
Vielleicht kommen wir in der faunistischen Erforschung der einzelnen Länder einmal so weit,
daß wir mit einiger Vollständigkeit wissen, was an Spirostreptiden dort vorkommt und ist die Artenzahl
eines Landes nicht zu groß, werden wir vielleicht auch schließen können, welche Art dem Autor
einer an und für sich undeutbaren Beschreibung vorlag. Heute aber, wo wir von den meisten Ländern
erst kleine Bruchstücke der ganzen Fauna kennen, ist auch dieser immer recht ungewisse Modus, die
alten Beschreibungen, die auf $ basieren, zu deuten, ausgeschlossen. Übrigens dürfte es noch so lange
dauern, bis daß diese gründliche faunistische Durchforschung der afrikanischen Länder erreicht ist,
daß bis dahin niemand mehr daran denken wird, auf die alten, heute unkenntlichen Beschreibungen
zurückzugreifen. Die ca. 250 species incertae sedis werden sich so lange als lästiger Ballast in der
Literatur fortschleppen, bis daß einmal etwas vernünftigere Nomenklaturregeln allgemein angenommen
sind, die so unbrauchbaren Produkten rasch und endgültig den Garaus machen.
Die guten, auf Kenntnis der Gonopoden basierten Beschreibungen wurden von V o g e s
begonnen und ihnen folgten in der neueren Zeit besonders die von S a u s s u r e , B r ö l e m a n n
und Ca r l . So gut diese Autoren auch beschrieben, haben sie sich merkwürdigerweise alle die Gelegenheit
entgehen lassen, höhere Gruppen, Familien etc. zu bilden. Die einzige Ausnahme, nämlich
der Versuch C o o k s, einige, zum größten Teil nur dem Namen nach bekannte Gattungen als Familie
Trachystreptidae abzusondern, war wohl nicht sehr glücklich. In den letzten Jahren habe ich es
schon in ein paar Schriften versucht, die Ordnung der Spirostreptiden zu gliedern und hier soll das
alles zusammengefaßt und erweitert werden. Wie der Titel besagt, habe ich vor allem die afrikanische
(madagassische) Fauna im Auge gehabt, um jedoch meine Arbeit allgemeiner brauchbar zu machen
und demjenigen, der die außerafrikanischen Faunengebiete einer ähnlichen Bearbeitung unterziehen
wollte, etwas vorzuarbeiten, habe ich in den Listen und Tabellen die Spirostreptoiden orbis terrarum
aufgenommen, und ich hoffe, daß sich bald Kollegen finden, welche die Erforschung der besonders
in zoogeographischer Beziehung interessanten Spirostreptiden weiterführen.
I. Äussere Morphologie.
L Gliederung des Körpers.
Der Körper besteht aus Kopf und Rumpf; letzterer gliedert sich in Thorax und Abdomen;
zum Thorax gehören die 4 ersten Rumpfsegmente, nämlich das stets fußlose Halsschildsegment und
die folgenden 3, je ein Beinpaar tragenden einfachen Segmente, zum Abdomen die Doppelsegmente
und das Analsegment.
Bezüglich der Einteilung des Körpers in Regionen sind sich die Autoren bisher nicht einig.
Ich führe die hauptsächlichsten Meinungen hier an, die Erörterung des pro und contra auf die Besprechung
der einzelnen Regionen verschiebend.
L a t z e i sagt: ,,An den Kopf reihen sich die meist homonomen Körpersegmente an, von
denen die 3 vordersten als Brust, die übrigen als Hinterleib aufgefaßt werden können.“
S i l v e s t r i teilt den Körper in Kopf, Rumpf (tronco) und Segmento anale (oder Pygidio
oder Telson). '' Zum Kopf zählt er auch noch das segmento occipitale = Halsschildsegment. Am
Rumpf unterscheidet er 3 Regionen: 1. Pretronco, aus 2—3 Segmenten bestehend, jedes mit einem
Beinpaar (bei den Colobagnathen sind es 2, bei den anderen Diplopoden 3 Segmente). 2. Mesotronco
enthält die Doppelsegmente, inklusive der fußlosen Segmente vor dem Analsegment in unserem Sinne.
3. Metatronco oder segmento preanale: in unserem Sinne ist das der Ringteil des Analsegments -f-
Analschuppe.
Das „Segmento“ anale enthält nur die Analklappen.
Diese Einteilung mit ihren Künsteleien, Zurechnung des Halsschildes zum Kopf und Zerreißung
des Analsegments in 2 Regionen wurde von niemandem nachgeahmt.
E f f e n b e r g e r teilt den Körper von Polydesmus in Kopf und Rumpf, letzteren in: 1. Vorderrumpf
oder Praetruncus, die ersten 4 Segmente. 2. Mittelrumpf oder Mesotruncus, die Segmente
5—;18, und 3. Hinterrumpf oder Metatruncus, Segment 19 und Analsegment.
V e r h o e f f teilt den Rumpf in Thorax und Abdomen, rechnet zu ersterem aber nur die
ersten 3 Segmente (Halsschildsegment und die ersten 2 beintragenden Segmente). Das Analsegment
in unserem Sinne nennt er Telson und läßt es mit Silvestri aus 2 Segmenten zusammengesetzt sein,
nämlich aus dem Praeanalsegment, worunter er aber zum Unterschied von Silvestri nur den Ringteip
versteht, und dem Analsegment, Worunter er die Analklappen und Schuppe versteht. Es bleibt
unklar, ob er dieses Telson als Teil des Abdomens oder als 3. Rumpfregion auffaßt.
Die K ö r p e r g r ö ß e schwankt innerhalb weiter Grenzen: Syndesmogenus gracüis ist nur
1 mm breit. Graphidostreptus gigas dagegen fast 20 mm breit. Im allgemeinen kann man sagen,