
der Kopfkapsei abgesetzt, sonst aber fest mit ihr verschmolzen ist. Embryologisch wurde festgestellt,
daß auch zwischen Mandibel und Maxille eine Einstülpung auftritt, welche nach der oben gegebenen
Begründung zur Mandibel gehört. Aus ihr geht bei höheren Insekten (H e i d e r u. a.) die Sehne
für den Flexor der Mandibel hervor. Diese Funktion ist wahrscheinlich als eine sekundäre Modifikation
zu betrachten, während ursprünglich aus ihnen den Tentorialästen homologe Spangen als Träger
der Mandibel entstanden. Derartige Spangen finden sich noch bei Eosentomon (und bei Tomocerus) ;
ich glaube daher annehmen zu dürfen, daß dieselben auf jene postmandibularen Einstülpungen
zurückzuführen sind (obschon sie sekundär weit verlagert, und embryonal gerade bei Tomocerus die
Tentorialeinstülpungen noch nicht auf gefunden worden sind). Gleich dem des Maxillarsegmentes
geht das Sternum des Mandibularsegmentes im Hypopharynx auf, von dem es die Superlinguae
(Paraglossae) und vielleicht einen Teil der Dorsalpartie liefert.
Von den beiden nächst vorangehenden Segmenten, dem Postantennale und Antennale lassen
sich zuverlässige Rudimente bei Eosentomon nicht mehr nachweisen. Ihre Stammesanteile sind entweder
völlig rudimentiert (He ymo n s ) , oder sie sind möglicherweise in den Kopflappen aufgegangen.
Aber auch hier ist es vielleicht möglich, auf dem Umwege über die Entwicklungsgeschichte Anhaltspunkte
zu finden. Zwischen Mandibel und Antenne werden zwei Einstülpungen angelegt. Die eine
liegt cephalomedianwärts von der Mandibel unter der Antenne (R i 1 e y für Blattd), oder an der Basis
der Antenne ( H e ym o n s für Forficula), die andere tr itt cephalolateral von der Mandibel auf.
Die letztgenannte erweist durch ihre Lage (bei Blatta homostisch mit der Maxillo-labialen Einstülpung)
eine relativ nähere Beziehung zu der Mandibel, und läßt aus sich (R i 1 e y) Mandibularsehnen hervorgehen;
wenn ich in ihr das Rudiment eines postantennalen Tentoriumastes erblicke, so ist dies rein
hypothetisch.
Aus der anderen embryonalen Einstülpung zwischen Antenne und Mandibel, welche
zum Antennensegment zu rechnen ist, gehen der vordere und der dorsale (Ri l ey) Arm des
Tentoriums hervor. Auf sie darf jedenfalls der Hauptteil des vorderen Tentorialarmes von Eosentomon
zurückgeführt werden, obgleich hier wieder nicht geringe sekundäre Verschiebungen sta ttgefunden
haben.
Es bleibt nun von den sechs Kopfsegmenten nur noch ein einziges übrig, das Acron. Daß es
an der Zusammensetzung des Tentoriums irgendwie beteiligt ist, erscheint sehr zweifelhaft, da Ten-
torialinvaginationen bei ihm embryonal noch nicht bekannt geworden sind. Dafür spielt es aber
im Aufbau der Kopfkapsel die größte Rolle, indem von ihm das gesamte Epicranium gebildet wird.
Sein medianer Teil umwächst von vorn her den Dotter und wird am fertigen Insekt repräsentiert
durch Labrum, Clypeus und Frons; seine Seitenteile, die Kopflappen schließen sich ihm lateral an,
indem sie die Genae und den Vertex bilden (R i 1 e y u. a.) und durch ihre Verwachsung miteinander
und mit dem Medianteil die Y-förmige Scheitelleiste entstehen lassen. Bei höheren Insekten sind die
Arme der Scheitelleiste oft sehr lang, was ohne weiteres auf den tiefen Einschnitt zwischen Medianteil
und Kopflappen zurückgeführt werden kann. Wenn nun bei Eosentomon die Arme ganz überraschend
kurz sind, so weist das auf eine schwächere Abgrenzung der Kopflappen hin; das Fehlen der
Scheitelleiste von Acerentomon würde nach dieser Betrachtungsweise nur in einer mangelnden Abgrenzung
der Kopflappen von der Frontoclypeolabralanlage begründet sein.
