
brechens der Brutschwärme wirkt, weil es sonst nicht verständlich wäre, wie so viele in die Millionen
zählende Individuen plötzlich auf die Stunde alle fertig geschlechtsreif sein könnten. Wir müssen
vielmehr annehmen — und die von unserer Nereis mitgeteilten Tatsachen scheinen diese Annahme zu
bestätigen —, daß die Einwirkung des Mondes bereits eine beträchtliche Zeit vor der Vollendung
der Metamorphose erfolgt und für das Vorsichgehen diesér Umwandlung selbst erst den Hauptaus-
schlag gibt, nicht aber, daß er für schon umgewandelte Tiere, die nur auf ihn warten, gewissermaßen
das Alarmsignal bedeutet. Nur auf diese Weise ist, wie schon früher gesagt, das vereinzelte und doch
in gewissen Perioden erfolgende Schwärmen unserer Nereis zu erklären.
In einem, eben erst veröffentlichten populären Aufsatz über das Tortugas Laboratory und die
daselbst vorgenommenen Untersuchungen teilt nun A. G . M a y e r (1910), nachdem er unter anderem
auch auf das Schwärmen des atlantischen Palolo zu sprechen gekommen ist, folgende kurze Notiz
mit: „Professor A a r o n L. T r e a d w e l l , of Vassar College, is now studying this phenomenon,
and he has discovered th a t if the rocks containing the worms be placed in a dark chamber upon
the day preceding the night of the swarm the worms may still swarm. Hence, contrary to
M a y e r ’ s supposition, the presence of moonlight is not necessary for the swarming reaction.
Previous studies at Tortugas have shown th a t the swarming is not due to tidal influences, and now
the great question is — what does cause this remarkable response, for it appears to be some form
of energy to which we are ourselves not sensitive.“
Nach dieser Angabe zweifelt also der amerikanische Forscher neuerdings überhaupt daran,
daß das M o n d l i c h t einen Einfluß ausüben soll. Ich glaube nun, daß wir auch trotz dem Ergebnis
dieser angedeuteten Untersuchungen von T r e a d w e l l noch nicht darauf zü verzichten brauchen,
im Mondlichte die Ursache für das Auftreten von Brutschwärmen zu sehen. Wir dürfen nur nicht
annehmen, wie Ma y e r es getan hatte, daß eine bestimmte Mondphase das gleichzeitige Losbrechen
der Schwärme verursacht, sondern wir müssen uns die Einwirkung des Mondes auf eine viel frühere
Zeit im Leben der betreffenden Polychaeten zurückverlegt denken. Die schwärmenden Tiere sind
ja voll geschlechtsreif, mithin muß doch vor allem die Reifung der Geschlechtsprodukte durch einen
alle gleichzeitig treffenden Reiz angeregt und eingeleitet worden sein. Dieser Reiz muß demnach
schon einige Wochen vor dem Schwärmen auf die Tiere gewirkt haben.
Soweit sich aus meinen kurzen Beobachtungen an Nereis dumerilii ersehen ließ, scheint eine
solche Annahme durch die Tatsachen eine Stütze zu finden. Daß von jenen 22 Palolo-Würmern
Ma y e r s kein einziger schwärmte, kann an den immerhin unnatürlichen Bedingungen hegen, unter
welchen diese, wie ja Ma y e r selbst zugibt, so empfindlichen Tiere gehalten wurden. Daß dagegen
die nur einen Tag vor dem voraussichtlichen Schwärmen im Dunkeln gehaltenen Würmer T r e a d w
e l l ’ s trotzdem losbrachen, kann man als eine Bestätigung meiner Annahme, daß die Beeinflussung
durch das Mondlicht früher stattfindet, ansehen.
Eine solche vorherige Einwirkung des Mondes schließt ja nicht aus, daß das gleichzeitige
Losbrechen der so zahlreichen Individuen, aus denen sich die großen Brutschwärme zusammensetzen,
wiederum durch einen Reiz ausgelöst wird. Dieser s e k u n d ä r e Reiz mag bei den an streng
eingehaltenen Terminen schwärmenden Palolo-Würmern abermals in Gestalt des Mondlichtes einwirken.
