
Sommer form von B. c. crassicornis von B. c. coregoni entfernt, durch, die Winterform wieder rückgängig
gemacht wird.
Sehr wichtig für die Beurteilung der Winterformen von B. c. crassicornis ist auch das Verhalten
der Antennenprojektion Pr. im Laufe der Cyclomorphose. Bei Verkürzung der 1. Antennen, wie sie
ja bei B. c. crassicornis im Sommer erfolgt, sollte man eine korrespondierende Abnahme der Projektion
der 1. Antenne auf die Längsachse erwarten, wie es ja bei allen übrigen Formen von B. coregoni und
der B. c. crassicornis vom Paarsteiner See auch tatsächlich der Fall ist. Bei der B. c. crassicornis des
Madüsees dagegen erfolgt trotz der Verkürzung der 1. Antenne im Sommer eine gleichzeitige Verlängerung
der Antennenprojektion. Das ist nur möglich, wenn die im Sommer sich verkürzende 1. Antenne
der Madüseeform sich gleichzeitig dem Körper näher anlegt, also einen kleineren Winkel mit der
Längsachse bildet als im Winter. Ich will den erwähnten Winkel kurz „Antennenwinkel“ nennen.
Im Winter muß dann umgekehrt mit der Verlängerung der 1. Antenne gleichzeitig eine Aufrichtung
derselben, d. h. eine Vergrößerung des Antennenwinkels erfolgen. Diese aus den Maßzahlen für
G + D und Pr zu postulierenden Veränderungen des Antennenwinkels sind in der Tat zu beobachten,
wie ein Vergleich der Fig. 62 und 63 (Madüsee 10. VII. ’03) mit Fig. 64 (Madüsee 29. IV. ’01) ergibt.
Bei den Hoc hsomme r t i e r en ist schon das Rostrum schräg nach hinten-unten gerichtet und dadurch
dem vorderen Ventralkontur der Schalenklappen so stark genähert, daß nur ein schmaler Zwischenraum
zwischen dem caudalen Rostrum- und dem rostralen Schalenklappenkontur, in dem das Basalglied
der Ruderantenne liegt, besteht. Ferner sitzen die kurzen und dicken 1. Antennen derart
schräg nach hinten gerichtet dem Rostrum auf, daß sie dem Körper möglichst eng anhegen und dem
vorderen Ventralkontur der Schalenklappen fast parallel laufen. Durch diese eigenartigen Verhältnisse
wird (im Verein mit der gleichmäßigen Wölbung des Dorsalkonturs) die rundliche Gestalt
der Hochsommerformen von B. c. crassicornis im wesentlichen bedingt. Dagegen ist weder das
Rostrum, noch die 1. Antenne der W i n t e r f o rm e n der Madüsee-Crassicornis auffallend stark
nach hinten gerichtet und dieselbe zeigt somit auch in diesen Punkten keine Differenzen gegen
die Winterformen von B. c. coregoni. E s e r f o l g t a l s o b e i d e r Ma d ü s e e f o rm im
S omme r n i c h t n u r e i n e V e r k ü r z u n g , s o n d e r n z u g l e i c h e i n e A n l e g u n g d e r
1. A n t e n n e n a n d e n K ö r p e r , u n d im W i n t e r f i n d e t d u r c h V e r l ä n g e r u n g
u n d W i e d e r a u f r i c h t u n g d e r 1. A n t e n n e n e i n e R ü c k k e h r z u u r s p r ü n g l
i c h e r e n V e r h ä l t n i s s e n s t a t t . Die Winterform der Madüsee-Crassicornis ist von den
Winterformen der B. c. coregoni eigentlich n u r dadurch (und auch das nicht ohne Schwierigkeit)
zu unterscheiden, daß ihr Auge ganz dicht der flachen Stirn anliegt, während es bei Coregoni-Formen
gewöhnlich etwas von der Stirn entfernt sich befindet.
Bei der B. c. crassicornis vom Paarsteiner See dagegen variieren die Werte für Antennen-
projektion Pr und Länge der 1. Antennen C -f- D wieder parallel miteinander, und hier ist dementsprechend
der Antennenwinkel konstant, d. h. im Winter ebenso groß wie im Sommer. Es rührt
dies daher, daß sich hier die 1. Antenne im Winter nicht aufrichtet, sondern ebenso wie im Sommer
dem Körper eng anliegt.1) Diese Erscheinung läßt sich ganz ungezwungen so auffassen, d a ß d e r
v o n d e r S om m e r f o rm e rw o r b e n e C h a r a k t e r (Anlegen der 1. Antenne an den Körper
oder Verkleinerung des Antennenwinkels) b e i d e r P a a r s t e i n e r - S e e - F o rm s c h o n
*) Doch finden sich auch im Paarsteiner See gelegentlich vereinzelte W intertiere mit größerem Antennenwinkel als im
Sommer, vgl. z. B. Fig. 66. — Bei der B. c. crassicornis des Sacrower Sees findet im Winter eine Aufrichtung der 1. Antenne s ta tt,
wie im Madüsee.
s e k u n d ä r a u f d i e W i n t e r f o rm ü b e r t r a g e n i st , w ä h r e n d er be i d e r Ma d ü s e e f
o rm n o c h e in r e i n e s S om m e rm e r km a l g e b l i e b e n i s t , d a s d i e Wi n t e r f o rm
n o c h g a r n i c h t b e r ü h r t h a t . Beide Lokalrassen von B. c. crassicornis repräsentieren somit
in diesen Punkten verschieden weit fortgeschrittene Stadien der Formentwicklung.