In der nachfolgenden Tabelle soll noch einmal übersichtlich zusammengestellt werden, wie
man sich rein morphologisch die Verteilung der ursprünglichen Somite am fertigen Kopfe von Eosentomon
etwa vorzustellen hat. Vorausgesetzt sind dabei das Vorhandensein von nur sechs
Kopfsomiten, die partiell postorale Lage des Acron1) und die Homodynamie der Tentoriumäste mit
Pleuralleisten.
Thoracale Labiale Maxillare Mandibulare Postantennale Antennale Acron
(Lob. ceph.) (Pars med.)
Sternum Gula Hypopharynx Hypopharynx ? Hypopharynx ?
Tergum Gnathotergum Occiput • Vertex ? Vertex Epipharynx
Labrum
Clypeus
Latus Gnathopleura Postgena Gena? Gena Frons
Pleuralapodem
R. posterior
tentorii
Gelenkstab
d. Mandibel
R. anterior
tentorii EH
Extremität II. Maxille I. Maxille Mandibel . - 1
An diese Erörterungen über den Aufbau der Kopfkapsel seien noch einige Bemerkungen über
die Mundteile angeschlossen.
Was die morphologische Deutung der Ma n d i b e l anbelangt, so ist man ganz auf Analogieschlüsse
angewiesen, da embryologische Daten darüber für Eosentomon bis jetzt noch nicht vorliegen.
Die Untersuchungen von H o f f m a n n haben gezeigt, daß bei Tomocerus die Mandibel primär
aus drei Gliedern besteht, aus deren basalem der Grundabschnitt etwa bis zu den Rotatorsehnen
entsteht, während das distale den „Fuß“ und das mittlere den dazwischen gelegenen Teil der Mandibel
aus sich hervorgehen läßt. Ich glaube daher nicht fehl zu gehen, wenn ich in dem nicht geschlossenen
Basalstück der Proturenmandibel, ebenso wie bei Tomocerus, ein Homologen der Subcoxa, in dem
röhrenförmigen die Coxa und in dem Endstück eine Lade (vermutlich die Galea) erblicke.
Mit dieser Deutung schließe ich mich im wesentlichen a n B e r l e s e an; einer Begründung
bedarf nur noch die Auffassung des Endstückes als Außenlade.
Auf Grund embryologischer Befunde glaubte man ( H ey mo n s ) die einfache Anlage der
Mandibel pterygoter Insekten den äußerlich ähnlichen Anlagen der Maxillarladen gleichsetzen zu
müssen. Die Mandibel des fertigen Insektes war demnach als. Verschmelzungsprodukt von Coxo-
merit und Coxa (H e y m o n s, B ö r n e r) zu betrachten, während die Subcoxa nur gelegentlich nachweisbar
war. Dabei mußte angenommen werden, daß der Telopodit (Palpus) völlig reduziert sei.
Morphologische Untersuchungen (H a n s e n u. a.) bestätigen diese Auffassung in weitgehendem
Maße. Vergleicht man nun die Mandibel eines Diplopoden mit der Maxille eines Collembolen, so findet
i) Bei Insekten wird in der Regel angegeben', daß der vor dem Anteimensegment gelegene Teil des Kopfes, das
Acron s. la t. einfach angelegt wird. Bei Chilopoden gelang H e y m o n s der Nachweis eines postoralen Präantennalsegmentes
h in ter dem präoralen Acron s. str. Da er m it Recht das Acron der Insekten dem vereinigten Acron und Präantennal-
segment der Chilopoden gleichsetzt, muß also ein Teil des ursprünglich als präoral betrachteten Insekten-Acron postoral
seih. Da nun von jedem postoralen Segmente der ventrale Bogen hinter der Mundöffnung zu suchen ist, müssen auch
von den Segmenten des Procephalon ursprünglich Teile h in ter dem Munde bezw. im Bezirke d er Hypopharynx (Dorsalpartie)
gelegen haben, ehe sie völliger Reduktion anheim fielen.