Man kann sich auch hier wieder die Beeinflussung 'einige Tage vor dem Schwärmen sta ttfindend
denken, so daß die Ergebnisse T re a dw e ll’s dieser Annahme nicht widersprechen. Immerhin
ist es ja möglich, daß der in der Natur in dem Wohngebiet der Palolo-Würmer vorhandene und
vom Monde abhängige Gezeitenwechsel auch mit zur genaueren Einhaltung der Schwärmtermine
beiträgt, wie Ma y e r annimmt. H Bei unserer Nereis dumerilii, die für gewöhnlich nur vereinzelt
schwärmt, scheint zunächst nur der primäre, der Hauptreiz eine Wirkung auszuüben; die gelegentlichen
großen Brutschwärme zeigen aber, daß sich auch bei diesem Polychaeten allmählich die Neigung
herausbildet, auf einen sekundären Reiz zu reagieren, der die durch den ersten zur Umwandlung ver-
anlaßten Tiere zum spontanen Losbrechen bringt.
Wenn hier immer von einer E i n w i r k u n g d e s M o n d - L i c h t e s gesprochen wurde,
so möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, daß diese ja keine unmittelbare zu sein braucht, zumal
eine solche hach unseren bisherigen physiologischen Erfahrungen recht wenig verständlich sein würde.
Man kann aber ein mittelbares Einwirken annehmen, das man sich wenigstens für Nereis dumerilii
vielleicht folgendermaßen vorstellen könnte. Wie sich aus dem Verhalten der gefangenen Würmer
ergibt, verlassen diese nur des Nachts ihre Wohnröhren, um sich Nahrung zu suchen. Es ist daher
wahrscheinlich, daß auch das helle Licht des Vollmondes, ebenso wie am Tage das Sonnenlicht,
die im Freien lebenden Tiere veranlaßt, in den Nächten um den Tag des Vollmondes herum in ihren
Röhren zu bleiben. Ob die Tiere bei absoluter Dunkelheit auf Beute ausgehen, ist nicht bekannt,
könnte aber leicht experimentell festgestellt werden. Da unsere Würmer mit verhältnismäßig
hochorganisierten Linsenaugen versehen sind, scheint ihnen eine gewisse Lichtmenge nötig zu sein,
um sie in ihrer Umgebung zu orientieren. Somit würden die Nereis dumerilii in der Zeit um den
Vollmond, vielleicht auch um die des Neumondes einige unfreiwillige Hungertage durchzumachen
haben, oder anders ausgedrückt, der Hauptnahrungserwerb fiele in die Zeit um die Mondviertel mit
ihrem mäßigen Licht, etwa in die Nächte kurz nach dem ersten sowie in die gleich hellen kurz
vor dem letzten Viertel. Diese periodische Nahrungszufuhr könnte aber für den Zeitpunkt der Vollendung
der Geschlechtsreife, und damit für das Schwärmen von Bedeutung sein. Bemerkenswert
ist, daß diese Perioden einer gesteigerten Nahrungsaufnahme sich mit den früher auf anderem Wege
gefundenen und als wirksam bezeichneten Zeitabschnitten decken. 14—25 Tage lang dauert ja die
Umwandlung, wie von mir festgestellt wurde. (S. S. 82.)
K e in e n E in flu ß s c h e in t bei u n s e re n Würmern d e r P h a s e nw e c h se l des Mondes
d a r a u f zu haben, ob e in e Um w an d lu n g überhaupt e r fo lg t o d e r n ic h t, denn wir
sahen alle Andeutungen dafür, daß es ungünstige Bedingungen sind, welche die für die Existenz der
Art vorteilhafte Metamorphose herbeiführen, durch die die Nachkommen der Würmer an neue Wohn-
plätze gebracht werden.
* * *
Ma y e r weist darauf hin, daß das Verhältnis der männlichen zu den weiblichen Tieren beim
atlantischen Palolo 3: 2 ist und daß die Brutzeit bei diesem Wurm nur 1—6 Tage dauert, bei Nereis,
wo nach diesem Autor sehr viele Männchen auf ein Weibchen kommen, dagegen volle 100 Tage,
eine Zahl, die allerdings für viele L y c o r i d e n - Arten ungefähr zutreffen mag. (Für Nereis dumerilii
mit ihren zahlreichen Geschlechtsformen könnte man das ganze Jahr als Brutzeit angebem)
Da nun eine Verkürzung der Brutzeit eine Vermehrung der Weibchen und eine Verminderung der
Männchen erfordert, wenn die Art nicht weniger Nachkommen als früher erzeugen soll, eine Verlängerung
der Brutzeit diese Zahlen aber umgekehrt gestaltet, weil es möglich wäre, daß die Weibchen inner