In der Literatur finden sich leider gar keine Angaben über die Temporalvariation von B. c.
crassicornis. Aus Lilljeborgs (’01) Abbildungen läßt sich darüber nichts entnehmen. Auch über
die Cyclomorphose der — wegen ihrer extremen, über B. c. crassicornis noch hinausgehenden Form-
verhältnisse — sehr interessanten B. c. glöbosa sind leider keine Beobachtungen mitgeteilt worden.
Aus einem Vergleich der Lilljeborgschen (’01) Fig. 8 und 9 auf Tafel L und Lilljeborgs diesbezüglichen
Angaben scheint jedoch hervorzugehen, daß sich B. c. globosa insofern übereinstimmend mit B. c.
crassicornis verhält, als ihre 1. Antennen im Sommer kleiner sind und dem Körper enger anliegen
als im Winter. Eingehende Untersuchungen wären hier erwünscht!
Gehe ich nach diesen allgemeineren Betrachtungen über die R i c h t u n g der Cyclomorphose
bei B. c. crassicornis auf den V e r l a u f derselben im e i n z e l n e n näher ein, so ist zu bemerken,
daß, wenigstens bei den von mir untersuchten Lokalrassen, hier die einzelnen Formzustände sich bei
weitem nicht so scharf unterscheiden lassen wie bei B. c. berolinensis, longicornis oder thersites. Es
dürfte dies damit Zusammenhängen, daß (wenigstens im Madü- und Paarsteiner See) sexuelle Fortpflanzung
und Dauereibildung hier fast verschwunden zu sein scheint. In dem reichen, aus allen
Monaten des Jahres stammenden Material vom Madüsee, das Herr Professor Weltner gesammelt hat,
fand weder Keilhack (’05) noch ich ein einziges Geschlechtstier. Im Paarsteiner See fand ich nur ein
einziges E$ von B. c. crassicornis am 1. I. ’09, desgleichen im Sacrower See am 19. XI. ’081} und
mehrere E$$ im letztgenannten See am 20. XL ’10.
Wenn nun zwar — vermutlich infolge dieser Fortpflanzungsverhältnisse — die einzelnen
temporalen Formzustände bei den Lokalrassen vom Madü- und Paarsteiner See sich nicht scharf
gegeneinander abgrenzen lassen, so zeigt doch eine genauere Betrachtung der in Tab. V niedergelegten
Maß zahlen, daß das Steigen und Fallen der einzelnen Körpermaße auch hier zeitlich zusammenfällt
mit den analogen Erscheinungen bei anderen Formen. Die Maße, die für Madüseetiere vom 10.
VII. ’03 und 4./8. VIII. ’01 (Tab. V, No. 2 und 3) gegeben sind, gehören extremen Hochsommertieren
an. In den hohen Werten für H, Pr, A + B zeigen die Tiere vom 10. VII. ’03 die extremere Ausbildung
der sommerlichen Charaktere, während in der starken Reduktion von C, D, C + ü und O die Tiere
vom 4./8. VIII. ’01 sich extremer verhalten. Diese Hochsommertiere repräsentieren ein Maximum
der Eiproduktion. Sie haben 4—7 Eier im Brutraum, daher die hohen Werte (bis über 1000) für H.
Die zwei Tiere vom 6. X. ’00 (Tab. V, No. 4), deren Maße sodann angegeben sind, zeigen schon einige
herbstliche Veränderungen in den Werten Pr., C-f-D, O, A-)-B und sind als Spätsommerformen
zu bezeichnen. Bei den Tieren vom 10. XI. ’00 (mit 3—4 Eiern), Tab. V, No. 5 sind die winterlichen
Umwandlungen im gleichen Sinne fortgeschritten, die Tiere wären etwa den sonst als Frühwintertiere
bezeichneten Formen zu parallelisieren. Extreme Ausbildung der winterlichen Charaktere zeigen die
als Spätwinterformen zu bezeichnenden Tiere vom 29. IV. ’01 (mit 1—4 Eiern, Tab. V, No. 1). Für
den Paarsteiner See, von dessen B. c. crassicornis ich ebenfalls in Tab. V, No. 6—11 mehrere Maßzahlen
gebe, läßt sich ein ähnlicher Parallelismus mit den Formzuständen der früher betrachteten
*) Im Material von Dr. L. Cohn aus masurischen Seen konstatierte ich dagegen starke Geschlechtsperioden, z.B. waren in
den Talter-Gewässern am 30. IX. 01 50 % aller Crassicornis-Tiere Geschlechtstiere. Männchen und E $$ fand ich ferner am 30.
Sept. 01 im Beldahnsee. Einige E $ $ im Mohrinersee (Material von Prof. Weltner) im Dezember.