ist, als die Form a, wandeln sich dann um und werden geschlechtsreif
in der Form ß, um nach Abgabe ihrer Geschlechtsprodukte einzugehen. Ihre Nachkommen
beginnen nach Absolvierung des Nectochaeta-Stadinms den Cyklus wieder von vorn.
Die Würmer der Form a können nach Beendigung ihres Brutgeschäftes und der damit
verbundenen Brutpflege weiterwachsen und so (Bahn c) sich nach einiger Zeit ebenfalls in die Form ß